„Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Dadurch, dass sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.“ (Karl Marx und Friedrich Engels 1848)
Der weltweite Zusammenbruch der Aktienmärkte spiegelt die Schwäche der globalen kapitalistischen Wirtschaft wider: Die massive Überproduktion in China, die dadurch kriselnden Rohstofflieferanten (Brasilien, Russland, Indien, Argentinien, Südafrika), die Stagnation in Europa und die schwächste wirtschaftliche Erholung in der Geschichte der USA. Die fallenden Aktienkurse sind sowohl Ausdruck, als auch potentieller Auslöser einer neuen sich verschärfenden Weltwirtschaftskrise. Dies kommt zu einem Zeitpunkt an dem die Welt sich von der Krise 2008/09 bis heute noch nicht erholt hat. Der schwarze Montag ist der Beginn einer Serie neuer Erschütterungen in der Weltwirtschaft.
Die fundamentale Ursache liegt in der Überproduktion von Waren: Die Märkte sind zu klein um die gesamte Warenproduktion gewinnbringend abzusetzen. Deshalb sind die Warenpreise seit Monaten im Sinkflug, der Preis für Weizen hat sich etwa halbiert. Der Preis für Nickel liegt heute bei den Produktionskosten und darunter, Erdöl ist so billig wie zuletzt 2009. Gesamthaft liegen die Rohstoffpreise heute auf dem Niveau von 2003. Auch die Frachtpreise für Schiffstransporte aus China haben sich mehr als halbiert. Die Financial Times berichtet am 25.8. dass der Welthandel im ersten Halbjahr 2015 das erste Mal seit 2009 geschrumpft ist.
Den Bürgerlichen macht besonders Angst, dass all dies (und noch viel mehr, etwa massive Währungsschwankungen) passiert, obwohl Staaten und Zentralbanken massiv frisches Geld in die kapitalistische Wirtschaft pumpen. Die amerikanische Notenbank FED hat seit dem Beginn der Krise ihre Bilanzsumme auf 4.500 Dollar vervierfacht, die Schweizer Nationalbank hat ihre Bilanzsumme versechsfacht. Die EZB pumpt aktuell monatlich 60 Mrd. € in die europäischen Finanzmärkte (mehrheitlich auf die Aktien-Börsen). Japan versucht mit Abenomics das Gleiche und China macht es auch. Gleichzeitig sind die Zinsen auf null. Das Ziel dieser Politik aller Notenbanken war, die Preise und die Wirtschaft anzukurbeln. Diese Politik ist weltweit gescheitert. Josef Urschitz analysiert in „Die Presse“: „In diesem Umfeld müsste das BIP in einer relativen gesunden Wirtschaft geradezu durch die Decke gehen. Stattdessen schwächt sich selbst das Miniwachstum kontinuierlich ab.“
Gleichzeitig sind die Budgetdefizite und Staatsschulden hoch und weiter wachsend. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Politik entschieden hat, das in der letzten Krise entwertete Kapital aufzukaufen um Bankenpleiten zu verhindern. Marx beschreibt die Unmöglichkeit dieser Politik in seinem Meisterwerk „Kapital“: „Das ganze künstliche System kann natürlich nicht dadurch kuriert werden, daß nun etwa eine Bank, z.B. die Bank von England, in ihrem Papier allen Schwindlern das fehlende Kapital gibt und die sämtlichen entwerteten Waren zu ihren alten Nominalwerten kauft.“ Und an der gleichen Stelle weiter: „Unwissende und verkehrte Bankgesetzgebung, wie die von 1844/45, kann diese Geldkrise erschweren. Aber keine Art Bankgesetzgebung kann die Krise beseitigen.“ Genau darin bestand jedoch die Politik der vergangen Jahre. Schätzungsweise 20.000 Milliarden Euro haben die Regierungen weltweit in die Finanzwelt gepumpt, zuletzt gingen 25 Mrd. an griechische Banken und Österreich steht momentan (bei steigender Tendenz) in etwa bei der Hälfte dieser Summe. Die Rechnung dafür müssen am Ende die ArbeiterInnen in Form von Sparpaketen und Erhöhung der Massensteuern zahlen.
Entscheidend sind die sozialen und politischen Konsequenzen, die in dieser Situation angelegt sind. In der kommenden Krise gibt es keinerlei wirtschaftspolitischen Spielraum mehr, oder anders gesagt: Der Fettpolster wurde aufgebraucht und nun geht es ans Eingemachte. Der kommende Wirtschaftseinbruch wird auch in den entwickelten kapitalistischen Ländern unmittelbar zur sozialen und politischen Krise umgemünzt werden.
