Die Versprechen aus der der Krise von 2008/09 gelernt zu haben sind verhallt. Ein blutarmer Aufschwung ist in eine anhaltende Stagnation übergegangen. Neue Konfliktherde halten die Welt im Atem. Es herrscht allgemeine politische Ratlosigkeit und Apathie. Wann wird’s wieder lichter?

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In letzter Konsequenz ist die Wirtschaft der entscheidende Faktor der gesellschaftlichen Entwicklung. Die Ergebnisse der Wirtschaftsforschung zeigen die Verlangsamung der Weltwirtschaft, die Mehrheit der Länder stagniert oder ist wieder in der Rezession. Für Österreich besonders beunruhigend ist der tiefste Fall der Deutschen Investitionsgüterexporte seit Januar 2009 mit im August minus 8,5%.

Diese Entwicklung holt für die Gesamtwirtschaft das nach, was für Lohnabhängige schon lange Realität ist: eine „Erholung“ hat es für uns sowieso nicht gegeben. Arbeitslosigkeit, Druck am Arbeitsplatz, fallende Realeinkommen, Einsparungen in Schulen und Universitäten, Gesundheit und Pensionen verkleinern und erschüttern die Lebensperspektiven aller, die allein von ihrer Hände und Köpfe Arbeit leben.

Die KritikerInnen des Sparkurses haben Recht, wenn sie sagen, dass durch die Verarmung der Menschen die Nachfrage weiter verringert wird. Allerdings ist dieses Argument nicht vollständig. Unternehmer produzieren Waren und investieren in die Ausweitung der Produktion nur, wenn sie Aussicht haben das hier angelegte Geld mit Profit wieder zurückbekommen. Höhere Löhne (gut für die Nachfrage) schneiden in den Profit (schlecht für die Investitionsbereitschaft). Auch staatliche Transferzahlungen müssen aus der gesellschaftlichen Produktion durch Steuern abgeschöpft werden – schneiden also entweder in den Profit oder die Löhne. Bleibt als Lösung die Verschuldung. Allein: dieses Mittel ist ausgeschöpft. Staatliche, private und Geschäftsverschuldung ist weltweit auf dem geschichtlich höchsten Stand, und sie steigt ständig. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich errechnet, dass das gesamte weltweite Kreditvolumen auf mehr als doppelte der Wirtschaftsleistung der Welt angewachsen ist. Seit Ausbruch der Krise 2008 hat sich das Kreditvolumen um 40 % gesteigert. Mehr „frisches Geld“ kann sich die Wirtschaft eigentlich nicht wünschen.

„Die Regulation der kapitalistischen Krise ist die Krise“, diese einfache Erklärung des russischen Revolutionärs Leo Trotzkis im Jahr 1923 wurde historisch noch nie widerlegt, und bewahrheitet sich auch aktuell. Nur die Eroberung neuer Märkte und die Zerstörung der überschüssigen Produktionskapazitäten kann das Wirtschaftssystem stabilisieren – und zerstört gleichzeitig das soziale und politische Gleichgewicht der Gesellschaft.

Dieses Verständnis dringt auch in die Köpfe der Herrschenden ein. Die intellektuellen Betbrüder des herrschenden Systems reagieren manisch-depressiv. Neue Begriffe werden geprägt: Der „Zombie-Kredit“ gesellt sich zum „Zombie-Manager, im Griff von Zwangsvorstellungen, die nicht absterben“ (Financial Times), der Economist greift zum Döschen „Corporate Cocaine“, Hans-Werner Sinn, Chef des deutschen IFO- Institut für Wirtschaftsforschung verzweifelt an der Verwandlung der EZB in eine „Ramsch-Müllhalde“, das neoliberale „Drucker-Forum“ (das im November in Wien tagt) lässt gar die apokalyptischen Reiters Dürers aufreiten, sieht die Gefahr des Scheiterns und neue Revolutionen.

Diese Ahnungs- und Orientierungslosigkeit der Bürgerlichen wird getreulich auch von den Führungen der Arbeiterorganisationen in ganz Europa getragen, nur noch einmal enorm verstärkt. Dies ist auch nicht weiter überraschend: Die Rolle, die die Arbeiterparteien und Gewerkschaften seit Jahren eingenommen haben ist es, sich völlig den politischen und ideologischen Vorstellungen dieser oder jener Fraktion der herrschenden Klasse untergeordnet zu haben und keinerlei eigenständige Standpunkte zu vertreten.

Nehmen wir Österreich. Die Kampagne zur Lohnsteuerreform ist bislang völlig zahnlos. Dies gilt für die Aktionsform ebenso wie für den Inhalt. Für Letzteren ist bezeichnend, dass die Gegenfinanzierung durch Reichensteuern de facto fallen gelassen wurde. Das, was der ÖGB an Gegenfinanzierungen heute noch fordert, hat tatsächlich das Potential den Mittelstand zu treffen und über die Mieten auf alle Lohnabhängigen abgewälzt zu werden. Entscheidender Punkt hierbei ist, dass das betriebliche Vermögen – wo der Reichtum der Gesellschaft konzentriert ist, und wo er täglich mit unserer Hände Arbeit geschaffen wird – dezidiert aus jeder Steuerreform-Grundlage herausgenommen ist. Und selbst dieser Bauchfleck bringt die Umsetzung keinen Millimeter näher, der Kapital-Adel nimmt die Arbeiterbewegung schlicht nicht mehr ernst.

Gleichzeitig wird ohne öffentliche Debatte mit der Volksbankengruppe gerade die nächste gescheiterte Bank verstaatlicht. 6 Mrd. € an faulen Papieren wird die Republik hier übernehmen – das entspricht dem gesamten Volumen der vom ÖGB erbetenen Lohnsteuerreform. Wenn es um die Rettung der Interessen der großen Kapitalbesitzer geht, ist das Haushaltsloch offensichtlich doch noch nicht zu groß.

Dieses schamlose Umwälzen der Krise auf den Rücken der Lohnabhängigen und der Jugend wird nicht ewig ertragen werden. Die Krise der bürgerlichen Parteien, des politischen Systems und des Reformismus der Verschlechterungs-Reformen ist angesichts der Tiefe der Krise unvermeidlich und ein notwendiger Prozess. Nur so wird neuen Ideen und Strömungen Platz geschaffen, die die Ursache der Krise bei der kapitalistischen Wurzel packen können.


Weitere Themen der neuen Ausgabe:

  • Die Linke nach Ablingers Rücktritt
  • Lohnsteuer: Ein Pyrrhussieg der Gewerkschaft?
  • Vorarlberg: Schwarze Allmacht gebrochen?
  • Metaller-KV: Ordentliche oder realistische Lohnrunde?
  • Gesundheit: Who cares?
  • Voest: ...wer nicht kämpft, hat schon verloren
  • Schwerpunkt: Die 1. Internationale
  • 120 Jahre SJ: Die junge Garde
  • Neuauflage: Staat und Revolution
  • Ausstellung: Ich, Felder. Dichter und Rebell
  • Irak: Imperialismus und Fundamentalismus
  • Pakistan: Kämpfen trotz widriger Umstände!
  • Die Rückkehr der nationalen Frage

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