Amerkanischer Bürgerkrieg.  Vor 150 Jahren feierte man den Sieg der Union und das Ende der Sklaverei. Martin Gutlederer beleuchtet den Verlauf des amerikanischen Bürgerkriegs (1861-1865), seine Hintergründe und sein revolutionäres Wesen.

Die bürgerliche Geschichtsschreibung kennt zwei große Erzählungen des US-amerikanischen Bürgerkriegs: Einerseits eine liberale Erzählung, die meint, er wäre ein bewusster Akt Lincolns zur Abschaffung der Sklaverei gewesen und andererseits eine konservative, die behauptet, er sei ein Abwehrkampf der Südstaaten gegen Zentralismus gewesen. Beide Zugänge beschreiben nur Teilaspekte, da die Ursachen des Bürgerkriegs viel tiefer gehen als Meinungsverschiedenheiten zwischen den Herrschenden. Die Wurzeln dieses Krieges waren in den Widersprüchen der Produktionsbedingungen des Nordens und des Südens angelegt und konnten nur durch einen Krieg gelöst werden, in dem sich eine Kriegspartei und Produktionsform gegenüber einer anderen gesellschaftlichen Formation vernichtend durchsetzen musste.

Widersprüche der Produktionsweisen

Während im Norden ein junger aufstrebender Kapitalismus vorherrschte und daher gar kein Bedarf an der Aufrechterhaltung der Sklaverei bestand, musste der Süden die Sklaverei sogar ausdehnen, um dieser Produktionsweise das Leben zu verlängern. Dies gelang den Sklavenhaltern des Südens, da sie über den Senat und den Präsidenten mit der Partei der Demokraten lange Zeit die Politik der Union bestimmten. So war von den Gründern der USA ein bestimmtes Gebiet festgelegt, auf dem die Sklaverei erlaubt sei. Diese ursprüngliche Festlegung wurde immer wieder aufgeweicht: Einerseits durch Sondergesetze wie z.B. bei der Aufnahme von Missouri als Sklavenstaat, andererseits durch die Aufhebung jeglicher geographischen Beschränkung und die Abhaltung von Volksabstimmungen über den Status eines Staates als Sklaven-Staat oder „free state“. Dies nützte der Süden, um mit Söldner- und Abenteurer-Banden Volksabstimmungsergebnisse zu erzwingen. Darüber hinaus kontrollierte die Klasse der Sklavenhalter den Obersten Gerichtshof und erreichte über diesen einen Beschluss, der die Sklaverei de facto auf die gesamte Union ausdehnte. In der Außenpolitik gab es seitens der Demokraten konkrete Pläne ,durch den Erwerb oder die Eroberung Kubas das Sklaverei-Territorium auszuweiten oder abermals in Mexiko einzufallen. Die Partei der Republikaner dagegen entstand im Abwehrkampf von weißen Siedlern in Kansas gegen die marodierenden Banden der Sklavenhalter. Sie traten zu Wahlen mit dem Programm an, die Sklaverei einzugrenzen sowie die Ansiedlung von freien Siedlern durch die Vergabe von Land zu fördern.

Der überraschende Sieg des Republikaners Lincolns in den Präsidentschaftswahlen von 1860 war nur durch die Spaltung der Demokraten möglich. Der radikale Süd-Flügel wollte auch den freien Nordstaaten die Sklaverei aufzwingen und der gemäßigtere Nord-Flügel der Demokraten befürwortete das Prinzip der Volksabstimmungen über die Sklaverei in neubeitretende Unionsstaaten. Diese Spaltung ermöglichte Lincoln den Sieg.

