Drei Prozent Wirtschaftswachstum, ein Budget das sich fast von selbst saniert, fallende Arbeitslosigkeit. Eine jubelnde und hörige Boulevard-Presse, päpstlicher Beistand und kein organisierter Widerstand von Seiten der SPÖ und der Gewerkschaftsbewegung. Laut Lehrbuch dürfte nichts einfacher sein als dieses Land zu regieren. Doch die Regierung ist für den Moment noch hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt.

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In einem Interview mit dem Magazin „trend“ lässt einer der Hauptgönner von Bundeskanzler Sebastian Kurz, der Milliardär Stefan Pierer, wohlwollendes Verständnis bei leiser Ungeduld durchblitzen. Die 100-Tage Frist zur ersten Beurteilung der Regierungsarbeit müsse im spezifischen Fall verlängert werden. Vor den Landtagswahlen in Niederösterreich, Tirol, Kärnten und im April in Salzburg sei es verständlich, dass die Bundesregierung ihre wahre Agenda noch hintanhält. Das Kalkül ist einleuchtend: wenn die konservativen Landesfürsten ihre Pfründe sichern, die FPÖ weiter Zugewinne erreichen kann und die Sozialdemokratie stagniert, dann sind die besten politischen Voraussetzungen dafür gegeben, dass der kommende schwarz-blaue Feldzug gegen die Arbeiterklasse auf sicherem Terrain geführt werden kann. Die Machtposition von Kurz und seiner JVP-Clique in der ÖVP bleibt parteiintern unangetastet, die Skeptiker in der FPÖ können sich an den Staatströgen vor ihrem kommenden Niedergang fettmästen (bevor ihnen die WählerInnen, die eine „soziale Heimatpartei“ gesucht haben, in Scharen weglaufen) und die Sozialdemokratie wird auf ihrem Selbstfindungstrip in der politischen „Mitte“ festgenagelt und so als politische Oppositionskraft harmlos gehalten.

„Was man sagen kann: bis jetzt hat sich spürbar natürlich noch nichts geändert, man soll der Regierung die notwendige Vorlaufzeit geben. Die Wirtschaft erwartet sich jedoch wesentliche Verbesserungen der Rahmenbedingungen, vor allem durch essentiellen Bürokratieabbau, Arbeitszeitflexibilisierung, Stärkung des Kapitalmarktes etc.“ Als nächsten Schritt fordert er die Senkung der Lohnnebenkosten und der Körperschaftssteuer (die vom Unternehmensgewinn erhoben wird), das ganze bei einem ausgeglichen Budget. (trend 8/2018)

Finanzminister Löger wird in seiner Budgetrede ein 2,4 Mrd. € Sparpaket mit dem Schwerpunkt Kürzungen bei Arbeitslosen verkünden. Die Salzburger Wahl findet bereits danach statt. Doch das Erzbistum hat einen guten Draht nach oben. Anlässlich von 200 Jahre „Stille Nacht“ wurde Salzburgs Landeshauptmann gemeinsam mit dem Bundeskanzler zum Papst vorgelassen. Und der Kanzler verkündete, dass der Pontifex ihn dabei bestätigt habe, dass kein Land mehr Flüchtlinge aufnehmen müsse als es könne.

Die Strategie der permanenten Spannung gegen MigrantInnen und die Propagierung eines Krieges der Armen gegen die Armen genießt nun also römischen Segen, allerdings dürfe das „Wort Asylant nicht zum Schimpfwort werden“, präzisiert der Wiener Bischof Schönborn. Spitzfindigkeiten haben im Katholizismus eine tiefe Tradition, doch dass ein Erzbischof pfaffenhaft präzise politisch Stellung bezieht hat seit dem 2. Vatikanischen Konzil in den 60er Jahren hierzulande Neuigkeitswert. Der „Sozialbischof“ Schönborn befürwortet geschlossene Grenzen und die Erreichung eines Nulldefizites für das Bundesbudget im kommenden Jahr. Dafür müsse man auch „bereit sein Opfer zu bringen“. Wir können getrost davon ausgehen, dass der politisierende Klerus nicht im Himmel, sondern hier im Diesseits reich belohnt werden wird!

