Die SPÖ-Linke und Der Funke organisierten mit Unterstützung der Sozialistischen Jugend Österreich eine Diskussionsveranstaltung zum Thema Euro-Staatsschuldenkrise. Es diskutierten Wolfgang Moitzi (Vorsitzender der SJÖ), Michael Fleischhacker (Presse-Chefredakteur) und Andreas Wolf (SPÖ-Linke, Funke-Redaktion). Etwas mehr als 100 Personen fanden sich am Dienstag, dem 8. Juni 2010, im Afro-Asiatischen Institut in Wien-Alsergrund ein. Martin Zuba berichtet von einem interessanten Abend.
Die Diskussion drehte sich um die brennenden Fragen der Weltwirtschaftskrise. Wo kommt sie her und wie kann sie gelöst werden? Die Einladung von Michael Fleischhacker schien uns aus dem Grund interessant, dass er einer der wenigen Vertreter des Kapitals ist der auch sehr offen und ehrlich den Standpunkt seiner Klasse vertritt. Er betonte, dass die Krise Ausdruck vieler schon zuvor vorhandener Strukturprobleme sei, weshalb sie auch nicht mit den bisher verwendeten Werkzeugen gelöst werden könne. Für Wolfgang Moitzi lag die Ursache der Krise in der ungleichen Verteilung von Einkommen und Vermögen, die besonders seit der Liberalisierung der Finanzmärkte stark zugenommen hat. Andreas Wolf warnte davor, die Ursachen der Krise zu oberflächlich zu sehen und stellte den neoliberalen, den keynesianistischen und den marxistischen Erklärungsansatz gegenüber. Die Situation sei durch eine Konfusion der Eliten Europas gekennzeichnet, die keinen Generalplan haben, wie mit dieser systemimmanenten Krise umgegangen werden kann. Vielmehr wird alles getan, um Vertrauen und Wohlwollen der Investoren zu gewinnen, ohne durch dieses „Herumdoktoren“ Probleme lösen zu können.
In diesem Zusammenhang musste auch Michael Fleischhacker einräumen, dass sich die Vorstellung der Stabilisierung der Weltwirtschaft durch Finanzmarktmechanismen wie Kreditrisikoverteilung als Illusion entpuppt hat und der Kapitalismus vielmehr durch immer wiederkehrende „Bubbles and Bursts“ geprägt ist. Ebenso sprach er sich gegen die bedingungslose Übernahme von Risiko und Spekulationsverlusten durch den Staat aus. Zinsen sind Risikoprämien, deshalb entspräche es nicht dem Kapitalismus, den Investoren dieses Risiko abzunehmen. Ob sich Die Presse für zinslose Staatsanleihen einsetzen wird, bleibt allerdings abzuwarten.
Wolfgang Moitzi forderte eine breite Gerechtigkeitsdebatte, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durch die Einführung der 35-Stunden-Woche, Erhalt des Sozialstaats und Budgetkonsolidierung nicht so wie in Deutschland oder Griechenland auf Kosten der ArbeiterInnen, sondern mit höheren Steuern auf Vermögen. Zur Lösung der Krise sei die Binnennachfrage zu stärken, wie es zum Beispiel in Frankreich in den letzten Jahren im Gegensatz zu einem exportorientierten Kurs in Deutschland umgesetzt worden sei. Dieser Zugang übersieht jedoch, dass die „geringere Konkurrenzfähigkeit“ Frankreichs (weniger Exporte in bürgerlicher Diktion) sich eher als Problem für die französische Wirtschaft herausgestellt hat statt als Segen.
Die Publikumsdiskussion drehte sich hauptsächlich um die Frage, welche Auswirkungen die Krise in Zukunft noch haben wird. In mehreren Wortbeiträgen wurde darauf hingewiesen, dass die Weltwirtschaftskrise noch lange nicht vorbei ist und sich noch auf die verschiedenste Art und Weise zeigen wird: In sozialen Konflikten, in einer Glaubwürdigkeitskrise vor allem der Sozialdemokratie und in einem Kampf um den Erhalt des Sozialsystems. Diese Ansicht wurde vom Podium durchaus geteilt. „Die Eigentumsfrage wird gestellt werden,“ sah auch Michael Fleischhacker, der hoffte, dass die grundsätzliche Entscheidung über die Zukunft des Kapitalismus demokratisch und nicht mit Waffengewalt entschieden wird. Wolfgang Moitzi beschrieb die Aufgaben der SJ in dieser Situation als Fokussierungspunkt der Proteste. „Die SJ weiß, wo sie zu stehen hat, und ist nicht nur die Parteijugend,“ betonte er.
Andreas Wolf forderte zur Krisenbewältigung die Verstaatlichung der Produktionsmittel unter Kontrolle der Beschäftigten, sodass die Gesellschaft in der Lage ist, vernünftig und demokratisch mit ihrem Vermögen umzugehen, anstatt die Launen des Finanzmarkts fürchten – und darunter leiden – zu müssen.
Die Diskussion hat gezeigt, dass der Reformismus weder in der Analyse der Probleme noch in der Herausarbeitung von Strategien zu deren Überwindung keine wirklichen Antworten zu bieten hat. Weiters wurde klar, dass die ernsthaften Vertreter des Bürgertums dieselben Schlussfolgerungen über die Ursachen der kapitalistischen Krise ziehen: Diese seien nämlich in den immanenten Widersprüchen des Systems zu suchen. Doch während Fleischhacker gerade aufgrund dieser Widersprüche den Kapitalismus verteidigt, wollen wir ihn überwinden und durch eine Gesellschaft ersetzen, in der die Produktionsprozesse demokratisch und vernünftig von einer Mehrheit geplant und kontrolliert werden. Und gerade um diesen zentralen Kampf der verschiedenen Kräfte – also den Klassenkampf – werden sich die kommenden Auseinandersetzungen drehen. Einen Mittelweg gibt es nicht.
Fotogalerie:
Vielen Dank an Gerald Hauschield für die Fotos.