Der Weltkongress der International Marxist Tendency fand heuer Ende Juli in Barcelona statt. Hier ein Bericht von der Redaktion von In Defence of Marxism.

350 Delegierte und Gäste aus 27 Ländern nahmen an dem Kongress teil und kehrten wohl mit dem Gefühl in ihre Länder zurück, dass dieses Treffen mehr war als ein der vielen linken Zusammenkünfte auf internationaler Ebene, wo es rein um einen Ideenaustausch geht. Dieser Weltkongress legte in vielerlei Hinsicht die Basis für die Verankerung des Marxismus in der internationalen ArbeiterInnenbewegung.

Der Kongress zeigte eindrucksvoll, dass unsere Strömung in der letzten Zeit in Nord- wie auch in Südamerika bedeutende Fortschritte gemacht hat. 1992 bei der Neu-Gründung der Internationale hatten wir in diesem Teil der Welt nur in Mexiko eine funktionierende Gruppe. Abgesehen vom starken Wachstum der mexikanischen Sektion, die in den Massenbewegungen der letzten beiden Jahre eine wichtige Rolle spielte, haben wir mittlerweile in einer ganzen Reihe von Ländern politische Arbeit entwickelt. Dies spiegelte sich auch auf diesem Weltkongress wider. Delegierte, Vertreter und Beobachter aus Kanada, den USA, Kuba, El Salvador, Bolivien, Venezuela, Argentinien und Brasilien waren anwesend. Aus Honduras, Guatemala und Peru konnte leider niemand persönlich kommen, diese Gruppen schickten jedoch Grußbotschaften.

Aufgrund von Visaproblemen war es leider auch heuer nicht möglich, dass GenossInnen aus Nigeria und Marokko teilnehmen konnten. Wichtige Delegationen kamen jedoch aus dem Iran und aus Pakistan. Die Versuche, dass offizielle Beobachter der PRP aus Indonesien teilnehmen kann, scheiterten leider ebenfalls daran, dass diese Genossen kein Visum erhielten.

Die meisten europäischen Länder waren vertreten, wobei das Wachstum in Osteuropa besondere Bedeutung erwähnt. So waren GenossInnen aus Russland, Polen, der Slowakei und Ex-Jugoslawien (Serbien) anwesend, die ihre Hauptaufgabe darin sehen die Traditionen des genuinen Marxismus in diesen Ländern neu zu beleben. Und das zu einer Zeit, wo die osteuropäische ArbeiterInnenklasse nach den Niederlagen der Vergangenheit wieder ihr Haupt erhebt und eine politische Alternative jenseits des Stalinismus zu suchen beginnt.

Ebenfalls vertreten waren GenossInnen aus Griechenland, Italien, Spanien, Frankreich, Britannien, Schweden, Dänemark, Belgien, Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie ein offizieller Vertreter der éirígí, einer linken Bewegung mit Wurzeln im irischen Republikanismus. Die IRSP konnte heuer leider keine Delegation entsenden.

Nicht vertreten waren leider die GenossInnen aus Indien, der Ukraine, Australien und Neuseeland.

Die Sektion, die gemessen an ihrer Stärke am wenigsten repräsentiert war, war leider jene aus Pakistan. Die Kommission zur Krise des pakistanischen Staats und der Rolle der marxistischen Strömung „The Struggle“ gehörte jedoch zweifelsohne zu den Höhepunkten des Weltkongresses.

Weltperspektiven

Der Kongress wurde mit einer Diskussion zu Weltperspektiven eröffnet. Das Referat hielt Alan Woods. Ein Bericht über diese für uns zentrale Debatte wird in den kommenden Tagen folgen. Was dabei jedoch deutlich wurde, ist, dass unsere Strömung in einer Reihe von Ländern eine zentrale Rolle zu spielen beginnt. Nicht nur in Pakistan sondern auch in Venezuela, Brasilien, Mexiko, Italien und Spanien. Der Kongress diskutierte die Lage in diesen und auch in anderen Ländern im Detail; doch die Diskussionen wurden nicht zuletzt dadurch geschärft, weil wir eben nicht länger nur vom Rande die sich entwickelnden Prozesse kommentieren sondern an vorderster Front in den jeweiligen Klassenkämpfen stehen. Es war eindeutig, dass wir überall eine ähnliche Situation vorfinden: die selben Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse und eine zunehmende Radikalisierung in der ArbeiterInnenbewegung und der Jugend. Es handelt sich nicht mehr um die eine oder andere Bewegung in ein oder zwei Ländern, vielmehr haben wir es mit einem generalisierten Prozess zu tun, der sich weltweit, wenn auch in unterschiedlicher Geschwindigkeit und Form, entwickelt.

