Der Kapitalismus steckt in seiner tiefsten Krise. Seit den 1970er Jahren zeigt seine Tendenz nach unten, aber starke Gegentendenzen (Finanzsektor, Ausweitung der Weltwirtschaft, Ende der Sowjetunion) wirkten stabilisierend. Seit der Finanzkrise von 2008 wird die Fäulnistendenz zu seinem Alleinmerkmal.

Das Jahr 2022 begann mit großen Hoffnungen der Bürgerlichen auf einen Post-Covid-Boom. Stattdessen sahen wir ein Jahr voller Krisen, Kriege und Massenerhebungen. Wie wir schrieben gibt es kein „Zurück zur Normalität“. Die Fäulnis kann innerhalb des Systems von Privateigentum und Nationalstaat nicht behoben werden. Die Planlosigkeit der profitorientierten Wirtschaft äußert sich in Lieferkettenproblemen, Bullshitjobs, Arbeitskräftemangel in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen, sowie Preisexplosionen. Internationale Zerwürfnisse, Handelskonflikte und Kriege werden nicht mehr verschwinden, sondern noch zunehmen. Die Klimakrise wird nur noch profitabel verwertet, der Kampf dagegen jedoch nicht geführt.

Die Versuche der Bürgerlichen, die Krise mit Geldschwemme-Politik in den Griff zu bekommen, provozieren nur eine tiefere Krise, in der Staatspleiten, Währungskrisen, Markteinbrüche und Rezessionen angelegt sind. Kredit-Rating-Agenturen warnen vor Bankrotten in 26 Staaten mit niedrigem oder mittlerem Einkommen, darunter Polen, Südafrika und Kolumbien.

Die Herrschenden blicken mit Angst und tiefem Pessimismus auf die Zukunft ihres Systems. „Ich kann mich an vergangene Momente von gleicher oder größerer Bedrohung für die Weltwirtschaft erinnern, aber an keinen Fall mit derart vielen unterschiedlichen Aspekten und Wechselwirkungen“, sagte der ehemalige US-Finanzminister und Ökonom Larry Summers kürzlich in einem Interview.

Ende Februar brach der Ukraine-Krieg aus, ein Ausdruck der sich zuspitzenden imperialistischen Widersprüche, die zum verschärften Konkurrenzkampf der Kapitalisten und ihrer Nationalstaaten um Einflussgebiete und Märkte führt. Die Globalisierung ist tot. Die Energiekrise wirft Europa im imperialistischen Wettbewerb zurück und verarmt die Arbeiterklasse aller Länder. Österreich ist fester Teil dieses globalen Krisenprozesses. Die großen Monopole scheffeln indes weiter Profite in ungesehenen Höhen.

Die Herrschenden versuchen zu manövrieren, um die Krise auf die Arbeiterklasse abzuwälzen, ohne gleichzeitig massive soziale Explosionen zu provozieren. Doch diese sind bereits unaufhaltbar. Die Krisen hämmern auf das Bewusstsein der Massen ein. Herbe Reallohnverluste, Mangel und allgemeine Unsicherheit sind erstmals seit Jahrzehnten wieder im Leben der Massen in den reichen Industrieländern spürbar.

Das Jahr 2022 wird von Massenprotesten in Kasachstan eingeleitet. Die Bewegung nimmt Aufstandscharakter an, Demonstranten übernehmen Flughäfen, Straßen, Plätze und Kommunikationszentralen. Die Arbeiterklasse, insbesondere aus dem Ölsektor, spielt eine prominente Rolle und erreicht binnen kürzester Zeit den Rücktritt der gesamten Regierung. Doch der Bewegung fehlt eine Führung mit einem klaren Programm. Mit einer Kombination aus Zugeständnissen und gewaltvoller Unterdrückung gelingt es den Herrschenden schließlich, die Kontrolle zurückzuerlangen.

Ab April erschüttert eine revolutionäre Welle gegen die tiefe Wirtschaftskrise Sri Lanka. Sie erzwingt den Rücktritt der gesamten Regierung und der nunmehr Ex-Präsident Gota muss kurzzeitig ins Ausland fliehen. Brutaler Repression trotzend hält sich die Bewegung mehrere Monate. Im Juli gehen Bilder von DemonstrantInnen, die den Präsidentschaftspalast samt Pool besetzen, um die Welt. Doch statt der Ausrufung eines neuen Regimes durch die Aufständischen, kommt es zur Bildung einer „Allparteienregierung“, die prompt mit Gewalt gegen die Bewegung vorgeht. Neue Kredite und Schuld-deals mit den Imperialisten werden verhandelt, harte Sparmaßnahmen werden wieder kommen: Keines der sozialen Probleme der Massen ist gelöst.

