Durch die Hypo-Krise gerät das Wutbürgertum wieder in Bewegung – allein es kann keine politische Alternative formulieren. Nur die Arbeiterbewegung könnte den unerträglichen Zuständen etwas entgegensetzen. Doch die verharrt noch in Passivität.

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Mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 41,8 Stunden liegt Österreich bereits jetzt an der Spitze der EU-Arbeitszeit-Statistik. Grund dafür sind die zahlreichen Ausnahmen die bereits jetzt eine Verlängerung der Arbeitszeit über das gesetzliche Maß von 10 Stunden pro Tag und 50 Stunden pro Woche erlauben. So kann die Höchstarbeitszeit rasch und flexibel für 24 Wochen auf 12 Stunden täglich und 60 Stunden pro Woche ausgeweitet werden, wenn etwa außergewöhnlich viel Arbeit zu leisten ist, wenn keine Neueinstellungen zumutbar sind oder dem Unternehmen wirtschaftlicher Schaden droht. Die von der Industriellenvereinigung kolportierten Horrorgeschichten bezüglich des wirtschaftlichen Schadens durch starre Arbeitszeitgesetze sind reine PR-Gags.

Es ist nur ein weiterer Aspekt der Krise des Kapitalismus, dass die über zwei Jahrhunderte lang erkämpften Rechte und kürzeren Arbeitszeiten massiv unter Druck stehen. Dies sehen wir auch an der zunehmenden Tendenz zu „ergebnisorientierter“ Arbeit. Ausdruck dafür sind die so genannte „Vertrauensarbeitszeit“, All-in-Verträge, Gleitzeitmodelle, Projektarbeit und Selbstverantwortung für Arbeitsergebnisse und –erledigung. Etwa ein Drittel aller Angestellten in Österreich hat bereits einen solchen Vertrag, insbesondere seit dem Ausbruch der Krise sind solche Verträge Standard bei Neueinstellungen.

Diese Verträge bedeuten Lohneinbußen im zweistelligen Prozent-Bereich und bringen eine völlige Durchdringung der Freizeit mit der Lohnarbeit. Durch die technologische Entwicklung (Smartphones etc.) wurde eine solche Entwicklung ermöglicht, und diese Haltung („Erreichbarkeit für Kunden oder Kollegen“) wird ideologisch bewusst gefördert.

Die GPA-djp hat sich diesem Thema angenommen und eine Bewusstseinskampagne unter dem Titel „Schalt mal ab“ gestartet. Allerdings haben ArbeitnehmerInnen auch handfeste materielle Gründe sich dem Arbeitseifer statt dem sozialen Leben hinzugeben. Das WIFO berichtete im November 2013: „Für die Beschäftigten können unbezahlte Überstunden einen Investitionscharakter haben und mit höheren Löhnen in der Zukunft verbunden sein bzw. in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit den Arbeitsplatz absichern. Unbezahlte Überstunden sind aber auch Ausdruck einer Anpassung an neue ergebnisorientierte Arbeitsformen (z. B. All-in-Verträge).“

Im Arbeiterbereich wiederum sind Durchrechnungszeiträume – meist auf jährlicher Basis - schon seit über einem Jahrzehnt Bestandteil der Kollektivverträge. Überstunden werden von vielen KollegInnen gern angenommen, schlicht weil sie das Geld brauchen.

Die SPÖ-Abgeordnete Holzinger, die sich mit ihrer aufrechten Haltung in den letzen Wochen zum einzigen Hoffnungsschimmer einer müden, enttäuschten und unverstandenen Parteibasis gemausert hat, kommentiert: „Fest steht, egal ob nun 10 oder 12 Stunden Arbeit am Tag erlaubt sind, es wird immer Situationen geben wo auch die neue Grenze eben gerade nicht ausreichen wird um einen Auftrag noch fertig zu machen. Dementsprechend werden ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen immer im Konflikt mit den Profitinteressen der Industrie stehen und maximale Flexibilität auf der einen, erst mit der vollkommenen Entrechtung der anderen Seite erreicht werden können.“

