Die Parteispitze will trotz historischer Wahlniederlagen an ihrem Kurs beibehalten. Gerade deshalb ist der Aufbau einer sichtbaren und lautstarken SPÖ-Linken heute dringlicher denn je.

Vorarlberg minus 7 Prozent, Oberösterreich minus 13 Prozent – alle Wahlergebnisse der SPÖ weisen Richtung Abgrund. Nach der letzten Nationalratswahl war Parteivorsitzender Werner Faymann noch der große Strahlemann und Gewinnertyp. Die SPÖ schien wieder auf die Siegerstraße zurückgekehrt. Selbst ausgesprochene KritikerInnen der Parteispitze wie SJÖ-Vorsitzender Moitzi trauten sich angesichts dieser Faymann-Mania nicht gegen die Große Koalition zu stimmen.

Ein Jahr später hat Faymann die SPÖ dorthin geführt, wo sie unter Gusenbauer schon war. Die Krise der Sozialdemokratie ist augenscheinlich, und nur der Kanzler und seine engsten Vertrauten sehen keinen Bedarf für einen politischen Kurswechsel. Die SPÖ müsse ihre Leistungen für die Menschen nur besser kommunizieren.

Doch wo sind diese Leistungen? Wie nicht anders zu erwarten, fielen sie der politischen Unterordnung gegenüber der ÖVP – der wichtigsten Voraussetzung für das Zustandekommen der Großen Koalition – zum Opfer. Die SPÖ hat Milliarden für die Bankenrettungspakete mitbeschlossen, doch für eine Bildungsmilliarde sei kein Geld da. Die Mindestsicherung könne sich der Staat nur 12x im Jahr und nicht 14x leisten. Vermögenssteuern kommen derzeit nicht in Frage, weil das Kapital ein scheues Reh sei, gerade in Zeiten der Krise. Die einzige inhaltliche Kursänderung sei in der „Integrationspolitik“ nötig. Dort wolle Faymann für „strenge Regeln“ sorgen und gibt somit der rassistischen Hetze der FPÖ nach.
Unüberhörbar regen sich in der Sozialdemokratie nun die ersten kritischen Stimmen. Der Vorsitzende der SJ Vorarlberg, Lukas Riepler, machte mit seiner Rede im Landesparteivorstand, die auch im Internet veröffentlicht wurde, den Anfang. Bundesgeschäftsführerin Rudas reagierte umgehend und forderte das Löschen dieses Diskussionsbeitrages. Dann forderte Kurt Flecker, Landtagspräsident in der Steiermark, Werner Faymann durch die Blume zum Rücktritt auf („Er sieht die Wand nicht – und wenn man die Wand nicht sieht, gehört der Führerschein entzogen“). Worauf sich die gesamte Parteiführung wie ein Rudel wilder Hyänen auf ihn stürzte.

Die Parteispitze erinnert an das bourbonische Königshaus vor der Erstürmung der Bastille. Sie verstehen die Welt nicht mehr, haben keine Erklärung, warum der Pöbel denn so undankbar ist und versuchen mit Repression die eigenen Reihen ruhig zu halten. Das geht vielleicht noch eine Zeit lang gut, doch die Zeichen der Zeit sind deutlich erkennbar. 20 Jahre nach dem Mauerfall richten wir Gorbatschows Worte an den Herrn Genossen Bundesparteivorsitzenden: „Wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte.“ Wenn die SPÖ-Spitze ihren Kurs weitergeht, dann wird sie wie die britische Labour Party oder die SPD enden. Und dazu ist sie fest entschlossen, denn ihr Selbstanspruch ist es die Interessen des österreichischen Kapitals in der Regierung zu vertreten. Für diesen Zweck wird sie derzeit von der ÖVP ge- und missbraucht. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, wird Josef Pröll die ausgemergelte Sozialdemokratie entsorgen. Wer das nicht sehen will, ist blind – was den Führerscheinentzug nach sich ziehen sollte, um mit Kurt Flecker zu sprechen. Die ÖVP verspürt einen klaren Rückenwind und wird die SPÖ weiter an die Wand fahren. Aus einer Position der Stärke heraus wird sie die SPÖ und ihre Basis aufs Blut reizen. Erster Streich: die Verknüpfung der Bildungsreform mit der Wiedereinführung der Studiengebühren. Der zweite Streich: Finanzminister Pröll wird die Weichen für massive Sparpakete spätestens ab dem Jahr 2011 stellen. Doch schon heuer soll über die „Verwaltungsreform“ die erste Angriffswelle vor allem auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zukommen. Die „ExpertInnen“ machen schon jetzt genügend Vorschläge, woher das Geld zur Sanierung des Budgets kommen soll: Kürzung der Familienbeihilfe, Erhöhung der Mehrwertsteuer, Verschärfungen im Pensionsrecht, Nulllohnrunden im öffentlichen Dienst, Einsparungen im Gesundheitswesen. All diese Maßnahmen würden vor allem die Lohnabhängigen, also die traditionelle Basis der SPÖ, am härtesten treffen.

SPÖ-Linke aufbauen

Wie groß die Unzufriedenheit an der Basis ist, zeigt die Entwicklung einer Facebook-Gruppe, die von Rudolf Fußi ins Leben gerufen wurde. Unter dem Namen „SPÖ-Linke. Pro SPÖ-Kurswechsel. Pro SPÖ-Neustart“ organisierten sich binnen weniger Tage schon mehr als 850 linke SozialdemokratInnen, darunter viele GenossInnen aus der SJ und aus SPÖ-Ortsparteien bis hin zu Parteiprominenz wie Ex-Sozialminister Erwin Buchinger oder Günther Tolar von der SoHo. Dieses Projekt legt den Keim für den Aufbau einer SPÖ-Linken.
Der Funke unterstützt dieses Projekt mit aller Kraft. Wir begrüßen es, dass sich hier GenossInnen aus verschiedensten Bereichen zusammenfinden und die Diskussion über die Zukunft der Sozialdemokratie begonnen haben. Der nächste Schritt wird die Abhaltung von regionalen und in weiterer Folge einer bundesweiten Konferenz der SPÖ-Linken sein. Dort muss eine demokratische Diskussion über die Ziele, das Programm und die Methoden der SPÖ-Linken geführt und ein SprecherInnenteam gewählt werden, das das Projekt nach Außen vertreten kann.

Die zentrale Herausforderung wird aber sein, ob die SPÖ-Linke sich ein Programm geben kann, das eine tatsächliche Alternative zum Kurs der Parteiführung darstellt. Dies gilt neben der vor allem in der Frage, wer die Kosten der Krise zu zahlen hat. Unsere Hauptlosung muss lauten: „Wir zahlen nicht für Eure Krise!“

Aus diesem Grund schlagen wir auch vor, dass die SPÖ-Linke rund um die Forderung nach einer Vermögenssteuer eine Kampagne organisiert, die sich vor allem an die Gewerkschaften richtet und mit denen wir in und vor den Betrieben präsent sind. Darin liegt auch die größte Herausforderung für die SPÖ-Linke: Gelingt es, die wachsende Ungeduld in den Gewerkschaften und der Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen für den Aufbau einer linken Alternative zu organisieren oder nicht? Diese Frage wird entscheiden, ob auf den tiefen Fall des Werner F. und die Krise der ArbeiterInnenbewegung eine Wiedergeburt erfolgt.

Funke-Redaktion, 10. Oktober 2009


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