In den letzten Wochen haben sich die politischen Ereignisse in Österreich geradezu überschlagen. Im unappetitlichen Kochtopf der österreichischen Innenpolitik brodeln die Zutaten eines verlorenen Jahrzehnts.

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Der Rücktritt von Vizekanzler Mitterlehner setzte zuerst in der ÖVP eine Dynamik in Gang, die unter der Oberfläche lange angelegt und vorbereitet wurde, jetzt aber blitzschnell zur Realität wurde: Innerhalb kürzester Zeit wurde aus der alten ÖVP die „neue Volkspartei“ unter der Ägide von Sebastian Kurz; die großkoalitionäre Orientierung musste aggressiver Modernisierungsrhetorik und Vorbereitung eines Bürgerblockes mit der FPÖ weichen, ein Neuwahlbeschluss trat an die Stelle der Treuebekundungen an die großen Koalition (Hintergrund und Analyse).

Als Folge davon findet eine Neuordnung aller politischen Lager statt, schon bevor der eigentliche Neuwahlbeschluss getroffen wurde und lange, bevor „der Wähler“ seinen Senf dazu geben kann. Es gibt neue Vorsitzende von schwarz bis grün, neue (alte) Koalitionsdiskussionen in der SPÖ, neue Umfrageergebnisse mit Kurz und der ÖVP auf Platz eins. Um dieses Chaos zu überblicken, lohnt es, die letzten Jahre zu analysieren.

Nach Jahren der Kürzungspolitik einer schwarz-blau (orangen) Koalition in Zeiten des Aufschwungs der frühen 2000er wurde die Sozialdemokratie kurz vor Ausbruch der weltweiten Wirtschaftskrise 2007/08 wieder zur stärksten Kraft, kam in einer großen Koalition wieder an die Regierung und fügte sich auch prompt in ihre Rolle als Feuerwehr für das Kapital in der Krise ein. Die letzten zehn Jahre lassen sich letztendlich so zusammenfassen: Die Sozialdemokratie, die insgesamt treu den Wünschen des Kapitals folgte, wirkte in dieser Zeit durch ihre Basis in der Arbeiterbewegung als sozialer Stoßdämpfer gegen die Wut von unten, eine durch die Regierungsbeteiligung fast völlig auf die „Sozialpartnerschaft“ orientierte Gewerkschaftsbewegung tat ihr Übriges dazu. So konnten in Österreich ohne großen Widerstand von unten, ohne Massendemonstrationen und Massenstreiks, die Banken im Interesse des Großkapitals mit Milliarden € gerettet werden, es wurde bei Bildung, Pensionen und Gesundheit und generell Sozialausgaben gespart. Der österreichische Kapitalismus ging so durch die schärfste Krisenzeit ohne große soziale Auseinandersetzungen, aber auch ohne die massiven Angriffe auf den Lebensstandard der ArbeiterInnen, der viele südeuropäische Länder kennzeichnete.

Doch mit fortschreitender Dauer der wirtschaftlichen Stagnation sind die Rufe in den Reihen des Großkapitals, den „abgesandelten“ Wirtschaftsstandort mit den Methoden des brutalen Sparregimes herzurichten, immer stärker geworden. Gleichzeitig nutzt sich der soziale Stoßdämpfer Sozialdemokratie auch immer mehr ab. So wurde der jetzige Umschwung der politischen Landschaft in den letzten Jahren schon vorgezeichnet, letztendlich vollzieht sich vor unseren Augen heute nur, was in den Konzernzentralen von Raiffeisen und Co. lange durchgespielt wurde. Die ÖVP als wichtigste Partei des österreichischen Bürgertums wird hergerichtet und auf eine Kanzlerschaft vorbereitet, das passende Personal dazu (Kurz und Co.) wurde jahrelang vorbereitet. Die FPÖ hat den Wink verstanden und sich im letzten Jahr programmatisch immer mehr auf eine Bürgerblockregierung vorbereitet. Ihr Wirtschaftsprogramm skizziert von Schulden- und Bürokratieabbau (sprich: Sozialabbau) über „Entlastung“ der höchsten Einkommen (sprich: Umverteilung von unten nach oben) bis hin zur Zerstörung des Kollektivvertragswesens über die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern, das Szenario eines Generalangriffes auf Sozialstaat und Arbeiterbewegung. Doch der wichtigste Aspekt dabei ist: Der weitgehende Verzicht auf Sozialdemagogie und das „Bekenntnis zu Europa“ - ein Kerninteresse des österreichischen Großkapitals, das auf die Märkte der EU angewiesen ist.

