Der Kern des kapitalistischen Systems ist der Ankauf fremder Arbeitskraft. Arbeiter und Arbeiterinnen produzierten Waren mit den Produktionsmitteln des Unternehmers.

Dieser Artikel erschien als Ergänzung zu "Zehn Jahre Lehman-Brothers-Pleite - Für eine demokratische Planwirtschaft"

Die erzeugten Waren sind im Eigentum des Unternehmers und erzielen nach ihrem Verkauf mehr Erlös, als der Lohn des Arbeiters ausmacht. Marx fasste diesen Prozess im Schema G(eld) → W(are) → G(eld)’ (aus Sicht des Industriekapitalisten) zusammen.

Um Profit zu machen muss G’ größer sein als G. Das ist möglich, weil die Lohnkosten (also der Preis der Ware Arbeitskraft) in der Regel niedriger sind als der Wert der erzeugten Waren. Mit anderen Worten, der Unternehmer hat von der Arbeitsleistung einer Mitarbeiterin in der Regel mehr, als er für sie ausgibt. Dies ist aber nicht garantiert. Es kann nämlich sein, dass mehr Waren am Markt angeboten als nachgefragt werden, und die bereits produzierten Waren zu einem Preis unter den Produktionskosten verkauft werden müssen, um einen Abnehmer zu finden. Die marxistische Ökonomie spricht hier von einer Überproduktionskrise, der typischen Krisenform im Kapitalismus.

Doch betrachten wir nun die Ausgangsgröße G. Die allermeisten Unternehmen verlassen sich in der Produktion auf Kapital, das nicht dem Unternehmer selbst sondern als Fremdkapital mittels Banken oder dem Aktienmarkt anderen Kapitalisten gehört. Aus Sicht dieser Kapitaleigner, die nicht direkt in den Produktionsprozess eingebunden sind, stellt sich der Prozess so dar, dass aus Geld „von alleine“ mehr Geld wird (G → G’), beispielsweise indem sie Zinsen oder Dividenden lukrieren, oder der Wert ihrer Unternehmensanteile steigt. All das ist aber nur möglich, weil und wenn Betriebe in der Realwirtschaft das geliehene Kapital nutzen, um es in Form von produzierten Waren zu vermehren. Dies geschieht mittels des oben beschriebenen Prozesses G → W → G’.

In diesem Fall teilen sich der Industriekapitalist und der Finanzkapitalist den Mehrwert, also die Differenz zwischen G’ und G.

Neben diesem Prozess gibt es das Finanzgeschäft der Verschuldung von Privatpersonen, das eine relativ kleine Marktlücke ist, und die Spekulation, die immer nur für Teile der Marktteilnehmer auf Kosten der anderen gewinnbringend ist. Die wesentlichste Tätigkeit der Finanzindustrie stellt aber das Verleihen von Geld in Form von Investitionen mit Profitabsicht dar.

Aus diesem Grund ist die Finanzwirtschaft an die Realwirtschaft geknüpft. Bei schlechter Lage der Realwirtschaft sind auf den Finanzmärkten auch mit noch so gutem Geschick kaum große Gewinne zu erzielen. Der Finanzmarkt verhält sich wie ein Hund an der Leine der Realwirtschaft: Er kann dieser vorauseilen, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Eine Krise der Realwirtschaft, der eine Überproduktion in allen wesentlichen Industriezweigen zugrunde liegt, kann sich beispielsweise zuerst in einem Einbruch an der Börse abzeichnen, was 2008 geschehen ist. Die Weltwirtschaftskrise ab 2008 wurde aus diesem Grund von vielen Kommentatoren fälschlicherweise als Finanzkrise bezeichnet. Hinweise darauf, dass in sehr vielen Branchen wesentlich größere Kapazitäten und Warenbestände vorhanden sind, als absetzbar sind, gab es schon zuvor.

Aus diesem Grund scheint die Frage nach der Stabilität des Finanzsystems auch falsch gestellt: Das Finanzsystem ist bestenfalls so stabil wie das realwirtschaftliche Fundament.

(Martin Zuba)

(Funke Nr. 168 / November 2018)


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