Das Eliten-Netzwerk von 4.000 Burschenschaftern hielt die österreichische Innenpolitik in Atem. Was sagt uns Kurz und Straches Distanzierung vom rechten Rand über die Politik der kommenden Jahre? Und welches Ziel soll der Widerstand dagegen verfolgen?
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Zufälligkeiten spielen eine Rolle in der Geschichte, wenn die Bedingungen reif dafür sind. Der akademische Rassenwahn, Frauenverachtung und Geschichtsrevisionismus der akademischen Rechten ist nicht neu, sondern hat eine jahrzehntelange Tradition. Die Kritik und der Kampf gegen die verabscheuungswürdige Ideologie und Machenschaften der Burschenschafter blieben allein der radikalen Linken überlassen. Allzu oft wurde der Konflikt zwischen der Linken und der rechtsextremen Akademia als Randgruppenphänomen abgetan. Zumeist wurde dabei die Linke als wahres Problem ausgemacht. Das martialische bis gewalttätige Auftreten der Wiener Polizei gegen die Demos zum Akademikerball wird wegdiskutiert: das wahre Problem sind die linken Radaumacher. Wir haben auch nicht vergessen, dass anlässlich der Anti-Akademikerball-Proteste 2014 der Antifaschist Josef S. monatelang in Haft saß, und in einem kafkaesken Prozess über mehrere Instanzen schlussendlich trotz falscher und mangelnder Beweise, wegen „Landfriedensbruchs in Rädelsführerschaft, versuchter schwerer Körperverletzung und schwerer Sachbeschädigung“ verurteilt wurde.
Auch heuer wurde eine Ausnahmezustand-Stimmung geschaffen, um das Niederprügeln des linken Protestes gegen die reaktionäre reiche Elite vorab zu legitimieren. Doch dann wurde im Zuge des niederösterreichischen Landtagswahlkampfes ein Liederbuch voller Nazi-Lieder der Burschenschaft Germania, deren Mitglied FPÖ-Kandidat Udo Landbauer damals war, an die Öffentlichkeit gespült.
In dieser Situation war es nicht möglich, die Anti-Akademikerball Demo wie geplant zu kriminalisieren. Eine Welle von Distanzierungen erzwang ein Rückzugegefecht, das schlussendlich im Abzug des niederösterreichischen Recken Udo Landbauer aus der Politik gipfelte. Die FPÖ hat nunmehr offiziell nichts mehr mit Antisemitismus gemein. Führende FPÖ-Politiker attackierten die „Idioten“ (Haimbucher) in der eigenen Partei. Sebastian Kurz, der in seiner nächsten Umgebung unter den Jungen Schwarzen auf der Wiener Jus-Fakultät und der Jungen Volkspartei Witze über den Holocaust (Stichwort: „Anne Frank im Aschenbecher“, in der Whatsappgruppe der Aktionsgemeinschaft Juridikum) und Frauenfeindlichkeit ignoriert hatte, setzte die besorgte Mime auf und forderte „Distanzierung“. Wie sehr sich der rechtsradikale Frohsinn gewandelt hat, zeigt uns auch der Herr Bundespräsident an. Während er denen, die gegen die Burschenschaften und ihren Ball vor einem Jahr protestierten, zugerufen hat: „Lasst sie doch tanzen!“ mahnt er ein Jahr später ein, dass die politische Kultur sich eindeutig innerhalb jener Grenzen bewegen müsse, die das NS-Verbotsgesetz definiert.
Wie eine biegsame Weidenrute zeigt uns Van der Bellens Rückgrat an, woher der Wind aus den Interessensgruppen des Kapitals weht. Die neue Bundesregierung ist angetreten die, Ausbeutungsbedingungen für die Kapitalbesitzer nachhaltig zu verbessern. Offene ideologische Angriffsflächen muss sie dabei vermeiden. Die rechtsradikalen Männerbünde sind in ihren extremsten politischen und ideologischen Ausprägungen selbst für das Kapital unzumutbar. Wenn etwa in den Uni-Rat der Wiener Universität ein bekennender Rassenhygieniker Einzug erhalten soll, ist es mit dem Anspruch einer Exzellenz-Universität dahin, egal wie weit die Regierung den Zugang zur Uni für Studierende aus der Arbeiterklasse einschränken wird. Dies geht in den neoliberalen internationalen Universitäts-Rankings schlicht nicht mehr durch.
