Nach Griechenland ist nun Spanien ins Visier der Finanzmärkte gerückt. Während sich die Staatsschuldenkrise weiter verschärft, soll mit dem EU-Fiskalpakt der Sozialstaat europaweit für immer zerstört werden.
Spanien muss mittlerweile für seine Staatsanleihen Risikoaufschläge in einer Höhe zahlen, wie es bei Griechenland, Irland und Portugal der Fall war, bevor diese unter den Euro-Rettungsschirm kamen. Der Grund dafür ist vor allem im verheerenden Zustand der spanischen Wirtschaft zu sehen, die noch immer an den Exzessen des vorherigen Booms (basierend auf einer kreditfinanzierten Immobilienblase) nagt. Die Sparpakete der letzten Jahre machen außerdem einen Ausweg aus dieser Krise zu einem Ding der Unmöglichkeit. Doch die EU fordert von der konservativen Regierung die Senkung des Budgetdefizits von 5,4% auf 3%, was ein weiteres soziales Massaker bedeutet. Dazu kommt, dass das Bankensystem weiterhin am Abgrund steht.
Die Politik der EZB, die billiges Geld zur Verfügung stellt, hat in den letzten Monaten einen unmittelbaren Absturz Spaniens verhindert. Mit diesen Maßnahmen erkauft sich die EU aber nur Zeit – und das zu einem hohen Preis. Den Bürgerlichen ist das Ausmaß dieser Krise des europäischen Kapitalismus bewusst. Nach Griechenland entpuppen sich Spanien und Portugal nun als zwei weitere schwache Glieder, an denen die Kette jederzeit brechen könnte. Zwar macht sich auch die Erkenntnis breit, dass die massiven Sparpakete die Krise nur verlängern und vertiefen, gleichzeitig scheint dieser beschrittene Weg alternativlos zu sein.
EU-Fiskalpakt
Die EU versucht diesen rigiden Sparkurs einzuzementieren. Ende Jänner beschlossen die europäischen Staats- und Regierungschefs den „Fiskalpakt“. Die Länder, die diesen völkerrechtlichen Vertrag unterzeichnen, verpflichten sich zur Einführung einer „europäischen Schuldenbremse“ und eines automatischen Sparmechanismus, die zwingend von den Nationalstaaten übernommen werden müssen (am besten in der Verfassung). Damit wird der bisherige Kurs noch einmal zugespitzt und rechtlich festgeschrieben. Das Zustandekommen dieses Fiskalpakts ist ein weiteres Beispiel, dass die Bürgerlichen diese Krise nur unter Umgehung selbst von Mindeststandards der bürgerlichen Demokratie und ihrer eigenen Regeln (z.B. dem Europarecht) angehen können. Die AK schrieb dazu treffend: „Da die Fortsetzung und Radikalisierung dieser neoliberalen ‚Integration’ Europas aber immer weniger auf den Konsens der Menschen in Europa stößt, lässt sie sich zunehmend nur mehr mittels Umgehung demokratischer Verfahren und der Durchbrechung rechtsstaatlicher Anforderungen bewerkstelligen.“
Konkret bedeutet der Fiskalpakt: Bei Abweichungen vom mittelfristigen Budgetziel (ein Defizit von höchstens 0,5% des BIP) wird automatisch ein „Korrekturmechanismus“ ausgelöst. Wie dieser aussehen soll, entscheidet dann die EU-Kommission. Im Fall von Griechenland sehen wir, was den EU-Spitzen dabei vorschwebt: automatische Kürzung von öffentlichen Ausgaben (vorzugsweise Gesundheit, Pensionen, Arbeitslosengeld, Gehälter,…), Erhöhung von Massensteuern (wie der Mehrwertsteuer) und die Einrichtung eines Sonderkontos, damit Steuergelder zuallererst für die Zahlung der Staatsschulden und der Zinsen herangezogen werden. Sobald die Parlamente den Fiskalpakt unterzeichnet haben, verzichten sie auch auf alle Mittel der Kontrolle. Ein Ausstieg aus dem Fiskalpakt ist nicht vorgesehen.
