Kapitalismus. Die Krise nimmt kein Ende, und die Rechnung dafür bezahlen in ganz Europa die Lohnabhängigen in Form von Sparpaketen und Privatisierungen. Das ist ein fertiges Rezept für soziale Explosionen und politische Krisen.
Ein Blick auf die weltweit wichtigsten Börsenkurse offenbart: Für die oberen 10.000 lohnt sich das System wie eh und je. So titelte Anfang März die deutsche Tageszeitung „Die Welt“: „Der Dow Jones kämpft um den Rekord“. Nur noch wenige Punkte fehlen bis zum historisch höchsten Stand aus dem Jahre 2007. Das drückt sich in einem explodierenden, unvorstellbarem Reichtum von einigen Wenigen aus: Mittlerweile gibt es weltweit 1426 Dollar-Milliardäre, 200 mehr als noch letztes Jahr und so viele wie noch nie. Insgesamt besitzen sie ein Vermögen von 5,4 Billionen US-Dollar, in Zahlen: 5.400.000.000.000 $. Die Einwohnerzahl einer kleinen Landgemeinde besitzt den Gegenwert von Allem, was alle EinwohnerInnen von Österreich in den letzten 15 Jahren produziert haben.
Doch dieses Bild trügt. Die Weltwirtschaft gleicht einem Pulverfass, das von dutzenden Glutherden umgeben ist. So sitzen vor allem die Konzerne in den USA und Europa auf riesigen ungenutzten Cash-Reserven, während gleichzeitig kaum in neue Produktionsanlagen investiert wird. Warum auch, besitzen die Unternehmen doch schon jetzt enorme Überkapazitäten, die einfach nicht mehr profitabel genutzt werden können (siehe z.B. unsere Analyse zur Stahlindustrie, S. 10). Dies ist nicht zuletzt wegen den enormen Ausgabenkürzungen der Staaten so, vor allem in den südeuropäischen Ländern. Der öffentlichen Hand und den ArbeiterInnen (nicht nur) in diesen Ländern fehlt schlicht und einfach das Geld dafür, eigentlich dringend benötigte Waren zu kaufen.
Um die europäische Wirtschaft vor einem explosiven Kollaps durch den Bankrott eines Landes zu bewahren, zwingt die Troika aus EZB, EU und IWF im Gegenzug die südeuropäischen Wirtschaften in einen langsamen Tod. Griechenland hat seit dem Beginn der Krise schon fast ein Viertel seiner Wirtschaftsleistung eingebüßt. Auch Rückwirkungen auf Deutschland und auch Österreich bleiben so natürlich nicht aus. Die Folge ist, dass sich die europäische Wirtschaft schon jetzt in der Rezession befindet, die Staatsschulden weiter rasant anwachsen und so die Basis für eine umso größere Implosion der Wirtschaft in der Zukunft gelegt wird.
Dass der Euroraum nach den wirtschaftlichen Tumulten rund um die Griechenlandrettung letztes Jahr im Moment trotzdem noch halbwegs stabil ist, liegt vor allem an der Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), durch den Ankauf von Staatsanleihen und billige Bankenfinanzierung eine kurzfristige Atempause zu erkaufen. Der Preis dafür werden aber enorme mittel- und langfristige Verwerfungen sein. Durch den angekündigten unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen von Krisenländern bereitet sie einen starken Anstieg der Inflationsrate im Euroraum vor.
Soziale Explosion
Gleichzeitig wird in den meisten europäischen Ländern jede Illusion von sozialem Frieden durch die grausame Realität aus Sparpaketen, Lohnkürzungen und Arbeitslosigkeit zerfetzt. In Griechenland ist bald jeder Dritte ohne Arbeit, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei 60%. Trotzdem gibt es nur noch ein Jahr lang Arbeitslosengeld, danach fällt jegliche staatliche Unterstützung weg. Aber auch in allen anderen Krisenländern findet ein beispielloser Angriff auf die Arbeiterklasse statt, allen voran in Spanien und Portugal.
Dies bliebt aber nicht unbeantwortet, und in immer mehr Ländern beginnen die ArbeiterInnen, entschlossenen Widerstand zu leisten. Neben den südeuropäischen Ländern, aus denen Demonstrationen mit hunderttausenden TeilnehmerInnen kaum noch eine Meldung in den Nachrichten wert sind, kam es in den letzten Wochen auch vermehrt in osteuropäischen Ländern zu Massenprotesten. In Slowenien musste der Premierminister nach wochenlangen Protesten gegen Korruption zurücktreten. In Bulgarien schließlich wurde eine Regierung von einer Bewegung gestürzt, die sich an den hohen Strompreise entzündete. Diese resultieren aus der Privatisierung und Aufteilung der Stromversorgung unter drei Konzernen, unter anderem der niederösterreichischen EVN. Jahrelang war Bulgarien nach Auffassung der internationalen Finanzmärkte ein Musterland: Niedriger als die Staatsverschuldung (16%) waren nur noch die Löhne und Pensionen, gerade letztere reichen im Winter oft gerade mal für Miete und Stromrechnung. Doch nach einer Reihe von Selbstverbrennungen und Massenprotesten, die offensichtlich von den Revolutionen im arabischen Raum inspiriert waren, trat der konservative Ministerpräsident Borissow schließlich unter dem Druck der Straße zurück. Die Bewegung geht trotzdem weiter.
In halb Europa ist das politische System instabil. Das Spardiktat und die Zerschlagung des Kollektivvertragswesens - Maßnahmen, die von den Bürgerlichen als Ausweg aus der Krise dargestellt werden - zerrütten die Gesellschaft in einem Land nach dem anderen. Die Sozialdemokratie hat europaweit dieser Entwicklung nichts entgegenzusetzen. Das stellt sogar das SPD-Institut Friedrich Ebert-Stiftung so fest. Egal ob in der Regierung oder in der Opposition, sie stimmt nicht gegen die Austeritätspolitik und sie stellt die europäischen Krisenmechanismen (ESM und Fiskalpakt, die die Sparpolitik einzementieren) nicht in Frage. Der von der Sozialdemokratie geforderte „Wachstumspakt“ ist nur eine mediale Mogelpackung. Die Bewegungen, die gegen diese Politik Widerstand leisten, haben in der Sozialdemokratie keinen Bündnispartner.
Unter den Hammerschlägen der Krise ist die Arbeiterklasse aber gezwungen weiter den Weg des Klassenkampfs zu beschreiten.
Wien, 5. März 2013
Weitere Themen der neuen Ausgabe
• Aufstand der Rechtlosen - Flüchtlingsproteste in Österreich
• Wasser ist ein Menschenrecht - Gegen die Privatisierung des Wassers
• Neuer Papst, alte Probleme
• Streik bei den Ordensspitälern in Oberösterreich (inkl. einem Interview mit der Angestelltenbetriebsrätin im KH Elisabethinen)
• "Moderne Sklaverei" in der Autozulieferindustrie am Beispiel der Fa. Angell-Demmel
PRO-GE-Landeskonferenzen
• Verarmung im Sozialbereich - eine Initiative von Betriebsräten
• "Weil es nicht immer schon so war" - Ursprung der Familie und der Frauenunterdrückung
• Sexismusdebatte
• Gewalt gegen Frauen
• Das Projekt Sexpol - Das Schaffen von Wilhelm Reich
• Willi wills wissen: Reichs Weg vom Marxisten zum Esoteriker
• Die Krise der Stahlindustrie
• Arbeitskämpfe in der Stahlindustrie
• FIAT Pomigliano
• Griechenland - Klassenkampf statt Charmeoffensive
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