Das macht die Bürgerlichen depressiv und ängstlich. Sie haben die Kontrolle über ihr System verloren. Ein Analyst fasst die Situation so zusammen: „Wir haben nun den Punkt erreicht, an dem wir uns eingestehen müssen: die Zentralbanker sind nackt, und die Märkte haben nichts mehr auf das sie hoffen können.“
Ein Resultat der verstopften Märkte ist die zunehmende diplomatische und militärische Unsicherheit. US-Militärs etwa werden diesen Sommer nicht müde vor der „ernsthaften Gefahr durch Russland“ zu warnen. Eine Generalin stuft Russland sogar als gefährlicher als die blutrünstige Terrorbande ISIS ein. Spannungen, Wirtschaftskriege (die in Wirklichkeit durch die Währungsabwertungen bereits begonnen haben), militärische Konflikte nehmen zu und wirken gegenseitig verstärkend. In dieser Generation gibt es kein Zurück zu Sicherheit und Überschaubarkeit, wir sind in einer neuen geschichtlichen Epoche gestrandet.
Unser Optimismus gründet auf der Überzeugung, dass die chaotische Entwicklung des Kapitalismus auch die Möglichkeit seiner Überwindung in sich trägt. EU-Ratspräsident Tusk räsonierte letzthin: „Die Atmosphäre ist ein wenig mit der in der Zeit in Europa nach 1968 zu vergleichen. Ich spüre eine vielleicht noch nicht direkt revolutionäre Stimmung, aber eine starke Ungeduld. Wenn aber Ungeduld von der individuellen Erfahrung zu einem sozialen Phänomen wird, dann ist das die Einleitung von Revolutionen.“
Auch wir analysieren, dass der Prozess der europäischen Revolution bereits begonnen hat. In Griechenland wurde mit der SYRIZA-Regierung erstmals der politische Arm des sozialen Protestes an die Macht gespült. Das schnelle Scheitern dieses Projektes liegt darin begründet, dass die SYRIZA-Führung glaubte, eine Politik machen zu können, die sowohl dem Kapital als auch den sozialen Bedürfnissen der Menschen gleichermaßen dienen könne. Wir haben diese Idee von vorneherein als utopisch kritisiert. Weil das neue Spardiktat in Griechenland durch ist, können Merkel und ihre Vasallen nun kurz aufatmen. Doch die griechische Gesellschaft kann die kommenden Zerstörungen nicht weiter ertragen, eine neue rebellische Phase der europäischen Revolution wird Griechenland erschüttern.
Der geschichtliche Prozess bewegt sich nicht in simplen Wiederholungen. Die griechische und europäische Arbeiterklasse wird aktuell zu weitgehenden politischen Schlüssen gezwungen: Die europäische „Demokratie“ hat sich in Griechenland offen als eine Diktatur des Kapitals entpuppt, für die Wahlen und demokratische Entscheidungen letztendlich ungültig sind. In der kommenden Runde der Klassenauseinandersetzungen wird diese Erfahrung dafür sorgen, dass unsere Klasse politisch reifer und entschlossener in die Kampfesarena treten wird.
Ob Griechenland, Spanien oder Österreich, die bewusste Vorbereitung auf die Revolution ist eine Aufgabe, die wir nicht auf morgen verschieben wollen. Hilf deswegen mit, die revolutionäre Strömung in der Arbeiterbewegung zu stärken.
Wien, 27. August 2015
Weitere Themen der neuen Ausgabe:
- Österreich
- Banken: Die Wiederkehr der Untoten
- SPÖ: Hilflos gegen die Blauen
- Antifa: Unser Kampf hat Tradition
- Asyl: Papiere und Hoffnung
- Betrieb & Gewerkschaft
- Gesundheitsbereich: Die Kultur der Selbstorganisation
- Metaller: Vor der Herbstlohnrunde
- Textilbranche: Unterm Beton
- ÖGB: Themenforum Arbeitslosigkeit
- Schwerpunkt
- Vernichtung der Syriza
- Wir über uns
- IMT Weltschule 2015
- Uniarbeit: M.I.A.U.
- Theorie
- Linke Strategien: Das Scheitern der falschen Vernunft
- Türkei: Erdogans Spiel durchkreuzen!
- International
- Der Kampf um die Labour-Party
- Massenproteste erschüttern den Irak
- Fluchtursache Kapitalismus: Flüchtlinge willkommen!
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