So titelte der britische „Economist“ in seiner Jahresvorschau für 2014. Die Ergebnisse des bürgerlichen Think Tanks sind erstaunlich: 65 von 150 untersuchten Staaten der Erde gelten ihnen als „anfällig“ oder „hoch anfällig“ für soziale Unruhen.

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Doch nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die Begründung für diese Einschätzung sind interessant. Diese starke Protesthaltung in so vielen Ländern ist auf die Auswirkungen der Krise seit 2008/9 zurückzuführen, doch laut dieser Studie liegen die Ursachen tiefer: „Ökonomische Sorgen sind eine beinahe notwendige Voraussetzung für ernsthafte soziale oder politische Unruhen, aber sie allein erklären sie nicht. Einkommensverluste und hohe Arbeitslosigkeit werden nicht immer von Unruhen begleitet. Nur wenn die ökonomischen Schwierigkeiten von anderen Risikofaktoren begeleitet werden, steigt die Instabilität stark an. Solche Faktoren sind etwa eine extrem ungleiche Vermögensverteilung, eine schwache Regierung, löchrige soziale Netze, nationale Spannungen und eine aufständische Tradition. Ein sehr wichtiger Faktor des Entstehens aktueller sozialer Proteste ist das schwindende Vertrauen in Regierungen und Institutionen: eine verallgemeinerte Krise der Demokratie.“

Dazu kommt der weit verbreitete Hass gegen Banken und Reiche sowie das „System“, in dem sich die wenigen Nutznießer eines als amoralisch empfundenen Wirtschafsordnung weiden. Dass für die Rettung des Finanzkapitals aber bei der Gesundheit und den Pensionen gekürzt wird, wollen immer weniger Menschen akzeptieren. Diese Politik ist auch alles andere als alternativlos, wie uns die Regierungen weismachen wollen. Als SozialistInnen werden wir nicht müde zu betonen, dass keine einzige Zahlung von Steuergeldern z.B. an die Hypo Alpe Adria ein unveränderlicher Umstand ist, sondern immer der politische Wille von gewählten Abgeordneten ist.

Sind die oben angeführten Voraussetzungen für sozialen Protest gegeben, so entfaltet sich dieser uferlos, so der Economist. Als Beispiele führte das Zentralorgan des britischen Finanzkapitals die Massenbewegung in der Türkei an, die vom Widerstand gegen den Bau eines Einkaufszentrums ausgelöst wurden. Ein anderes Beispiel wäre Bulgarien, wo aus dem Protest gegen hohe Strompreise eine bis heute anhaltende Bewegung gegen das politische System wurde. Der Economist beschreibt hier Zustände der Instabilität, die sich dadurch kennzeichnen, dass einzelne Anlässe überproportionale Auswirkungen nach sich ziehen. Für die herrschende Klasse ist dies Anlass zu tiefer Sorge, für uns liefert es den Ansatzpunkt für eine bessere Welt zu kämpfen.

Ist Österreich anders?

Die politische Elite des Landes klammert sich aneinander und an den Staatsapparat, ihre Ministerien und Landtage und an ihre reichlich mit Steuergeld finanzierten Apparate. Die GroKo bindet alle organisierten gesellschaftlichen Sektoren (die Wirtschaftskammer, die Gewerkschaften bis hin zu den Bauernbündlern) zusammen. Nur so sei „Stabilität“ für Österreich zu erreichen, so die Diktion vom Bundespräsidenten abwärts.

Die Bevölkerung setzt keinerlei Hoffnung mehr in diese Regierungsform. Schon zu Beginn war die neue Regierung mit einer breiten Protestwelle von Schülerinnen, Studierenden und öffentlichen Bediensteten konfrontiert.

Die Stimmungslage im Land ist nicht gut. Die Mehrheit der Menschen ist gegenüber der persönlichen Zukunft pessimistisch gestimmt. Ein Drittel der Arbeitsverhältnisse wurden letztes Jahr beendet, viele wechseln in die Arbeitslosigkeit, die noch nie so hoch war wie jetzt. Die Unternehmen können sich im Überangebot arbeitswilliger Menschen die „Besten und Willigsten“ heraussuchen. Die Arbeitsbedingungen verschlechtern sich stetig. Im Wahlkampf bekämpfte die SPÖ die von der ÖVP geforderte Ausweitung der täglichen Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden noch – jetzt wurde sie im Koalitionsprogramm festgeschrieben. Bereits in jungen Jahren wird der Leistungsdruck beginnend in den Kindergärten und Volksschulen kontinuierlich erhöht. Das Aufbegehren gegen die Zentralmatura ist Ausdruck einer Generation, die massiv unter Leistungsdruck steht, dem keine entsprechende Hilfestellung gewährt wird.

Die Proteste in der ersten Woche der neuen Regierung verdeutlichen, dass auch in Österreich die Menschen mit den herrschenden Verhältnissen alles andere als zufrieden sind. Die Krise macht sich im Leben vieler spürbar. Aber die Form der Proteste, v.a. aber ihre programmatische Unklarheit geben dieser Regierung noch Raum zu manövrieren.
Der Economist vermeldet Österreich unter den sozial stabilsten Nationen. Das liegt nicht zuletzt an der hier besonders dicken Betondecke, die die Führung der Arbeiterbewegung darstellt. Aber selbst wenn diese über Jahrzehnte gewachsen ist, ist sie nicht undurchdringlich und wird durch die unnachgiebige Bearbeitung durch die globale Krise des Kapitalismus, durch jedes Sparpaket und durch jeden sozialen Konflikt immer spröder. Diese Große Koalition bündelt noch einmal alle verbliebenen Kräfte des „alten Österreich“, um für Ruhe, Ordnung und vor allem Wettbewerbsfähigkeit zu sorgen. Noch gelingt ihnen das, und wird mit den über Jahrzehnte geschaffenen Reserven auch noch eine Zeit lang gelingen. Aber nicht ewig! Nutzen wir diese Zeit, um uns zu organisieren, um in den Organisationen der Arbeiterbewegung revolutionäre, sozialistische Politik mehrheitsfähig zu machen. Organisieren wir nach Kräften jeden sozialen Unmut, der jetzt schon durchbricht. In Österreich herrscht im Gegensatz zu anderen Ländern Ordnung. Doch diese Ordnung ist auf Sand gebaut!

Wien, 10. Jänner 2014


Weitere Themen der neuen Ausgabe

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  • Bildung - Wozu? Wessen? Welche?
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  • 80 Jahre Februar 1934: Die Rolle der Jungfront
  • Der neue Papst kritisiert den Kapitalismus
  • Bericht über Arbeitsbedingungen im Kulturbereich
  • Venezuela: Der Kapitalismus kann nicht reguliert werden
  • USA: Krise und ArbeiterInnenbewegung
  • Solidaritätsreise nach Griechenland: Thessaloniki hat uns allen gut getan
  • Frontex und die Festung Europa

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