Die territoriale Ausweitung der Sklaverei ist dieser Produktionsweise immanent, wie Marx erklärt: „Die durch Sklaven betriebene Kultur der südlichen Ausfuhrartikel, Baumwolle, Tabak, Zucker usw. ist nur ergiebig, solange sie mit großen Gängen von Sklaven, auf massenhafter Stufenleiter und auf weiten Flächen eines natürlich fruchtbaren Bodens, der nur einfache Arbeit erheischt, ausgeführt wird. Intensive Kultur, die weniger von der Fruchtbarkeit des Bodens als von Kapitalsanlagen, Intelligenz und Energie der Arbeit abhängt, widerspricht dem Wesen der Sklaverei. Daher die rasche Verwandlung von Staaten wie Maryland und Virginia, die früher Sklaven zur Produktion von Exportartikeln verwendeten, in Staaten, die Sklaven züchten, um sie dann selbst in die weiter gelegenen südlichen Länder zu exportieren. […] Sobald dieser Punkt eintritt, wird der Erwerb neuer Territorien nötig, damit ein Teil der Sklavenhalter mit den Sklaven neue fruchtbare Ländereien besetze, und damit dem zurückgebliebenen Teil ein neuer Markt für die Sklavenzucht, also für den Verkauf von Sklaven, geschaffen werde.“ (MEW 15, S. 335f)

Den Sklavenhaltern war klar, dass jeder Tag mit Lincoln als Präsidenten ihre Ausgangslage weiter verschlechtern würde und entschieden sich daher für die Offensive. Die Südstaaten erklärten der Reihe nach ihren Austritt aus den USA und den Nordstaaten den Krieg, um ihre überholte Produktionsweise zu verteidigen. Das größere Bevölkerungswachstum und eine stärkere Wirtschaft des Nordens konnte nur durch eine zielstrebige militärische Offensive und durch diplomatische Manöver mit Europa ausgeglichen werden. Und ein Teil ihres Planes ging auch auf: Die europäische Bourgeoisie bekannte sich materiell und propagandistisch klar zu den Südstaaten. Marx und Engels erklärten dieser Politik ihren Kampf und waren feurige Unterstützer des Nordens. So beglückwünschte die Erste Internationale im Jahr 1864 aus der Feder von Karl Marx auch Lincoln zu seiner Wiederwahl. Auch die englischen Gewerkschaften und ArbeiterInnen übten mit dem Kampf des Nordens praktische Solidarität. Dies trotz des Umstandes einer von Kriegsmaßnahmen der Union mitausgelöste Baumwollkrise, die schwer auf den Lebensbedingungen den britischen Textilarbeiterinnen lastete. Man konnte hier eine Arbeiterbewegung sehen, die sich weder auf Standortlogik noch nationalen Schulterschluss eingelassen hatte und gerade deswegen stark war und ihre Interessen durchsetzen konnte.

Dynamik des Krieges

Doch die Südstaaten waren trotz ihrer anfänglichen Erfolge nicht in der Lage, den Norden in die Knie zu zwingen. Lincoln, der anfänglich zauderhaft agierte und die Institution der Sklaverei nicht angreifen wollte, wurde durch die Prozesse des Krieges und den Druck der nördlichsten Staaten immer mehr Richtung revolutionärer Maßnahmen getrieben. Darüber hinaus schien es für einen Sieg im Krieg immer notwendiger die afroamerikanische Bevölkerung in den unionstreuen Sklavenstaaten und im Süden zu befreien. Marx erkannte bereits im Spätsommer des Jahres 1862 einen Wendepunkt im Krieg: „Wir haben bisher nur dem ersten Akt des Bürgerkrieges beigewohnt, der konstitutionellen Kriegsführung. Der zweite Akt, die revolutionäre Kriegsführung, steht bevor.“ Und tatsächlich proklamierte der Norden im September 1862 erstmals die Emanzipation der SklavInnen. Der Krieg war also in der Tat ein revolutionärer Prozess, der die Befreiung der SklavInnen in den Vereinigten Staaten nicht nur ermöglichte, sondern sogar erforderte.