Unmittelbar gilt es aber auch, die Regierungspolitik vor dem Druck der sozialen Bewegung im Inland selbst zu schützen, indem man der Opposition keine offenen Flanken bietet. Innerhalb nur weniger Wochen fand diese am Tag der Angelobung, am 13.1. und am 26.1. in drei Großdemos einen Ausdruck, der die politische Friedhofsruhe in Österreich durchbrach. Allerdings dürfen wir uns nicht täuschen: wir stehen am Beginn eines Prozesses. Zurzeit bewegt sich nur eine politisierte Minderheit, und allen voran eine Schicht Jugendlicher, die erstmals bewusste Erfahrungen mit der Politik einer Bürgerblockregierung macht. Was noch nicht stattfindet, sind Massendemonstrationen von ArbeiterInnen und Jugendlichen, die gegen die Zerstörung ihres Lebens kämpfen.
Das liegt nicht etwa an „fehlendem Bewusstsein“ oder „Dummheit“: aktuelle Umfragen zeigen, dass die Hälfte der Bevölkerung bereits jetzt davon ausgeht, dass diese Regierung nur den Reichen nützen wird. Die entscheidende Frage ist die fehlende Alternative: Nach 10 Jahren großer Koalition, in der die SPÖ-Regierungsmannschaft teure Bankenrettungen verantwortet und über eine immer höher werdende Arbeitslosigkeit regiert hat, ist die SPÖ als politische Alternative verbraucht. Auf betrieblicher Ebene haben die Gewerkschaftsführungen unter dem Banner der „Sozialpartnerschaft“ in den letzten Jahren alles getan, um großen Mobilisierungen oder gar Streiks aus dem Weg zu gehen. Auch nach der Angelobung hat sich hier nichts grundlegendes geändert: Die ÖGB-Spitze hat angekündigt, nur partiellen Widerstand in einzelnen Gesetzesvorhaben zu leisten, die SPÖ-Spitze warnt vor einer Ausländerflut, der neue SPÖ- Bundesgeschäftsführer Max Lercher erklärt, dass Jörg Haider (Vater der Hypo-Pleite, Rassist und immer für Sozialabbau zu haben) heute die SPÖ wählen würde. Auch in der Opposition bleibt der Kampf um „soziale Gerechtigkeit“ einstweilen eine rhetorische Floskel.
So ist die hauptsächliche Reaktion in den breiten Schichten der Bevölkerung im Moment ein resignierendes Abwarten: „man wird sehen“, „vielleicht kommt es nicht so dick“, „vielleicht fällt auch für uns was ab“, „vielleicht trifft die kommende Sozialabbaupolitik gerade mich nicht“. Und auch innerhalb der Widerstandsbewegung zögern viele: „Ich mag diese Regierung nicht, aber sie hat eine demokratische Mehrheit bekommen“.
Einmal in der Regierung, glauben Kurz, Strache und Co. jetzt, für 5 Jahre machen zu können was sie wollen, und es dem Kapital zu richten. Die realen Erfahrungen der kommenden Monate und Jahre werden deshalb diese abwartende Haltung bei vielen ins Gegenteil verkehren. Massenhaft wird sich der Wunsch artikulieren, der Wunsch diese Regierung und ihre Symbolfiguren mit nassen Fetzen aus dem Amt zu treiben. Deshalb müssen wir bereits jetzt offen sagen: Wir müssen diese Regierung stürzen! Dies ist der einzige Weg um unser Leben zu schützen. Was heute selbst in den Ohren von RegierungsgegnerInnen wie eine Utopie klingt, wird in greifbare Nähe rücken. Wir kämpfen nicht nur für das Ende dieser Regierung, sondern für eine komplett neue Politik. Für eine massive Arbeitszeitverkürzung, die Abschaffung der gesamten, unreformierbaren Politikerkaste und die planmäßige Ausrichtung aller Potentiale in unserer Gesellschaft auf die Bedürfnisse der Arbeiterklasse!