Der Bürgerblock scheint Österreich fest im Griff zu haben. Doch die Stärke der Regierung liegt in der Feigheit und politischen Orientierungslosigkeit der Opposition.

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Wenn die Klassenauseinandersetzung ein Fußball-Match wäre, dann spielt momentan nur eine Mannschaft, nämlich die Bürgerlichen. In Abwesenheit eines Gegners schieben sie sich gegenseitig den Ball zu, und wenn sie auch ständig verdrippeln, überknöcheln, die Ränge provozieren und eine Wuchtel nach der anderen schieben – der Ball läuft allein in ihren Reihen. Dabei legt dieses Team ein besonders aggressives Spiel an den Tag. Aber ihr Gegner, der A-Kader der Arbeiterbewegung kommt kaum aus der Kabine heraus, einige sitzen auf der Reservebank herum. Man will zwar spielen, weiß aber nicht wie, scheint keine Strategie und Taktik zu haben, keinerlei Teamgeist, sondern von egoistischen Einzelspielerinteressen zerfressen sein. Und vor allem, unser Team will gar nicht gewinnen, sondern nur weiter in der Liga „Sozialpartner“ mitspielen. Nachdem vor der Sommerpause ein heißes Revanchematch versprochen wurde, machen sich auf der Tribüne nun deutlich vernehmbar Missstimmung und gar Zynismus breit.

Eine entschlossene Opposition existiert nicht. Die SPÖ eiert in alle möglichen Richtungen hin und her, nur nicht auf eine entschlossene Klassenkampfposition zu. Nach Monaten der internen Rangeleien, die trotz allseitigen Einigkeitsschwüren keineswegs beendet sind, schafft es die designierte neue SPÖ Vorsitzende nicht einmal, sich im ZIB-Interview klar für Erbschafts- und Vermögenssteuern zu positionieren, während ihr Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda davon redet, dass er den Leistungsbegriff wieder für die SPÖ beanspruchen wolle.

Und das, obwohl die Regierung selbst eine offene Flanke nach der andern bietet: Darunter unverblümte Lügen, etwa in der Sozialversicherungsdebatte (siehe Seite 2), die Wiederetablierung von Rohrstaberl-Pädagogik an den Schulen und ein nicht abreißender Strom von Skandalen aus dem Innenministerium. All dies birgt enormes Widerstandpotential, doch die SPÖ ist völlig unfähig, hier anzusetzen.

Diese Situation gibt dem Bürgerblock Spielraum, den er auf demagogische Art und Weise nützt. Die Bürgerlichen sind sogar in der sozialen Frage in der Offensive. So sprechen sich Schwarze und Blaue für Lohnvorrückungen für Frauen während der Karenzzeit aus, um das Prinzip gleicher Lohn für gleiche Arbeit durchzusetzen. Kurz und Strache positionieren sich zu den Lohnverhandlungen und fordern ein Ende sinkender Reallöhne, Erste-Bank-Boss Treichl überholt Rendi-Wagner links und fordert Erbschafts- und Vermögenssteuern.

Diese Demagogie ist meist mit einem Seitenhieb gegen die Versäumnisse der „Sozialisten“ verbunden. Tatsächlich: Die Jahrzehnte der Lohnzurückhaltung für den Profit der österreichischen Unternehmen, eine Frauenpolitik, die auf Symbolismus und Maßnahmen für privilegierte Frauen (Quoten in Parteien und Management) setzte, Bankenrettungen etc.; in diese sozialen Wunden legen die Schwarz-Blauen ihre Finger und rühren in den Eingeweiden der Sozialdemokratie und ihres Gewerkschaftsflügels herum. Dankbarkeit für jahrelange sozialpartnerschaftliche Unterwürfigkeit kennen die Herrn und Damen Kapitalvertreter eben nicht. Ohne politischen Ausdruck ruht die Hoffnung des Widerstandes daher auf den Schultern des ÖGB, der angekündigt hat sich in den herbstlichen KV-Runden für den 12- Stunden Tag zu revanchieren und eine offensive Lohnpolitik zu fahren.

