Es gibt keinen Kapitalismus ohne Rassismus: Teile und herrsche! Doch schließlich verkehrt sich alles in sein Gegenteil. Die Ermordung eines weiteren schwarzen Arbeiters katapultiert die USA in die Arena der sozialen Revolution und findet ein weltweites Echo.
Von Alaska bis Miami versammeln sich täglich hunderttausende Menschen, um ihren Schock und ihre Wut gegen die unterdrückerische herrschende Gewalt auszuleben. Innerhalb von Tagen breitete sich diese Bewegung weltweit aus. In den letzten zwei Jahren wurden mehr schwarze US-BürgerInnen durch die Polizei ermordet, als die Taliban in 18 Jahren US-Soldaten in Afghanistan töteten. Wie kann es sein, dass die alltägliche Gewalt des Staatsapparates und seines Systems jetzt eine globale Bewegung gegen die herrschenden Zustände auslöst?
Die besonders kaltblütige, minutenlange Erstickung von George Floyd durch vier uniformierte Rassisten alleine kann dies nicht erklären. Die materielle Grundlage für die tief und persönlich empfundene Betroffenheit von hunderten Millionen liegt in den weltweit geteilten Lebenserfahrungen. Egal ob in Minneapolis, Wellington, Sao Paolo oder Paris: Kapitalismus ist Schrecken ohne Ende.
Die spezifische rassistische Unterdrückung von Schwarzen, Latinos und MigrantInnen im Allgemeinen, ist sowohl ökonomisch, als auch politisch ein gewinnbringendes Geschäft – in „normalen“ Zeiten. Erinnern wir uns: Der amtierende österreichische Bundeskanzler leitete sein rechts-konservatives Projekt damit ein, dass er den Tod von MigrantInnen im Mittelmeer als unabdingbare Notwendwendigkeit verteidigte. Diese Politik änderte sich auch durch den Regierungseintritt der liberalen Grünen um keinen Millimeter.
Doch um die Illusion aufrecht zu erhalten, dass man durch Rassismus und „starke“ nationalistische Politiker den eigenen bescheidenen Lebensstandard verteidigen kann, muss die Masse tatsächlich in Frieden leben können. Aber der Kapitalismus in der Krise bietet diesen Luxus für niemanden mehr, außer einer winzigen Minderheit der Superreichen. Die spezifische brutale Unterdrückung gegen Schwarze wird so nicht mehr als nebensächliches oder sogar notwendiges Übel wahrgenommen, sondern als besonders greller Ausdruck der im allgemeinen unerträglich unsicheren Lebensbedingungen.
In der USA ist dieser Prozess besonders klar. 41 Millionen Arbeitslose haben sich in den vergangenen Wochen neu registrieren lassen. Die US-Notenbank FED sagt für das zweite Quartal 2020 einen Einbruch des BIP um 52,8% voraus. Privater Konsum fällt um prognostizierte 58,1%, private Investitionen (Auto, Häuser) um 62,6%. Ein Drittel der Haushalte leidet unter unsicheren Ernährungsbedingungen, 54 Millionen AmerikanerInnen würden ohne Lebensmittelspenden hungern. Wer will PlündererInnen verdammen? Die Bewegung ist so tiefgreifend, dass sogar bei den Republikanern mehr Leute die Proteste positiv sehen, als negativ.
Daher agiert der Bunker-Präsident Trump noch erratischer als gewohnt und es tun sich große Spaltungen im US-amerikanischen Staatsapparat auf. Trump signalisierte Verständnis gegenüber den aufmarschierenden „Wutbürgern“ und Nazis, die noch vor wenigen Wochen mit Waffen in der Hand die Öffnung von Friseurläden und anderen Geschäften forderten. Über 100.000 Tote und täglich über 10.000 COVID-Neuinfektionen spielen hier keine Rolle.
Die Gouverneure der Bundesstaaten haben aktuell bis zum 2. Juni bereits 20.000 Milizsoldaten aktiviert. Polizei und Miliz gehen dabei extrem gewalttätig gegen die Massendemos vor. Doch dies genügt dem Präsidenten nicht. Die jetzigen Proteste diffamiert er als „Akte inländischen Terrorismus‘“ und damit sieht er eine Legitimation, die Armee einzusetzen. Während die Wutbürger-Nazis eine laute, kleinbürgerliche Minderheit in der Gesellschaft darstellen, sind die jetzigen Massenproteste in ihrer Zusammensetzung Ausdruck der großen Mehrheit der Bevölkerung, der Arbeiterklasse. Es ist Trumps Beratern nicht entgangen, dass erst vor wenigen Monaten der Präsident Ecuadors angesichts von Massenprotesten aus der Hauptstadt fliehen musste.