Angela Merkel erklärte nach Beschluss des Fiskalpakts den Zweck der Übung: „Es geht darum, dass die Schuldenbremsen dauerhaft in die Rechtsordnungen eingefügt werden, dass sie binden und ewig gelten!“ Dieses Programm bedeutet, dass die Bürgerlichen zielstrebig an der Zerstörung des „europäischen Sozialstaatsmodells“ arbeiten, wie es EZB-Chef Draghi offen zugegeben hat.
Soziale Explosion
Die Krise ist von einem derartigen Ausmaß, dass mehrere Länder vor einer sozialen Explosion stehen. Griechenland ist nur der Spiegel für die Zukunft des restlichen Europas. Spanien scheint dabei der nächste Kandidat. Die Financial Times schrieb jüngst in einem Artikel mit dem Titel „Mission impossible“: „Spaniens Anstrengungen zur Defizitreduktion sind nicht nur wirtschaftlich schlecht, sie sind physisch unmöglich durchsetzbar… Entweder Spanien wird seine Ziele nicht erreichen oder die Regierung muss so viele Krankschwestern und Lehrer entlassen, dass dies zu einem politischem Aufstand führt.“
Länder wie Spanien haben auch keine andere Wahl als den Sozialstaat zu beschneiden und die Lohnkosten massiv zu senken. Nur so kann die Profitrate wieder gehoben und das nötige Geld zur Rückzahlung der Schulden aufgebracht, sprich das Funktionieren des kapitalistischen Systems garantiert werden. Alles läuft somit auf eine Zuspitzung des Klassenkampfs hinaus. Die europäische Krise wird nicht durch volkswirtschaftliche oder juristische Expertenstreits über die Sinnhaftigkeit bzw. Rechtsstaatlichkeit eines Fiskalpakts entschieden. Entscheidend wird sein, ob die ArbeiterInnenbewegung imstande ist Sparpakete und Arbeitsmarktreformen abzuwehren oder nicht. Dies wird aber nur passieren, wenn es uns gelingt, in den ArbeiterInnenorganisationen ein klassenkämpferisches, sozialistisches Programm durchzusetzen. Die grundlegende Frage dabei ist, wie wir uns zur Frage der Staatsschulden positionieren. Akzeptieren wir die Logik des Kapitals und zahlen die Schulden zurück – dann müssen wir auch die Sparpakete zähneknirschend hinnehmen. Oder wir sagen, dass wir unseren Lebensstandard verteidigen wollen. Zweitere Option setzt voraus, dass wir uns weigern die Schulden zu zahlen und die Diktatur der Märkte nicht anerkennen. Dafür aber müssen wir die engen Grenzen des kapitalistischen Systems sprengen.
Weitere Themen in der neuen Ausgabe:
Österreich
- Wir brauchen eine Arbeiterpartei - SPÖ: Reformierbare Fehlentwicklungen oder doch schon „stinkender Leichnam“ (Rosa Luxemburg)?
- Sind die Banken ein Fass ohne Boden?
Betrieb & Gewerkschaft
- Aus der Niederlage lernen - Bilanz über den in letzter Minute abgesagten Streik
der Gemeindebediensteten in Oberösterreich
- AUA & Tyrolean: Konflikt um den Kollektivverträge
- Die Betondecke durchstoßen: Wie können die Gewerkschaften wieder zu Kampfinstrumenten gemacht werden?
Jugend
- Schülerinteressen statt Umweltzeichen
- Wir Metallerinnen lassen uns nicht ficken - Bericht über den Kampf gegen Sexismus und respektloses Verhalten von Ausbildnern gegenüber weiblichen Lehrlingen
- Prämie für Lehrlinge bei Böhler durchgesetzt
Theorie
- Is this what democracy looks like? - Demokratie aus marxistischer Sicht
Gesellschaft
- Proteste und Piraten: Hintergrund die Rolle der Internet-Bewegung „Anonymous“ und der Piratenpartei
- Homosexualität im Nationalsozialismus: Ein Bericht der antifaschistischen Kampagne der SoHo Salzburg
- Euro vor dem Aus? - Buchkritik von Jürgen Bozsokis neuem Buch
International
- Arbeit macht FIAT: Bericht über die Arbeitsbedingungen in den italienischen FIAT-Werken
- Wahlen in Frankreich: Der Mensch zuerst - aber wie?
- Wie würde ein sozialistisches Pakistan aussehen?
- Griechenland: Krise ohne sichtbaren Ausweg
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