Es ist klar, dass sich mit dem Zusammenfallen mehrerer Verhandlungsrunden (Metall, Eisenbahnen, Bierbrauer, später Handel) ein starker Hebel für Arbeitskämpfe ergibt. Und wir zweifeln nicht daran, dass die Vorbereitungen für Streiks ernsthaft laufen. Und genau hier liegt die Chance, den Teufelskreis des Zynismus der letzten Jahre zu durchbrechen. Denn dieses Problem ist real: Zu oft wurden Kämpfe angekündigt, fast nie fanden sie statt und zu oft wurden die genannten Ziele kampflos unterboten oder gebrochen. Viele BetriebsrätInnen und GewerkschfterInnen bekommen das auch zu spüren.

Eine entschlossen geführte Massenstreikbewegung würde dagegen Enthusiasmus auslösen und eine Welle der Solidarität erzeugen, die die gesamte gesellschaftliche Dynamik umdrehen würde. Und so etwas ist absolut in der Situation angelegt. Doch dafür darf der kommende Kampf nicht mit der „angezogenen Handbremse“ geführt werden, sondern muss sich direkt auf die jahrelang unter der Oberfläche in den Betrieben aufgestaute Wut stützen. Doch die KollegInnen an der Spitze der Gewerkschaften binden sich mit dem selbst formulierten Kampfziel hier selbst die Hände: die „Augenhöhe“, die Sozialpartnerschaft muss zurückerkämpft werden. Diese Selbstbeschränkung schwächt den Widerstand, schon bevor die erste Maschine steht. Denn wenn das Ziel eine gute Gesprächsbasis ist, können natürlich nicht alle Brücken zum Gegner abgerissen werden – und wenn das Ziel erreicht wurde muss sichergestellt sein, dass die ArbeiterInnen das auch akzeptieren. Letztendlich beginnt es schon dabei, dass all jene, die ihren solidarischen Beitrag leisten möchten, dies aufgrund von Geheimnistuerei.
Wir sagen diesen KollegInnen daher: ihr träumt, die Zeit des Klassenfriedens ist vorbei. Die Bürgerlichen haben einen heiligen Zorn gegen „den Sozialismus“, womit sie alles versteht, was sie nicht direkt kontrollieren. Die Aufgaben von allen, die es mit einem Sieg gegen den Bürgerblock ernst meinen, egal ob GewerkschafterInnen, BetriebsrätInnen oder ArbeiterInnen in den Betrieben, sind daher klar definiert:

Zuerst gilt es, die künftige Bewegung möglichst zu verbreitern, zu verstärken und unentschlossene für einen Kampf zu gewinnen. Das geht nur über den Kampf selbst: Die Entschlossensten müssen vorangehen und die Zweifelnden in der Praxis überzeugen. Es gilt dafür, auch den Unmut über die Regierung an den Schulen, den Universitäten und den unorganisierten Betrieben zu aktivieren. Das bedeutet letztendlich, für die Vorbereitung eines Generalstreiks zu kämpfen.
Doch untrennbar damit verbunden ist die Notwendigkeit, für die weitgehendste Gewerkschaftsdemokratie zu kämpfen – das heißt, die direkte Kontrolle der ArbeiterInnen über Kampfziele und Kampfmethoden. Kampfziele und Kampfpläne müssen bis in den kleinsten gewerkschaftlich organisierten Betrieb hinein offen diskutiert und abgestimmt werden. Es gilt, die gesamte Verantwortung für die Richtung der Bewegung in die Hände der KollegInnen in den Betrieben zu legen. Dazu gehören auch Urabstimmungen über das Ende von Arbeitskämpfen, die Kollegen und Kolleginnen können selbst am besten beurteilen, ob das Maximum herausgeholt wurde, oder ob man weiter kämpfen kann und will.

Halbheiten und Rückzug müssen endgültig der Vergangenheit angehören. Um gegen die Bürgerlichen, ihre Apparate und Lügenmaschinerie zu gewinnen, brauchen wir nicht zuletzt die ungeschminkte Klarheit. Nieder mit der Lüge, für die Abwehr aller Verschlechterungen – für eine breite Streikbewegung zum Sturz der Regierung!

Wien, am 5.10.2018


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