Diese Resolution zur Lehrlingsarbeit bringt die SJ Vorarlberg am Verbandstag der SJÖ am 4./5.12. ein.

"Working class heroes“

Unsere Organisation entstand einst als Kampforganisation von Lehrlingen und jungen Arbeitern. Auch im 21. Jahrhundert verstehen wir uns als Sprachrohr und Kampfinstrument jugendlicher Lohnabhängiger. Die Verankerung unter Lehrlingen, jungen ArbeiterInnen und jungen Arbeitslosen gehört zu unseren wichtigsten Aufgaben.

1. Die Situation am Arbeits- und Ausbildungsmarkt

Eine wachsende Zahl an Jugendlichen hat größte Schwierigkeiten überhaupt einen Ausbildungsplatz (geschweige denn einen Wunschausbildungsplatz!) zu bekommen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist eines der brennendsten Probleme, von dem jeden Herbst zehntausende Jugendliche neu betroffen sind.

Konkret stellt sich die Situation im Herbst 2010 so dar, dass von 40.000 abgeschlossenen neuen Lehrverträgen 13.800 in vom AMS geförderten nicht-betrieblichen Lehrwerkstätten abgeschlossen wurden. Die sogenannte „Ausbildungsgarantie“ der Bundesregierung hat auch dazu geführt, dass tausende Jugendliche in die Warteschlange geschickt werden, etwa das Poly zwei oder sogar drei Jahre lang absolvieren und quasi im betreuten Wartezimmer auf einen Ausbildungsplatz hoffen. Eine unbekannte Anzahl an Jugendlichen verbringt monatelang vor Antritt eines Ausbildungsplatzes die Zeit zu Hause.
In einer repräsentativen Umfrage der GPA-djp-Jugend unter den 19.000 Handelslehrlingen wird klar, dass es die freie Berufswahl für Lehrlinge quasi nicht gibt: 54 % der Befragten geben an, dass „sie Schwierigkeiten hatten eine Lehrstelle zu finden“ und ebenfalls 54 % der Lehrlinge geben an, dass ihr aktueller Lehrberuf nicht ihre Wunschlehrberuf ist.

Noch immer ist es so, dass junge Frauen einem enormen Druck ausgesetzt sind „irgendeinen“ Lehrplatz in den „typisch weiblichen Lehrberufen“ anzunehmen.
Eine sozialistische Lehrlingskampagne muss hier ansetzen und jenen tausenden KollegInnen, die nicht einmal einen Zeh in den Arbeitsmarkt bekommen, eine politische Perspektive anbieten. Der „Ausbildungsgarantie“ der Bundesregierung stellen wir das Recht auf einen Wunschausbildungsplatz gegenüber.

Die SJÖ fordert:
• das Recht auf eine Wunschausbildung
• den Ausbau von überbetrieblichen, von der Wirtschaft finanzierten Lehrwerkstätten, die allen Jugendlichen eine Lehrausbildung nach ihren Wunschvorstellungen ermöglicht
• Gesamtschule für alle bis 18
• den Lehrabschluss mit Matura, Matura mit Lehrabschluss: die Trennung von Handarbeit und Kopfarbeit kann und muss durchbrochen werden.

2. Finanzierung der Lehrausbildung

Jährlich werden Unternehmen vom AMS mit etwa 180 Mio. € dafür subventioniert, dass sie Lehrlinge ausbilden. Förderungen des Bundes und der Länder für überbetriebliche und betriebliche Lehrausbildung betragen weitere 300-400 Mio. € jährlich. Damit werden der österreichischen Wirtschaft ein Drittel der Ausbildungskosten aus der Arbeitslosenversicherung und den Budgets der öffentlichen Hand ersetzt. Man kann davon ausgehen, dass der Restbetrag von den Lehrlingen selbst erarbeitet wird. Die österreichische Wirtschaft hat sich finanziell also aus der Lehrausbildung verabschiedet.

Die SJÖ fordert daher:
• die Finanzierung überbetrieblicher Lehrwerkstätten durch eine Zwangsabgabe auf nicht ausbildende Betriebe.
• keine Mittel aus der Arbeitslosenversicherung für das Erlernen der ersten Ausbildung
• Veröffentlichung aller Förderungen (EU, Bund, Länder, Gemeinden) an Lehrbetriebe
• Förderungen und Leistungsprämien müssen an die Lehrlinge selbst und nicht an die Lehrbetriebe ausbezahlt werden („Operation Praxistest“).
• eine volle Übernahme aller Ausbildungskosten (Internate, Fahrkosten, Lehrmaterial, Arbeitskleidung, Lernunterlagen,..) durch die Unternehmen.
• eine Lehrlingsentschädigung, die ein eigenständiges Leben ermöglicht (1000 Euro Lehrentschädigung ab dem ersten Lehrjahr)
• für einen Mindestlohn von 1500 Euro monatlich und das Recht auf Vollzeit.

3. Demokratie und Freiraum erkämpfen!

Politisch bewusste Lehrlinge leiden unter Meinungskontrolle und Willkür in Betrieb, Werkstätte und Berufsschule. In der bereits zitierten Umfrage der GPA-djp, erklären 42 Prozent, dass sie Angst haben ihr Lehrstelle zu verlieren, über ein Drittel berichtet davon, dass im Fall der Inanspruchnahme von Krankenständen der Chef Probleme macht, ein Drittel muss angeordnete Überstunden leisten.

Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass die Chefs nicht selten Ansprüche an „ihre Lehrlinge“ stellen, die weit über das Lehrverhältnis hinausgehen. Lehrlinge werden wegen ihrer Fortgehgewohnheiten oder ihrer politischen Meinungen unter Druck gesetzt. Mädchen und junge Frauen sind nicht selten sexistischen Übergriffen ausgesetzt.

Die Anlehnung der Arbeitszeiten an den Branchen-KV der erwachsenen KollegInnen, anstatt an die Ferienzeiten der gleichaltrigen SchülerInnen stiehlt wertvolle Freizeit und trägt zur Spaltung von Lehrlingen und SchülerInnen bei. Noch vielmehr gilt dies für Wochenendarbeit, die für Lehrlinge im Dienstleitungsbereich (Handel, persönliche Dienstleistungen, Gastgewerbe) aber auch im Produktionsgewerbe (z.B. Bäckereien) unsere Freizeit stark einschränken.

Auch wenn Lehrlinge die Lehrlingsschutzbestimmungen kennen, so kann man sie meist nicht durchsetzen. Der Lehrstellenmarkt ist so eng, dass es nicht viel Spielraum auf individuelle Durchsetzung kollektivvertraglicher und gesetzlicher Rechte gibt.

Daher müssen sich junge SozialistInnen auch über die Demokratie an den von uns geforderten Lehrwerkstätten Gedanken machen.
Die SJÖ fordert daher:
• Die Lehrausbildung in den Werkstätten steht unter Kontrolle einer Kommission, die je zu einem Drittel aus Lehrlingen, GewerkschaftsvertreterInnen und Lehrpersonal zusammengesetzt ist.
• Die spezifischen wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Bedürfnisse der Lehrlinge werden vom demokratisch gewählten Jugendvertrauensrat artikuliert und organisiert. In den Lehrwerkstätten herrscht absolute Meinungsfreiheit und das Recht sich gewerkschaftlich und politisch zu organisieren.
• Urlaubsanspruch entsprechend den Ferienregelungen bei den SchülerInnen.
• Keine Wochenendarbeit für Lehrlinge.

Wen wollen wir mit unserer Lehrlingsarbeit erreichen? Wie wollen wir unsere Rechte durchsetzen?

Die Sozialistische Jugend wendet sich in ihrer politischen Arbeit an linke Jugendliche. Was an den Schulen selbstverständlich ist, muss auch für Berufsschulen, Betriebe, Lehrwerkstätten und Polys gelten.

Für uns „Working class heroes“ ist es klar, dass wir gut sind, und noch bessere FacharbeiterInnen werden wollen. Wir sind aber auch Menschen! Wir wollen Zeit, Rechte, Planbarkeit, anständige Entlohnung, Respekt. Wir wollen eine Perspektive, die über das Elend des kapitalistischen Marktes hinausgeht.

Wir Lehrlinge in der SJ sind in erster Linie KämpferInnen für den Sozialismus.
• Egal ob wir in einem Betrieb schon aktiv sind oder vor dem Betrieb stehen, um neue Lehrlinge anzusprechen: unser Ziel ist es eine starke Organisation aufzubauen. Wir versuchen andere KollegInnen von unserer politischen Perspektive zu überzeugen und so in der SJ zu organisieren.
• Wir wenden uns auch an jene KollegInnen, die einerseits in der Warteschleife sind und Lösungen für ihr Schicksal als Lehrstellensuchende suchen. D.h. wir gehen vor die Polys und AMS-finanzierten Werkstätten, mobilisieren hier für unsere Rechte, insbesondere für das Recht auf einen Wunschausbildungsplatz und für menschliche Behandlung an der Schule. Wenn wir hier organisiert sind, strömt jedes Jahr eine neue Generation SJlerInnen in die Betriebe und Werkstätten.
• Wir lehnen jeden sektiererischen Umgang mit der Gewerkschaftsjugend ab, sondern im Gegenteil, wir versuchen eng mit dieser zusammenzuarbeiten, und wenn das aus nicht nachvollziehbaren aber historisch gewachsenem Konkurrenzdenken zwischen unseren Organisationen von der anderen Seite nicht gewollt ist, dann drängen wir uns auf. Denn die Gewerkschaft ist die breiteste Organisation unserer Klasse, und die muss organisatorisch und politisch gestärkt werden.
• Wenn wir in einem Betrieb einen politisch gefestigten Kern haben, wird es Zeit, dass wir die anderen KollegInnen für die Gewerkschaft organisieren. Wir gehen zu unserer Fachgewerkschaft und bitten um die Unterstützung einen JVR oder gar BR im Betrieb zu installieren: So schaffen wir bessere Arbeitsbedingungen, schauen, dass die Arbeitsgesetzte eingehalten werden, erleichtern die Arbeit etc.
• Der Verbandstag der Sozialistischen Jugend Österreich beschließt die Einrichtung einer Kommission für alle interessierten GenossInnen, die an der Organisierung von Lehrlingen, jungen Arbeitslosen, PolyschülerInnen und jungen ArbeiterInnen und der Weiterentwicklung der bestehenden Lehrlingskampagne auf Basis klassenkämpferischer und sozialistischer Programmatik und Methoden mitwirken wollen. Diese Kommission soll das erste Mal im Februar 2011 zusammentreten.


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