Seit September erschüttert die Protestbewegung im Iran das Mullah-Regime bis ins Mark, ausgelöst durch den Mord an Mahsa Jina Amini durch die Sittenpolizei und angeführt von Studierenden und jungen Frauen. Nach Monaten ist die Bewegung immer noch am Leben und hat durch seine Wucht und die immer weitergehenden Schlussfolgerungen das Regime in eine Existenzkrise gebracht (siehe S. 12).

Streikwellen in den USA, Kanada, Frankreich, Ungarn und insbesondere in Großbritannien zeigen an, dass die Welle des Klassenkampfs auch in den Zentren des westlichen Imperialismus angekommen ist.

Was wir vor unseren Augen sehen ist der Molekularprozess der Weltrevolution, das Spiegelbild zukünftiger Entwicklungen auch hierzulande. Ausbrüche revolutionärer Energie häufen sich global. Die Instabilität der herrschenden Regierungen ist ein weltweites Phänomen. Die Gefahr einer Revolution ist ihnen sehr bewusst und so müssen sie auf die Bewegungen mit teilweisen Zugeständnissen reagieren. Selbst der scheinbar unantastbare Diktator Xi Jinping muss in China als Reaktion auf Proteste die Covid-Lockdown-Politik lockern (siehe S. 12). Je entschlossener die Kämpfe geführt werden, desto weitreichender sind die Lehren, die die Massen aus ihren Erfahrungen und unvermeidlichen, temporären Niederlagen ziehen.

Die wichtigste dieser Lehren ist, dass die Arbeiterklasse eine revolutionäre Führung braucht. Überall sehen wir, wie die Spontanität und der Kampfeswille der Massen die Herrschenden in Bedrängnis bringen oder gar stürzen können. Doch ohne einen bewussten Plan, die Profitwirtschaft und ihren Staat durch eine demokratische Planwirtschaft zu ersetzen, enden die meisten Bewegungen vorerst mit Rückschlägen.

Die größte Hürde sind dabei die reformistischen Führungen der Arbeiterorganisationen. Mit ihrer Orientierung auf eine Klassenzusammenarbeit sind sie die wichtigste Stütze des Kapitalismus. Selbst bei der Verteidigung des Lebensstandards stehen diese Organisationen dabei im Weg, wie wir es in dieser Herbstlohnrunde sahen (siehe S. 3). Diese Führungen müssen daher politisch überwunden werden, um den Weg für eine weltweite Revolution zu ebnen.

Der Prozess der Weltrevolution äußert sich zuerst in einer Spaltung an der Spitze – und in einem klaren „Nein“ zu den herrschenden Verhältnissen. Der Kapitalismus hat den Unterdrückten und Ausgebeuteten nichts zu bieten als immer mehr Elend, Leid und Entbehrungen. Doch der Kapitalismus wird sich nicht selbst abschaffen, hierfür braucht es den bewussten Akt der sozialen Revolution. Um den kommenden revolutionären Bewegungen das Programm zu geben, das sie benötigen, um zu siegen, organisieren wir MarxistInnen uns. Wir kämpfen für ein sozialistisches Programm in der Jugend- und Arbeiterbewegung und für den Sozialismus noch zu unseren Lebzeiten. Werde Teil der International Marxist Tendency und bereite dich mit uns auf die Weltrevolution vor.

Wien, am 6.12.2022


Aus dem Inhalt

  • Österreich
    • Konzerne machen Jahrhundertgewinne: Bürgerliche setzen auf rassistische Spaltung
    • Bürgerliche gegen Grazer Regierung
    • Demokratie in der Krise - für eine sozialistische Alternative!
  • Betrieb & Gewerkschaft
    • Herbst-KVs: Mehr wäre gegangen
    • Gewerkschaft vida macht's anders
    • 500.000 gegen Gesundheitskrise
    • SWÖ: Die vertane Chance nicht hinnehmen - Urabstimmung jetzt!
  • Jugend
    • Gegen Sparzwang, Unimanagement und Kapitalismus
    • Die Russische Revolution an der Uni verteidigen
    • Klimabewegung: Bilderstürmer und Straßenkleber
  • Schwerpunkt
    • China: Kapitalistisch oder kommunistisch?
  • Über uns
    • Antifaschistischer Protest in Vorarlberg
    • In die Revolution investieren: Spendenziel von 40.000€
  • Geschichte
    • Die Lehren der iranischen Revolution (Teil 2)
  • Gesellschaft
    • "Boykott Katar 2022"
    • Technologie-Branche: Von Spekulationsblasen und Massenentlassungen
  • International
    • Ukraine: Imperialisten produzieren noch mehr Elend
    • US-Eisenbahnerstreik: Falsche Freunde
    • China: Arbeiterproteste entzünden soziales Pulverfass
    • Iran: Die Aufstandsbewegung geht weiter - für die sozialistische Revolution!

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