Die Ideen und Entscheidungen des Kongresses wurden dadurch verstärkt, dass allen TeilnehmerInnen bewusst war, diese in der ArbeiterInnenbewegung in der Praxis einem Test unterzogen werden, und dass diese Ideen in letzter Instanz den Unterschied ausmachen können zwischen Sieg und Niederlage.

Unter den vielen guten Interventionen in der Diskussion über Weltperspektiven soll vor allem von Pepe aus Bolivien Erwähnung finden. In seinem Beitrag zeigte er wie nahe die bolivianischen ArbeiterInnen an der Machteroberung dran waren. „Das bolivianische Proletariat sendet der Welt eine Nachricht: wenn du eine günstige Gelegenheit vorfindest und sie nicht nutzt, dann kann es leicht sein, dass das dein ganzes Leben lang bedauern wirst.“ Es war extrem beeindruckend, wie Pepe die Entwicklungen in Bolivien und die Aktivitäten von El Militante in diesem Land schilderte. Pepe zeigte zum Schluss seiner Rede auf das große Transparent über dem Tagesvorsitz, auf dem das Bild eines indigenen Bergarbeiters aus Bolivien zu sehen war und sagte: „Bald schon werden wir Bergarbeiter wie diesen, die täglich dem Tod ins Angesicht blicken, auf unseren Kongressen haben. Sie werden uns zurufen ‚JALLALLA! [ha-ya-ya, lang lebe], JALLALLA ein soziaistisches Amerika! JALLALLA die Revolution! JALLALLA die IMT!” Diese Rede erntete donnernden Applaus.

Später bat Alan Woods um eine kurze Unterbrechung der Diskussion, um einen besonderen Gast auf dem Kongress zu begrüßen. Während der jüngsten Veranstaltungsreihe in Venezuela zur Präsentation von Alans neuem Buch „Reformismus oder Revolution“ gab es im Bundesstaat Barinas einige sehr erfolgreiche Versammlungen. Einer der Organisatoren dieser Meetings war Genosse Geovanni Peña, der auch Mitglied der Nationalversammlung ist. Genosse Peña begrüßte den Kongress und erklärte, dass “wir unser Verständnis für den Marxismus vertiefen müssen”. Außerdem betonte er, dass die Menschen in Venezuela bei den letzten Wahlen für den Sozialismus abgestimmt haben. Abgesehen von Genossen Peña sah der Weltkongress heuer die größte Delegation aus Venezuela, die jemals an einem IMT-Kongress teilnehmen konnte. Darunter waren Arbeiter aus den besetzten Betrieben, Mitglieder aus regionalen Führungsstrukturen der PSUV und Jugendliche, die die Jugendorganisation der PSUV aufbauen. Diese Delegation war Ausdruck des wachsenden Einflusses der CMR in Venezuela, das zu einem Schlüsselland der Weltrevolution geworden ist.

In den folgenden Tagen gab eine Reihe von vertiefenden Diskussionen zu ausgewählten Ländern: Pakistan, Venezuela, Italien, Spanien und Brasilien. Im Zuge der Diskussion zu Venezuela wurde auch eine Resolution zur Unterstützung der Verstaatlichung der Banco de Venezuela. In der Kommission zu Italien gab es einen Bericht über die Rolle der italienischen MarxistInnen im Kongress der Rifondazione Comunista. Innerhalb von 2 Monaten stellten die GenossInnen in rund 1500 Ortsparteikonferenzen ihr Kongressdokument vor. Auch wenn FalceMartello numerisch gesehen noch eine relativ kleine Strömung ist, so spielte sie doch eine wichtige Rolle in dem linken Bündnis, das den rechten Parteiflügel, der bisher die Mehrheit stellte, letztendlich bezwingen konnte. FalceMartello konnte in vielen neuen Regionen und Städten und vor allem unter den ArbeiterInnen in der RC dazugewinnen.

In weiterer Folge wurden auch Resolutionen zur Unterstützung der “Cuban 5” und zum Abwahlreferendum in Bolivien verabschiedet.

Der Organisations- und Finanzberichte zeigte, dass die IMT in der letzten Periode generell große Fortschritte machen konnte. Die bestehenden Sektionen sind fast durch die Bank gewachsen und konnten ihren Einfluss in der ArbeiterInnenbewegung steigern, neue Gruppen wurden gegründet bzw. haben um Aufnahme in die IMT angesucht.