In den Stunden vor der Drucklegung dieser Ausgabe dieser Zeitung wurde bekannt, dass eine FPÖ-nahe Polizeieinheit eine Hausdurchsuchung beim Verfassungsschutz und einigen seiner Beamten durchgeführt hatte. Die Berichterstattung in den Medien bezieht sich auf eine geteilte Quelle (ein Dossier eines Geheimdienstmitarbeiters, das vor Monaten allen Medien zugespielt wurde) und offensichtlich vielen unterschiedlichen anonymen Informanten. Der letzte Umstand ist für einen Geheimdienst außergewöhnlich und deutet auf eine harte Auseinandersetzung hin. Die Berichterstattung wiederum legt offen wie die politischen Einflusssphären in den Redaktionen der großen Zeitungen gelagert sind: sehen die einen eine legitime Aktion gegen eine korrupte ÖVP-Clique im Innenministerium, die unter anderem nicht gezahlte Lösegelder unterschlägt, so argumentieren andere, dass die FPÖ sich illegalerweise politisch sensible Daten besorgt (zum Extremismusbericht inklusive Daten über FPÖ-nahe Rechtsextremisten) und sich um die Übernahme der politischen Kontrolle eines zentralen Teils des Staatsapparates bemüht. Letztendlich wäre es nicht überraschend, wenn beide genannten Elemente stimmen.

So wird in diesem Scharmützel zwischen Schwarz und Blau vor aller Augen deutlich vorexerziert, dass der Staat keine neutrale Instanz ist, die über der Gesellschaft steht und nach demokratischen, vernünftigen und rechtstaatlichen Prinzipen im Sinne des Wohles der Allgemeinheit agiert. „Sicherheit“ und die „Heimat“, der ideologische Kitt zwischen Regierung und einem Teil der Wählerschaft, ist nichts als ideologisches Lametta. Der Geheimdienst, der uns angeblich vor dem Terror schützt, wird handlungsunfähig gemacht und die Heimat entpuppt sich als verklärende Fototapete, hinter der banale private Interessen einzelner Cliquen um Macht und Geld ausgetragen werden. Der österreichische Staatsapparat ist ein Selbstbedienungsladen für diejenigen, die sich bereit erklärt haben, die Interessen des Kapitals zu verteidigen – in dem jeder sich schnappt, was er in die Hände bekommt.

Österreich ist damit kein Sonderfall, sondern reiht sich in die allgemeine internationale Situation ein. In den USA findet das Kapital keinen besseren Vertreter als den Elefant im Porzellanladen Donald Trump. In Großbritannien hat die konservative Partei mit ihrem Brexit-Abenteuer das britische Kapital an den Rand der Verzweiflung gebracht, mangels Alternativen spielt es aber trotzdem mit. In einem Land nach dem anderen kommen bürgerliche Glücksritter und Abenteurer an die Macht, deren Daseinszweck in der Politik einzig die offene Selbstbedienung und Selbstdarstellung ist.

So wird die schwarz-blaue Regierung trotz allem dem Kapital grausame Reformen zu Lasten der Ärmsten liefern, und das Kapital wird als Gegenleistung über die schlampigen Verhältnisse im Kabinett Kurz hinwegsehen.

Eine Atempause verschafft dabei nur die Unentschlossenheit und Passivität der Führungen der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie, die es sich weiterhin überwiegend in der (fiktiven) Sozialpartnerschaft und „Politik der Mitte“ gemütlich machen. Der Pessimismus vieler „Linker“ ist dabei nur die hoffnungslose Ergänzung zur offenen Darstellung der scheinbaren „Alternativlosigkeit“.

Doch unter der verrotteten politischen Oberfläche braut sich ein gewaltiger Sturm in Österreich zusammen. Diese Regierung wird grausame Angriffe auf unser Leben vorbereiten, aber sich damit zur verhasstesten Kraft der Gesellschaft machen. Eine neue, offensivere ÖGB-Kampagne zur Arbeitswelt ist ein Hinweis darauf, dass der Druck auf die Topetagen der Gewerkschaften wächst, solider gegenüber der Regierung aufzutreten als mit „Ich gehe nicht zuerst streiten und auf die Barrikaden, sondern lieber zum Heurigen“- Sagern.

In dieser Situation sehen wir es als unsere Aufgabe, das Verständnis dafür zu verankern, dass der Sturz dieser Regierung notwendig ist und nur der Kampf um den internationalen Sozialismus diesen nationalistischen Giftsprühern entgegengesetzt werden kann. Unterstütze uns darin!


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