Während Gewinne und Boni wieder auf Rekordniveau sind, werden bereits die nächsten Banken mit Steuergeldern gerettet. Das Jahr 2011 ist erst der Anfang einer jahrelangen Auseinandersetzung zwischen den Klassen.
Notenbanker ohne jedes demokratische Mandat schreiben Regierungen brutale Sparpakete vor; demokratische Rechte werden über Bord geworfen. In Athen starb der erste Demonstrant unter den Schlägen des Regierungs-Mobs. Nachdem der Schock über die erste tiefe Krise überwunden ist, regiert nun in einem Land nach dem anderen der Zorn auf den Straßen, Plätzen und in den Betrieben. Eine Erkenntnis hat sich global durchgesetzt: Wenn es nach den Bankern und ihren Polit-Marionetten geht, dann sollen wir den Gürtel bis zur Erdrosselung enger schnallen. Der globale Protesttag am 15. Oktober hat sichtbar gemacht, dass der Widerstand gegen diese Krise international ist. Weiters ist es ein Fortschritt, dass es keinen konkreten Anlass braucht, auf den man reagiert (wie etwa den Angriff auf den Irak 2003), und vor allem, dass man sich klarer geworden ist, gegen wen es geht. Nicht gegen diese oder jene Maßnahme, nicht gegen die abstrakte „Globalisierung“ erhebt man sich, sondern man stellt nun en masse das System an sich in Frage und ruft ihm Revolution! ins Gesicht.
Diese Empörung ist elementar, roh und voller schwärmerischer Züge. Sie kann die Nutznießer dieses Systems nun beziffern. 1 % der Menschen erheben sich über die restlichen 99% so weit, dass nur jene Minderheit und ihre Bedürfnisse als „systemrelevant“ gelten, während all das, was uns Normalsterblichen ein halbwegs zivilisiertes Leben ermöglicht, als überflüssiger Luxus zur Diskussion steht.
Die Bewegung wird lernen müssen, dass Symbole zwar Identität stiften, aber die entscheidende Frage nicht knacken kann: die Machtfrage in der Gesellschaft. Dies ist angesichts der Kriegserklärung der herrschenden 1 % jedoch die Frage, die über unsere Zivilisation oder Barbarei entscheiden wird.
Wenn die #occupy-Bewegung nicht als unreifer Prototyp des sozialen Protestes auf der Müllhalde der Geschichte landen will, muss sie sich der Frage stellen wie und wo sie das System der privaten Profitmaximierung aushebeln kann. Eine Besetzung des Parks vor der Wallstreet ist wohl nicht der richtige Weg. Es ist nicht mal die Wallstreet selber, denn wenn diese besetzt würde, werden die Derivate eben von anderen Computern aus gehandelt. Der Lebensmotor des Kapitalismus befindet sich vielmehr in den Fabrikhallen, in den Büros, auf den Schienen und im Luftraum.
Vorbild Metaller
Was am 15. Oktober bei über 900 Demos weltweit zum Ausdruck kam, manifestierte sich in Österreich in Form des Metallerstreiks. Die #occupy-Demos am 15. Oktober waren schwach besucht, keine sozialen Kräfte waren präsent, sondern nur Individuen. Diese Zusammensetzung machte es auch esoterischen Unterwanderern leicht, die Revolution als geistige Wiedergeburt unterzujubeln und das Mittel zum Zweck im Gesprächskreis zu bemühen. Was das Land in diesen Tagen wirklich bewegt und polarisiert hat, war der Streik der MetallerInnen.
Die UnternehmerInnen waren erschüttert und überrascht. Die ArbeiterInnen haben die Angst abgelegt, und das wollten die Chefitäten nicht wahrhaben. Die Menschen, die sie anstellen, um an ihren Maschinen und Computern Profit zu erwirtschaften, haben sich tatsächlich eine eigenständige Logik bewahrt: Wenn wir zusammenstehen, wenn wir der Bude unser Tempo aufzwingen, dann sind wir nicht mehr der reine Kostenfaktor sondern der Gebieter. So hat die Lohnforderung von 5,5 % innerhalb von Stunden Symbolkraft entwickelt - und zwar für alles, was man uns vorenthalten hat und wegnehmen will. Einige haben Angst gehabt, andere sind mutig geworden, aber allen war klar, dass in diesem Streik etwas besonders passiert.
