Unter dem Motto „Die internationale wird die Menschheit sein – 100 Jahre Kommunistische Internationale“ fand unser diesjähriges Pfingstseminar vom 7. bis 10. Juni 2019 in Oberösterreich statt. bDiesem Motto wurde das Seminar auch gerecht. Mit insgesamt 108 Gästen aus Österreich, Deutschland, der Schweiz, Tschechien, Großbritannien, Bosnien und erstmals auch Ungarn war es das größte Pfingstseminar der letzten Jahre.
Krise des Kapitalismus und die Aufgabe der MarxistInnen
In einem gemeinsamen Plenum am Samstagvormittag referierte Francesco aus London über die derzeitige Weltlage. Er beleuchtete, wie sich weltweit die Widersprüche häufen: Handelskonflikte, Massenbewegungen und die Erosion der bürgerlichen Institutionen. All dies kann vor dem Hintergrund einer kommenden Wirtschaftskrise einen explosiven Charakter annehmen. Insbesondere China ist eine tickende Zeitbombe, sowohl was die prekäre wirtschaftliche Lage des riesigen Landes betrifft, als auch die damit zusammenhängende zunehmende soziale Unruhe.
Im Sudan sehen wir derzeit eine Revolution, deren tagesaktuellen Verlauf wir auf dem Seminar mitverfolgen konnten. Während die Arabische Revolution einen neuen Aufschwung erlebt, spitzen sich die Widersprüche auch in Europa immer weiter zu. Selbst in Deutschland, der scheinbaren Insel der Stabilität, befinden sich die alten Großparteien in einer tiefen Krise während Bewegungen der Jugend zunehmen, wie Genosse Alex aus Deutschland in einem Diskussionsbeitrag darstellte.
Genosse Mirko aus Tschechien beschrieb, wie dort trotz der oberflächlich betrachtet guten Situation – Wirtschaftswachstum, niedrige Arbeitslosigkeit – die Unzufriedenheit unter der Oberfläche immer stärker wird und erst kürzlich zu einer riesigen Anti-Korruptionsdemonstration geführt hat.
Ein großer Teil der Diskussion widmete sich nach einem einführenden Beitrag von Genosse Emanuel der Situation in Österreich und der EU. Das österreichische Kapital ist mit dem Zerbrechen der Schwarz-Blauen Koalition geschwächt – eine objektiv gute Situation für die Arbeiterklasse. Doch in Österreich (wie im Rest der Welt) ist die Führung der Arbeiterbewegung in einer Krise.
Wir diskutierten, dass die MarxistInnen in dieser Situation dafür argumentieren, alle Verschlechterungen durch die Regierung Kurz-Strache wieder zurückzunehmen. Die sozialdemokratische Parlamentsfraktion und die Gewerkschaftsführung müssen in dieser Situation Farbe bekennen und die soziale Gegenoffensive in Parlament und Gesellschaft durch konkrete Initiativen einleiten. Eine andere Politik würde die Nutzlosigkeit dieser Organisationen offenlegen und damit auch einen Sieg des Bürgerblocks bei den kommenden Wahlen ermöglichen. Wir MarxistInnen stehen in dieser Auseinandersetzung für ein sozialistisches Programm, in dessen Kern die Frage der Enteignung des Kapitals steht
Die Führung der Arbeiterklasse ist in einer revolutionären Situation das entscheidende Zünglein an der Waage, das entscheidet, ob eine Revolution siegreich sein wird. Genauso wie die Kommunistische Internationale vor ihrer stalinistischen Degeneration kämpfen wir daher auch heute weltweit für die Herausbildung einer solchen Führung. Dieser historischen Notwendigkeit begegnen wir mit Optimismus und Ernsthaftigkeit.
Gute Stimmung, gute Diskussionen
Diese Haltung war am Seminar durchwegs spürbar. Es gab insgesamt 12 Workshops, bei denen angeregte und vielseitige Diskussionen stattfanden, die unser Verständnis des Marxismus vertieften und hilfreich für unsere tagtägliche politische Aktivität sind.
Sie reichten von aktuellen Ereignissen im Sudan, in Deutschland und im Kampf der KrankenpflegerInnen in Wien, über historische Lehren aus der Arbeiterbewegung (die Ungarische Räterepublik 1919, die Geschichte der Internationalen Marxistischen Tendenz (IMT), der von der Kommunistischen Internationalen organisierte Kongress der Ostvölker 1920) bis hin zu theoretischen Debatten (Marxistische Ökonomie, Marxismus und Religion, Marxismus versus Feminismus, Marx vs. Althusser) und methodischen Überlegungen (die Taktik der Einheitsfront; Planwirtschaft und Verstaatlichung).
Der große Wissensdurst und Lust darauf, marxistische Theorie ernsthaft zu studieren, spiegelten sich auch in den gesteigerten Literaturverkaufszahlen wider: Es wurden 68 Bücher und Broschüren um 681,5€ gekauft, zusätzlich zahlreiche internationale Zeitungen aus Österreich, Deutschland, der Schweiz, Tschechien und Großbritannien.
Solidarisch für den Sozialismus in unseren Lebzeiten vorbereiten
Der Ablauf des Seminars wurde durch die solidarische und aufopferungsvolle Arbeit der GenossInnen garantiert. Wie jedes Jahr kochten und putzten wir selbst. Neben den organisatorischen Aufgaben beteiligten sich die TeilnehmerInnen auch am sportlichen Freizeitprogramm und am abendlichen Grillen, Feiern und Arbeiterliedersingen mit viel Energie. All diese Aktivitäten konnten wir durch unsere Pfingstseminar- Spendensammlung und die Beiträge der TeilnehmerInnen auch dieses Jahr wieder vollständig selbst finanzieren, ohne auch nur einen Cent von Staat, Wirtschaft oder Parteiapparaten zu bekommen. Diese finanzielle Unabhängigkeit macht erst möglich, in den politischen Inhalten keine Kompromisse eingehen zu müssen.
Zusätzlich gab es den Auftakt zu unserer jährlichen Sommerspendenkampagne. Das Geld wird zur Gänze der Internationalen Marxistischen Tendenz zugutekommen, die sich zur Professionalisierung der Arbeit das Ziel gesetzt hat, eigene Büroräumlichkeiten für die Redaktion von www.marxist.com zu erwerben. Dieses Ziel möchten wir aus Österreich mit mindestens 10.000€ unterstützen. Auf dem Seminar wurde mit 673 € gesammelten Spenden der erste Anfang gemacht.
Mit frischem Enthusiasmus getankt gehen wir auf die stürmischen Zeiten zu, die der krisenhafte Kapitalismus uns bereitet. Wir sind zuversichtlich, dass wir mit dem Marxismus als Kompass und unserer Solidarität erfolgreich durch diesen Sturm steuern und die revolutionären Kräfte weltweit aufbauen werden.