Auf Social Media machen immer mehr Influencerinnen und Influencer mit Hashtags wie #selflove auf sich aufmerksam. Sie individualisieren Probleme und passen damit perfekt in die kleinbürgerliche egoistische Ideologie. Von Alma Lieckfeld, Funke Deutschland.
Da immer mehr Menschen mit Social Media Accounts ausgestattet sind, werden wir auch auf diesen Plattformen immer mehr mit liberaler Ideologie bombardiert, die uns einredet, dass wir alle Individuen sind und die komplette Kontrolle und Verantwortung über unsere Gesundheit und unser Glück haben. Ein bisschen mehr Antikapitalismus und strukturelle Zusammenhänge und weniger #melationship würde den Influencern auf Instagram & Co guttun.
Die meisten Menschen leiden unter Leistungsdruck in der Schule oder Uni, unter zu wenig Geld für erholsame Aktionen und vor allem unter zu viel Arbeit. Der dauerhafte Stress nicht zu wissen, ob man in einigen Monaten noch einen Job oder eine bezahlbare Wohnung haben wird, nagt an vielen von uns. Alles Probleme, die der kapitalistischen Produktionsweise entspringen und gelöst werden, wenn diese abgeschafft wird. Jedoch wird uns mit #selflove suggeriert, dass systemische Probleme mit individuellen Änderungen des Lebensstils gelöst werden könnten und müssten. Eine utopische Fantasie.
Auf sich selbst zu achten ist wichtig und das lehnen Marxistinnen und Marxisten nicht ab. Jedoch hängen psychische Gesundheit und fehlendes Selbstbewusstsein eng mit dem Kapitalismus zusammen. So wird uns auch von Influencern die ganze Zeit durch überflüssige Kosmetikprodukte und unerreichbare Schönheitsideale vermittelt, dass wir nicht gut genug seien. Das fehlende Erreichen der versprochenen Verbesserung durch Konsum führt dabei häufig zu einem noch größeren Gefühl des persönlichen Versagens.
Die Ideologie, dass wir Produkte kaufen müssen, um glücklich zu werden, dient, wie so ziemlich alles im Kapitalismus, der Profiterzeugung. Dabei spielen Influencer eine wichtige Rolle. So werden tausenden Abonnenten Bilder vorgesetzt, die nebenbei ein beliebiges, meist sehr teures, Kosmetikprodukt vermarkten. Beworben wird das Ganze dann mit Hashtags wie #careforyourself oder #treatyourselfwithkindness. Häufig wird dazu noch eine persönliche Geschichte erzählt, wie genau diese Creme jetzt dazu beigetragen habe, dass es einem wirklich besser gehe und zack, springt der Profitmotor an. Die Influencerin und das werbende Unternehmen haben ihr Geld verdient.
Mit zunehmender Selbstpflegekultur steigen auch die Einnahmen durch die Selbsthilfeindustrie. National Public Radio berichtet, dass Millennials doppelt so viel Geld wie die vorherige Generation für Produkte der Selbstpflege ausgeben. Es entscheiden sich also immer mehr junge Menschen dafür, ihr begrenztes Einkommen für Selbstpflege(-produkte) auszugeben. Für uns ist das eine erschreckende Entwicklung in Bezug auf unsere psychische und physische Gesundheit und ein Zeichen für die große Unzufriedenheit in der kapitalistischen Gesellschaft.
Dem kann nur eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft etwas entgegenstellen, also eine sozialistische Revolution. Indem wir die Banken und Konzerne verstaatlichen und unter Arbeiterkontrolle planmäßig zum Einsatz bringen, können wir kollektiv Kontrolle über die gesellschaftliche Entwicklung und persönliche Kontrolle über unser eigenes Leben gewinnen. Wenn die Arbeiterklasse in der Wirtschaft und Politik das Sagen hat, dann können wir demokratisch entscheiden, was wir machen und wofür. Die erste Aufgabe wäre eine starke Arbeitszeitverkürzung, damit sich alle in das gesellschaftliche Leben einmischen können. Durch die gewonnene Freizeit im Sozialismus kümmern wir uns automatisch mehr um uns selbst. Wir können mehr lesen, mehr Sport betreiben, mehr mit Freundinnen und Freunden unternehmen oder abends mit unserer Familie gut gelaunt zusammen etwas kochen. Vor allem wird im Sozialismus aus Selbstpflege immer mehr Gemeinschaftspflege werden, da wir nicht mehr um Arbeitsplätze konkurrieren müssen und generell nicht die ganze Zeit auf uns allein gestellt sind, sondern Zeit und Geld in gemeinschaftliche Projekte investieren können. Wir werden auch nicht mehr besser als die anderen in Schule und Uni sein müssen, sondern mit- und voneinander lernen.
Wenn es einem finanziell gut geht, man Zeit für Freunde, Familie und sich selbst hat und nicht die ganze Zeit von Werbung eingeredet bekommt, man müsse sich zum Glücklichsein noch etwas kaufen, dann können wir eine wirklich gesunde Gesellschaft aufbauen. Social Media dient weiterhin als Quelle für Ideen und zum Vernetzen, auch oder vielleicht gerade ohne werbende Influencer.