Am besten lässt sich diese Dynamik anhand des Umgangs mit afroamerikanischen Soldaten darstellen: Während der ersten Phase des Krieges wurde kategorisch die Aufnahme von afroamerikanischen Freiwilligen in die Armee abgelehnt und verhindert. Lokale Behörden lösten Versammlungen afroamerikanischer Freiwilliger auch auf. Erst im Verlauf des Krieges und der Bedarf an mehr Soldaten zwangen Lincoln dazu, seine Angst, die Sklavenstaaten der Union zu verärgern, abzulegen und afroamerikanische Freiwillige einzuberufen. Am Ende des Krieges war bereits jeder achte Soldat der Unionstruppen afroamerikanischer Herkunft. Damit verschob sich auch die soziale Basis der Regierung von Lincoln und der Republikaner. So regierte Lincoln anfangs gemeinsam mit den Demokraten des Nordens. Durch die Notwendigkeit des Krieges und seiner sozialen Dynamik war Lincoln gezwungen, sich immer mehr auf seine eigene Parteibasis und die afroamerikanische Bevölkerung im Norden wie auch im Süden zu stützen. Damit wandte er sich von den Sklavenhaltern der Union immer weiter ab. Dadurch wurde eine vorsichtige und konservative von einer revolutionären Kriegsführung abgelöst, die nicht mehr davor zurückschreckte, auch das Privateigentum der unionstreuen Sklavenhalter bewusst anzugreifen.

Die Befreiung versklavter Frauen

Besonders eindrucksvoll zeigte sich dies hinsichtlich der Befreiung versklavter Frauen während des Krieges gegen den Süden. Mit dem „Enlistment Act“ wurden alle Frauen und Kinder schwarzer Soldaten für frei erklärt, obwohl SklavInnen vor dem Gesetz als Ware gar keine Ehe oder ein Familienleben haben konnten. Notwendig wurde dieses Gesetz durch die Weigerung vieler von den Plantagen geflüchteter afroamerikanischer Männer, zu kämpfen solange ihre Familie unter der Knute der Sklaverei litt. Auch viele Sklavinnen wandten sich mit Briefen direkt an die Unionsregierung und forderten ihre Befreiung aktiv ein. Während sich bisherige Gesetze zur Befreiung nur auf „illoyale Sklavenhalter“ sowie afroamerikanische Soldaten selbst bezogen, wurde mit diesem Gesetz die Institution der Sklaverei als Ganzes angegriffen. Ermöglicht wurde dies durch ein Wechselspiel der in Gang gesetzten sozialen Dynamik: Einerseits durch das aktive Eingreifen der versklavten AfroamerikanerInnen als subjektiver Faktor in die Geschichte, andererseits durch die von den objektiven Bedingungen diktierte Politik der Regierung der Nordstaaten, deren soziale Basis sich verschoben hatte. Dieses Wechselspiel bestimmte den sozialen Inhalt der Kriegsführung entscheidend mit.

Was vom Krieg blieb

Kurz nach Ende des Krieges begann mit dem 13ten Verfassungszusatz die Sklaverei die Phase der Rekonstruktion, die den revolutionären Prozess der durch den Krieg begonnen hatte zu einem Abschluss bringen wollte. Mit folgenden Worten wurde die Sklaverei in den gesamten USA verboten: „Weder Sklaverei noch Zwangsdienstbarkeit darf, außer als Strafe für ein Verbrechen, dessen die betreffende Person in einem ordentlichen Verfahren für schuldig befunden worden ist, in den Vereinigten Staaten oder in irgendeinem Gebiet unter ihrer Gesetzeshoheit bestehen. Der Kongress hat das Recht, diesen Zusatzartikel durch entsprechende Gesetze zur Durchführung zu bringen.“ Abseits dem Willen der verschiedenen Akteure in den Nordstaaten hatte so der amerikanische Bürgerkrieg eine Dynamik ausgelöst, die durch materielle Notwendigkeiten bedingt die Sklaverei beendet hat und eine soziale Revolution verursachte, die die Gesellschaft der Vereinigten Staaten bis an ihre Wurzel veränderte. Die Erinnerung an den amerikanischen Bürgerkrieg und seine unglaublich befreiende und emanzipierende Wirkung kann uns abseits aller späteren Niederlagen weiterhin als Leuchtfeuer der Hoffnung und Inspiration dienen, wenn wir selbst voranschreiten um die Lohnsklaverei und damit die letzte Form der ökonomischen Unterdrückung zu beenden.


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