So ist es auch kein Wunder, dass die SPÖ den Eindruck vermittelt, im Regen stehen gelassen zu sein; nach getanem Dienst für das Großkapital wird sie nicht mehr in der Regierung benötigt. Diskussionen über eine mögliche rot-blaue Koalition sind daher ebenso utopisch wie reaktionär. Wenn hier von „strategischen Überlegungen“ geredet wird, ist das in Wirklichkeit nichts anderes als der engstirnigste, kurzsichtigste und prinzipienloseste Selbsterhaltungstrieb einer karrieristischen Bürokratenkaste, die so sehr mit dem Staatsapparat verbunden und so sehr auf seine Posten und Pöstchen angewiesen ist, dass ein Ausscheiden aus der Regierung für sie ein Supergau wäre. Wenn ein „Linksintellektueller“ wie Robert Misik hier von einer Variante redet, die „weniger unappetitlich“ ist, meint er damit nichts anderes, als dass diese Bürokraten und ihre Ideologen jeden für die Arbeiterklasse noch so unappetitlichen Krot schlucken, wenn sie sich damit nur selbst erhalten.

So besteht die „Strategie“ der SPÖ unter Kern auch bisher darin, möglichst auf Punkt und Beistrich genau die Wünsche des Kapitals bis zu den Wahlen auszuführen und sich als fähig zu präsentieren, dies auch in der Zukunft zu tun. Damit geht die Partei offenen Auges auf eine Niederlage zu. Doch es tut sich noch ein weiterer Abgrund auf: Das Kapital braucht in einer allfälligen neuen Regierung den Generalangriff auf Arbeiterrechte. Die SPÖ akzeptiert dem „Plan A“ folgend diese Logik der notwendigen Entfesselung des Wirtschaftsstandortes Österreich als oberste Prämisse – mit sozialerem Anstrich als die kalte und ehrliche Fratze des Bürgerblocks, aber doch mit bürgerlichem Programm rittert Kern gegen Kurz und Strache. Er setzt dem Sparregime die Idee eines „Sparregimes light“ entgegen. Aber selbst das wäre dem Kapital zu wenig. Eine neuerliche Regierungsbeteiligung der SPÖ, so unwahrscheinlich sie auch ist, wäre unter diesen Bedingungen und mit diesem Programm nicht in der Variante „2. Republik“, sondern nur in der Variante „PASOK“ (die – ehemalige – griechische Sozialdemokratie) denkbar – d.h. der offenen Angriffspolitik gegen die eigene soziale Basis, die die Partei zerstört.

Der Generalangriff der Bürgerlichen wird die Arbeiterbewegung auf dem falschen Fuß erwischen – jahrelange reformistische Politik der „Standortlogik“ und des „geringeren Übels“ haben die Widerstandskraft gelähmt. Doch er wird gleichzeitig die riesigen Kräfte wecken, die in der österreichischen Arbeiterklasse stecken – das Motto „alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will“ wird sich mit Macht den Weg an die Oberfläche zurückkämpfen. Damit dieser Kampf erfolgreich sein kann, muss schon jetzt, vor den Wahlen, entschlossen für eine klassenkämpferische und revolutionäre Politik gekämpft werden, die der reformistischen Kapitulationslogik in den Betrieben, in den Schulen und an den Unis etwas entgegensetzen kann. Dafür steht der Funke - schließe dich uns in diesem Kampf an!


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