Mit dem Verbandstag vom 4./5.11. hat sich die Sozialistische Jugend Österreich gegen eine Große Koalition und für eine Minderheitsregierung der SPÖ ausgesprochen. Gemäß diesem Beschluss wurde jetzt die Internet-Plattform www.minderheitsregierung.at online gestellt. Die Website bietet die Möglichkeit einer Unterstützungserklärung. Hinschauen und unterstützen! Setzt die Plattform in Bewegung!
Leitantrag des 31. Verbandstags der SJÖ
Für eine sozialistische Politik - Nein zur Großen Koalition
Die Wahlen am 1. Oktober haben drei deutliche Signale gebracht: Erstens wurde die ÖVP eindrucksvoll abgewählt. Diese Wahl hatte auch die ÖVP zu einer Abstimmung über die Zufriedenheit mit der Regierung und ihrer Politik gemacht. Das Ergebnis der Wahl war eindeutig: ein Minus von 500.000 Stimmen - fast ein Viertel der VP-WählerInnen von 2002 - verdeutlicht den immensen Unmut der Bevölkerung gegen den Sozialraubkurs und die Arroganz der Macht der ÖVP.
Zweitens wurden die inhaltlichen Themen, die die SPÖ in diesem Wahlkampf vorgegeben hat deutlich unterstützt. Obwohl in der veröffentlichten Meinung allgemein wegen BAWAG&Co abgeschrieben, hat es die SPÖ mit der Thematisierung der Probleme Arbeitslosigkeit, Bildungsraub, Pensionskürzungen und Zwei-Klassenmedizin und dem Versprechen, diese Probleme sozial gerecht zu lösen, an die Spitze geschafft. Die sozialen Fragen und das Vertrauen, dass die SPÖ diese lösen wird, haben diese Wahlen entschieden. Damit wurde auch der beleg erbracht, dass Wahlen für die Sozialdemokratie nur dann erfolgreich zu schlagen sind, wenn sie auf ihre Kernthemen setzt und glaubwürdig den Eindruck vermittelt, die sozialen Interessen ihrer Kernschichten zu vertreten.
Drittens, wurde auch der Beleg erbracht, dass Unzufriedenheit nicht automatisch in WählerInnenstimmen für die Linke umgesetzt sind. Rassismus wurde von FPÖ und BZÖ erneut erfolgreich eingesetzt, um die arbeitenden Menschen zu spalten. Die Ergebnisse der FPÖ in den Wiener ArbeiterInnenbezirken sind ein Warnsignal und untersteichen die Notwendigkeit, die sozialen Brennpunkte in unserer Gesellschaft zu entschärfen und gleichzeitig eine klar antirassistische Politik zu vertreten. Sie sind daher auch ein klares Signal an die SPÖ, sich nicht selbstzufrieden zurückzulehnen, sondern offensiv Strukturen zu entwickeln und konsequente Politik für ArbeitnehmerInnen zu machen, um der rassistischen Kanalisierung sozialer Unzufriedenheit einen Riegel vorzuschieben.
Große Koalition?
Sechs Jahre verwirklichte die ÖVP gemeinsam mit ihren blau-orangen Koalitionspartnern ihre Vorstellungen von "neu regieren". Für die ArbeitnehmerInnen und ihre Organisationen, für Jugendliche, für Frauen, für Arbeitslose, für PensionistInnen und für MigrantInnen standen diese sechs Jahre für Unsicherheit, Einkommensverlust, Zukunftsraub und Diskriminierung.
Mit Studiengebühren, der Verweigerung jeder progressiven Reform und Kürzungen im Bildungsbudget wurde das Bildungssystem schwer getroffen. Durch die Budget- und Arbeitsmarktpolitik wurde die Jugendarbeitslosigkeit verdoppelt, die Gesamtarbeitslosigkeit erreichte Monat für Monat neue Rekordstände. Die realen Einkommen der ArbeitnehmerInnen haben aufgrund der ständig angehobenen Belastungen für ArbeitnehmerInnen stagniert oder sind sogar gesunken, während Unternehmen und SpitzenmanagerInnen Rekordgewinne und -bezüge einfahren. Die so genannten "Pensionsreformen, haben bereits die aktuellen Pensionen gekürzt und bereiten den Boden für die sichere Altersarmut der jetzt jungen Menschen. Die Ungleichheit der Geschlechter wurde nicht nur nicht bekämpft, sondern durch die neoliberale Wirtschafts- und Sozialpolitik, durch reaktionäre Maßnahmen im Familienrecht und durch die Abschaffung des Frauenministeriums verstärkt. Durch ständig weiter getriebene Verschärfungen von Asyl- und Fremdenrecht versuchen die Regierungsparteien rassistische Vorurteile zu schüren und Sündenböcke für die eigene Sozialraubpolitik zu schaffen.
Nicht zuletzt haben die Angriffe auf die Sozialversicherung, auf Arbeiterkammern und Gewerkschaften, die EisenbahnerInnen etc. die wahre Absicht und die praktische Umsetzung der Klasseninteressen, für die die ÖVP steht, gezeigt: Die nachhaltige Schwächung und Zerstörung der Organisationen und Strukturen der ArbeitnehmerInnen, um noch leichter und ungestörter die Milliarden von den arbeitenden Menschen zu den eigenen GeldgeberInnen in Industrie und Wirtschaft umzuverteilen.