Doch der Einsatz der Armee ist aus der Sicht der Herrschenden riskant. Ernsthafte Strategen im Pentagon wissen, dass das Ausspielen dieser Karte bedeutet, dass sie an Wirksamkeit verliert. Und gegen wen würde sie kämpfen? Methoden der Arbeiterklasse und Gewerkschaften werden in der Bewegung immer deutlicher sichtbar: Nachbarschaftskomitees, improvisierte Lebensmittelverteilung und Lazarette, Solidarisierungskundgebungen von Transportarbeitern und dem Gesundheitspersonal. Die Armee genießt in den USA ein verhältnismäßig hohes Ansehen, weil die einfachen Soldaten als KämpferInnen für Demokratie und Freiheit gelten. Werden sie gegen die eigene organisierte Bevölkerung und die kämpfende Arbeiterklasse eingesetzt, sind die Auswirkungen unkalkulierbar. Eine Klassenspaltung innerhalb der Armee wäre wahrscheinlich.
Die herrschende Klasse ist sich daher uneinig darin, wie sie auf die Situation am besten reagieren sollte. Der Verteidigungsminister spricht sich offen gegen einen Armeeeinsatz aus. Diese Spaltung ist eines der ersten Merkmale einer (vor-)revolutionären Situation. Demokraten, Priester und liberale Medien kritisieren die „unnötige“ Repression der Trump-Administration und betonen stattdessen die Notwendigkeit von „Einheit“ und „Friedlichkeit“. Sie kritisieren Trump dafür, Öl ins Feuer zu gießen. „Geht nach Hause“, sagt Trump mit Knüppeln und Militär. „Seid friedlich und geht dann nach Hause“, sagen die Demokraten und versuchen die Demonstranten mit Appellen an die ‚bürgerliche Vernunft‘ und pazifistische Moral zu spalten. Aber nicht nur die „Peitsche“ verliert angesichts der Furchtlosigkeit der Massen immer mehr an Wirkung. Auch die „Zuckerbrot“-Taktik der Herrschenden ist ziemlich ausgelutscht. Keiner glaubt Politikern mehr, jeder weiß, dass sie alle lügen. Das „geringere Übel“ wird immer deutlicher einfach nur ein weiteres Übel.
Die Senilität der „vernünftigen“ Bourgeoisie ist verkörpert im Präsidentschaftskandidaten der Demokraten, Joe Biden. Bei einer Rede in einer Kirche in Delaware erklärte er, dass Polizisten „lieber ins Bein, statt ins Herz“ schießen sollten – das ist der „Friede“, den der Kapitalismus zu bieten hat.
Dies zeigt eines: die Perspektivlosigkeit der moderaten Linken jeder Façon, etwa auch des hierzulande gelesenen „radikalen“ Jacobin Magazine, das sich hinter Joe Biden stellt. Bei der kommenden US-Präsidentenwahl gibt es aber kein „kleineres Übel“. Die US-amerikanischen GenossInnen der IMT stehen daher für „Socialism in our lifetime“, die Enteignung der großen Konzerne (die „Fortune 500“) und einen demokratischen Plan der Produktion. Wer will behaupten, dass Sozialismus in den USA, oder in jedem anderen Land der Welt ein utopischeres Ziel als ein zivilisierter Kapitalismus sei? Werde RevolutionärIn, bevor die Revolution beginnt – werde aktiv bei uns.
Wien, 3.6.2020
Aus dem Inhalt der Zeitung:
- Österreich:
- SPÖ: Die permanente Krise
- Nach dem Virus die Profitmaximierung
- Betrieb & Gewerkschaft
- Sozialarbeit am Anschlag
- Chemie-Bosse zündeln
- Kunst- & Kulturbetrieb
- Streik gegen Betriebsschließung in Deutschland
- LAUDA, AUA: Neue Gewerkschaftspolitik notwendig
- Gesundheitsbereich: Die Zeit der stillen Helden ist vorbei
- Gesellschaft
- Schwerpunkt Black Lives Matter: Mord durch die Polizei & Der Schwarze Befreiungskampf und der Sozialismus
- Die verdorbenen Früchte der kapitalistischen Bildung
- Kapitalismus ist keine Verschwörung
- International:
- Die WHO: kraft- und nutzlos
- Pulverfass Afrika
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