Wichtige Erschütterung
Auch wenn dieser Streik von oben abgedreht wurde, bevor er seine Kraft voll entfalten konnte, ist nun ein neues Element auf den Tisch der langweiligen österreichischen Korruptionslandschaft geknallt. Die Große Koalition sieht sich bei der Sanierung des Budgets gezwungen sehr vorsichtig vorgehen, weil sie Angst vor unkontrollierbaren Reaktionen hat. Damit sind Faymann und Fekter in der gleichen Situation wie Sarkozy und Merkel, die ebenfalls eingeklemmt zwischen dem Amboss einer angespannten Arbeiterschaft und der zornigen Jugend und den Hammerschlägen der Wirtschaftskrise keinen Ausweg finden.
Schlussendlich werden sie auf Geheiß der Märkte gezwungen sein unseren Lebensstandard zu attackieren, wie es die Regierungen in Griechenland, Spanien, Portugal, Irland und Italien vorexerzieren. „Ratingagenturen sind dabei wie Schiedsrichter, und wer die Regeln nicht einhält, erhält die gelbe oder rote Karte“, mit diesen Worten lässt Maria Fekter in ihrer Budgetrede im Parlament keinen Zweifel, wem ihre Loyalität gilt. Im Budgetrahmengesetz 2011 bis 2014 sind Einsparungen von 16,2 Mrd. € in den Bereichen Bildung, Infrastruktur und Soziales bereits gesetzlich festgehalten. Doch niemand traut sich diese Nachricht zu überbringen. Unter dem Druck der „Märkte“ wird dies jedoch geschehen, und dies wird nicht ohne heftige Konflikte gehen. Das Trostpflaster einer „Reichensteuer“ wird nicht genügen um den Zorn darüber vergessen zu machen, dass es keine Arbeit mehr gibt, von der man leben kann, ohne sich Nerven und Körper zu ruinieren, dass einem das Recht auf einen würdevollen Lebensabend nach 40 Jahren Schufterei genommen wird, dass die Ausbildung nach freiem Wunsch Geschichte ist, dass eine Schule, wo nach modernster Pädagogik unterrichtet wird, Zukunftsmusik bleibt, dass das Spital, wo du ohne Ansehen von Stand und Einkommen bestens behandelt wirst, geschlossen wurde.
Schon in der Bibel steht: Kein Stein wird auf dem anderen bleiben. Es liegt an der Arbeiterklasse, dass sie aus den Trümmern der alten Gesellschaft ein neues und schöneres Zuhause baut.
Weitere Themen in der neuen Ausgabe:
- Ägypten: Mubaraks Fall war erst der Anfang
- Griechenland: Ein Bericht unseres Korresponenten aus Athen
- Schwerpunkt: Sündenfall Euro-Rettung - Linkskeynesianismus versus Marxismus - eine Debatte über die Aufgaben der Arbeiterbewegung angesichts der Schuldenkrise
- Genfer Sanierung
- Gegen Gewalt oder Gegengewalt? - Über die Rolle von Gewalt bei Massenprotesten und die Rolle der Medien
- Metaller-Streik: Starker Anfang, schwacher Abschluss
- Interview mit einem Arbeiter von Böhler
- Einsparungen im Gesundheitswesen
- Protest gegen Lohn- und Sozialdumping am Flughafen Wien
- Equal Pay Day
- Auseinandersetzung rund um den Kollektivvertrag im Grafischne Gewerbe
- Wie gewinnen wir einen Streik? (Auszug aus Artikel von Harry DeBoer über Teamstersstreik 1934 in Minneapolis/USA)
- Keinen Verrat an den Faschismusopfern - eine Kritik am Entwurf für das Rehabilitationsgesetz
- Bericht vom ACUS-Bundeskongress
- Vorarlberg Nazifrei
- Bericht aus einem überbetrieblichen Ausbildungszentrum
- Studiengebühren verhindern
Die neue Ausgabe kann zum Preis von 2 Euro (+ Porto) bei der Redaktion bestellt werden: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
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