Die Aufnahme der Esquerda Marxista aus Brasilien

Einer der Höhepunkte des Kongresses war sicher das Referat von Serge Goulart von der Esquerda Marxista. Die brasilianischen GenossInnen spielen eine Schlüsselrolle in der Bewegung der besetzten Betriebe ihres Landes. Sie stehen mit einer Reihe von ArbeiterInnen in Kontakt, die die Notwendigkeit erkannt haben, dass die Betriebsbesetzung die einzige Antwort auf Werkschließungen sein kann. Außerdem sind sie in der Jugendbewegung und im Movimento Negro Socialista (MNS) führend aktiv. Nach Serges Rede waren allen Anwesenden klar, dass die IMT und die Esquerda Marxista einen gemeinsamen Weg beschreiten müssen. Die Esquerda Marxista wurde daher auf diesem Kongress als offizielle Sektion der IMT aufgenommen. Diese GenossInnen werden eine zentrale Rolle beim Aufbau der IMT spielen. Diese Gruppe verfügt eine Reihe von erfahrenen Kadern und wichtigen Kontakten auch in andere lateinamerikanische Länder (Bolivien, Paraguay, Uruguay, Venezuela) und nach Afrika.

Wachstum der IMT

Die zweite Hälfte des Kongresses stand ganz im Zeichen des Wachstums der einzelnen Sektionen der IMT und die Aufnahme neuer Sektionen. Nach Brasilien war die Schweiz an der Reihe, wo sich in den letzten Jahren eine äußerst aktive Gruppe von vor allem jungen ArbeiterInnen herausgebildet hat, die über eine gute Verankerung in der Gewerkschaftsbewegung verfügen.

Mit der Iranian Revolutionary Socialist League (IRSL) hat die IMT nun auch eine Sektion im Iran. Die IMT wird diesen GenossInnen jede nur denkbare Hilfe zukommen lassen, die es braucht um die iranische ArbeiterInnenklasse gegen Repression und Unterdrückung zu verteidigen und um die Ideen des Marxismus in diesem wichtigen Land zu verbreiten.

Schlussendlich stellte noch die BPJ (Bloque Popular Juvenil) aus El Salvador den Antrag auf Aufnahme in die IMT. Diese GenossInnen sind aktiv in der FMLN und sind im Visier des Staatsapparates. Mehrere Genossen sind sogar schon „verschwunden”.

In der kommenden Periode wird das Wachstum der IMT mit größter Wahrscheinlichkeit weitergehen. Die Gruppen in Polen, Marokko und Bolivien werden in der kommenden Periode um Aufnahme als offizielle Sektionen der IMT ansuchen. Doch auch in einer Reihe von anderen Ländern zeichnen sich ähnliche Entwicklungen ab.

Rekordspende

Dieses Wachstum erfordert eine weitere personelle und finanzielle Stärkung des Internationalen Sekretariats der IMT. Fred Weston machte im Laufe der Woche einen (auch sehr humoristischen) Spendenappell, der eine Rekordsumme von 38400 Euro einbrachte. Dies spiegelt auch die extrem enthusiastische Stimmung auf dem Weltkongress wider.

Nach den abschließenden Worten von Alan Woods, in denen er die Bedeutung der marxistischen Ideen und Methoden sowie das politische Erbe von Marx, Engels, Lenin, Trotzki aber auch Rosa Luxemburg, James Connolly und auch Ted Grant betonte und darauf hinwies, dass wir angesichts der Fortschritte in der Entwicklung der IMT in einer Reihe von Ländern mit Optimismus in die Zukunft blicken können, erhob sich der Saal und alle GenossInnen sangen die Internationale in ihren Landessprachen, gefolgt von Bandiera Rossa.
Dieser Kongresse bestärkte alle in der Idee, dass es jetzt notwendig ist in den eigenen Ländern eine starke marxistische Strömung aufzubauen, um die ArbeiterInnenbewegung mit den nötigen Ideen, Methoden und Taktiken zu bewaffnen, die es für den Aufbau revolutionärer Massenparteien braucht. Dies ist eine Grundvoraussetzung, die es braucht, wenn wir den Kapitalismus ein für allemal stürzen und ein neues Kapitel in der Menschheitsgeschichte aufschlagen wollen.


[Anmerkung: Genauere Berichte über die einzelnen Diskussionen auf dem Weltkongress folgen auf In Defence of Marxism]


Fotos vom Weltkongress hier


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