Es ist unmöglich, mit dieser Partei eine Regierung zu bilden, die Arbeitslosigkeit bekämpft, Studiengebühren abschafft, Barrieren im Bildungssystem beseitigt, Gesamt- und Ganztagsschule verwirklicht, Pensionskürzungen rückgängig macht, das Sozialsystem aus- statt abbaut u.v.m. Mit anderen Worten: Die ÖVP ist nur dann zu einer Koalition mit der SPÖ bereit, wenn diese auf wichtige und zentrale Wahlversprechen verrät und gemeinsam mit der Volkspartei den bisherigen neoliberalen Regierungskurs fortsetzt. Der Hoffnung, "das Schlimmste zu verhindern", wenn man in den Ministerien sitzt, steht die Realität gegenüber, dadurch Positionen aufzugeben und dadurch Glaubwürdigkeit zu verlieren.
Die SPÖ würde dadurch nicht nur sich selbst verraten, sie würde den mit dem bisherigen Kurs Unzufriednen "ihrer Partei, berauben und der FPÖ unter Strache zusätzlichen Aufwind bescheren. Die logische Konsequenz der Bildung einer Koalitionsregierung mit der ÖVP und die dafür notwendige Akzeptanz der ÖVP-Bedingungen ist für die SPÖ eine sichere Wahlniederlage bei den nächsten Wahlen und sichert der Rechten einen neuen Triumph.
Welche Alternative?
Das Fehlen einer parlamentarischen Mehrheit jenseits von FPÖ, BZÖ und ÖVP macht die Situation für die SPÖ sicherlich nicht einfach. Dennoch ist klar: Sie wurde von den WählerInnen wegen ihres sozialen Programms mit einer relative Mehrheit ausgestattet und muss diesem treu bleiben, wenn sie nicht ihre Glaubwürdigkeit verspielen will.
Die SPÖ muss also versuchen, ihr Programm durchzusetzen. In den laufenden Verhandlungen und Gesprächen muss sie ebenso wie durch Gesetzesanträge im Nationalrat alle anderen Parteien dazu zwingen Farbe zu bekennen, ob sie bereit sind, eine Politik des sozialen Kurswechsels mit zu tragen. Eine SPÖ, die deutlich unter Beweis stellt, dass sie ihrem Programm entsprechend die Lebenssituation der breiten Mehrheit der Bevölkerung verbessern will, braucht weder die Bildung einer Minderheitsregierung, noch allfällige Neuwahlen fürchten. Eine Abstimmung darüber, ob das Sozialsystem ausgebaut oder abgebaut, Eurofighter storniert oder gekauft werden, ist eher ein Problem für jene, die das WählerInnensignal am 1. Oktober - einen politischen Kurswechsel - nicht verstehen wollen.
Für uns steht daher fest, dass die offensive Kampagnenarbeit der letzten Wochen in den nächsten Wochen und Monaten fortgesetzt werden muss. Es geht darum, deutlich zu machen wofür wir stehen und warum es notwendig ist, uns für die Anliegen der arbeitenden Menschen den Rücken zu stärken.
Die Rolle der Sozialistischen Jugend
Unabhängig vom letztlichen Ergebnis der derzeitigen Koalitionsverhandlungen ist es die Aufgabe der Sozialistischen Jugend, auf die Erfüllung der Wahlversprechen und die Umsetzung unserer eigenen Forderungen zu pochen. Im Falle der Bildung einer Großen Koalition wird es wohl der SJ zufallen, für eine innerparteiliche Mehrheit gegen einen faulen Kompromiss mit der ÖVP zu kämpfen und unsere inhaltlichen Positionen nötigenfalls auch gegen eine rot-schwarze Regierung zu vertreten.
In den nächsten Monaten wird die Sozialistische Jugend daher in jedem Fall gefordert sein, konsequent für ihre Positionen und für einen sozialistischen Kurswechsel in Österreich innerparteilich und öffentlich aufzutreten. Mit unserem Handeln werden wir auch in den nächsten Monaten dafür kämpfen, die SJ und die SPÖ als glaubwürdige Vertreterinnen der arbeitenden Menschen und der Jugendlichen zu positionieren.
Der Verbandstag fordert:
· Nein zur Großen Koalition - die SPÖ darf ihre Positionen nicht am Altar der "Staatsverantwortung, opfern
· Die SPÖ muss in Verhandlungen und Gesprächen konsequent für ihr Wahlprogramm eintreten - keine Abstriche von den zentralen Anliegen der SPÖ
· Die SPÖ soll Verhandlungen und Gespräche offen und transparent führen, um der Öffentlichkeit sichtbar zu machen, wer eine Politik des sozialen Kurswechsels verhindert
· Für die Abstimmung eines Regierungsprogramms einer SPÖ-geführten Regierung ist ein Parteitag einzuberufen
· Die Sozialistische Jugend setzt sich innerparteilich auf allen Ebenen und öffentlichkeitswirksam gegen eine allfällige Koalition mit der ÖVP ein
· Die Sozialistische Jugend unterstützt mit voller Kraft und Aktivitäten öffentlichkeitswirksam die konsequente Umsetzung eines SPÖ-Regierungsprogramms im Sinne der arbeitenden Menschen