Ausbeutung 2.0

Der nunmehrige Gesetzesvorstoß hat zwei Ziele: Erstens geht es um die einseitige Macht der Unternehmen die Arbeitszeiten völlig an die betrieblichen Interessen anzupassen, ohne dafür die Zustimmung der ArbeitnehmerIn oder des Betriebsrates einholen zu müssen. Zweitens erwartet man sich kräftige Lohnkostensenkungen durch den Wegfall von Zuschlägen. Sozialminister Hundstorfer bezifferte den Lohnentgang mit einer Milliarde jährlich. Weiters rechnet er, dass sich die Zahl der 300.000 ArbeitnehmerInnen, die unter gesundheitlichen Folgeschäden langer Arbeitszeiten leiden, weiter erhöhen wird. Damit begründete er noch im August 2013 die Ablehnung des ÖVP-Vorstoßes. Heute will er als Minister genau diese ÖVP-Politik willig umsetzen. Wie sicher sich das Kapital seiner Sache ist, sieht man daran, dass die Junge Industrie bereits jetzt für die Sonntagsarbeit argumentiert. Gesundheit, Freizeit, kulturelle und soziale Bedürfnisse der arbeitenden Menschen und ihrer Familien sollen auf dem Altar des Profits geopfert werden. Die Haltung des ÖGB zu diesem Thema ist abzulehnen: Die Belastungen eines 12-Stundentages sind durch nichts abzugleichen, auch nicht durch eine Verlängerung des Urlaubsanspruches für ältere KollegInnen. Die Politik des Interessensausgleiches hat im krisenhaften Kapitalismus keine Basis. Der ÖGB weiß aus eigenen Umfragen, dass 80 % der ArbeitnehmerInnen die Verlängerung der Arbeitszeit ablehnen, und dies manifestiert sich auch in Anträgen von etlichen Betriebräten und auch Gewerkschaftsstrukturen. Bruch mit der Wirtschaftskammer oder Bruch mit der eigenen Basis: Kollege Foglar muss sich entscheiden.

Der 12-Stunden-Tag ist nur ein Beispiel einer durch und durch rückschrittlichen Regierungspolitik. Ein weiteres Beispiel ist das Sparpaket im Bildungsbereich. Die SPÖ-Minister sorgen dabei für die reibungsfreie Zerstörung sozialer Errungenschaften und die Durchsetzung eines eisernen Sparzwanges. Das Ende ist absehbar: Sobald die SPÖ-Spitze die widerstandslose Zurichtung unseres Lebens nach den Erfordernissen des „Marktes“ (in Wirklichkeit der kleinen Minderheit der reichen und superreichen KapitalistInnen) nicht mehr gegen die eigene Basis durchsetzen kann (und dies ist eine Frage des Wann und nicht des Ob), wird sie unehrenhaft entsorgt werden.

Gegen so einen Selbstzerstörungskurs muss Widerstand organisiert werden. Die Linke in der Arbeiterbewegung ist vielmehr dazu aufgerufen, kompromisslos und aktiv gegen die Regierungspolitik zu kampagnisieren und den Koalitionsbruch zu erzwingen. Nur so kann man die Kräfte sammeln, die nach dem Ende des Selbstmordkurses der Parteiführung einen hoffnungsvollen Neubeginn für die Arbeiterbewegung garantieren können.

Wien, 25. April 2014


Weitere Themen der neuen Ausgabe

  • SPÖ: Raus aus der Koalition
  • EU-Wahl: Was bringt anders wählen?
  • Elternaufstand gegen Bildungskürzungen
  • Antifa: Freiheit für Josef
  • Internationales Pfingstseminar, 6.-9. Juni
  • Umverteilung: Reiche so reich wie vor der Krise
  • Gesundheitsbereich: Spardruck für alle Beteiligten schlecht
  • Fraktionen im ÖGB - ein Selbstzweck?
  • Metallindustrie: Druck auf die Löhne
  • Schwerpunkt: Der Kampf um die Arbeitszeit
  • Die Geschichte des 1. Mai und der Kampf für den 8-Stunden-Tag
  • SJ-Verbandstag: Unsere Stimme für eine revolutionäre SJ
  • Filmkritik: Everyday Rebellion
  • Februar 1934: Interview mit Alfred Hirschenberger („Eruption und Erosion“, Ein Österreich-Roman)
  • Linke in Europa: Wir müssen Wurzeln schlagen
  • Die Ukraine am Scheideweg
  • Einmal mehr: Hände weg von Venezuela
  • Fußball-WM: Die Diktatur der FIFA

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