Trotz Wirtschaftskrise kommt jetzt die Mindestsicherung in Österreich. Doch handelt es sich dabei wirklich um das von der SPÖ gepriesene Jahrhundertprojekt der Sozialpolitik? Wir veröffentlichen hier einen kurzen Kommentar der Funke-Redaktion.
Bereits vor der Krise galten etwa eine Million in Österreich lebende Menschen als arm oder armutsgefährdet. Der Wirtschaftseinbruch hat diese Zahl noch einmal kräftig ansteigen lassen. Nicht nur Arbeitslose und Teilzeitkräfte, sondern auch schlecht bezahlte Vollzeitbeschäftigte können sich aus eigenen Kräften nicht über Wasser halten. Gnadenlos beschäftigt das Kapital die Lohnabhängigen zum geringst möglichen Lohn, egal ob er für sich allein genommen zum Leben reicht. Den Rest muss der Staat drauflegen. Dies geschieht durch Umverteilung innerhalb der ArbeiterInnenklasse: Jene ArbeiterInnen und Angestellten, die ihre Arbeit teurer verkaufen können, werden durch Steuern und Abgaben für den Erhalt ihrer schlechter gestellten KollegInnen herangezogen. Das hat für die KapitalistInnen den angenehmen Nebeneffekt, dass die Sozialschmarotzerdebatte angeheizt und ein Keil in die ArbeiterInnenklasse getrieben wird.
Vor diesem Hintergrund sind staatliche Hilfsleistungen – früher Sozial- und Notstandshilfe, in Zukunft die im Juli von der Regierung beschlossene Mindestsicherung – zu sehen. Die ÖVP wollte diesem Prestigeprojekt der SPÖ-Führung nur zustimmen, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind. Erstens dürfen die Kosten nicht durch eine Umverteilung von Kapital zu Arbeit aufgebracht werden – dafür ist der Rahmen des kommenden Budgets bereits abgesteckt. Zweitens darf ein menschenwürdiges Leben durch die Unterstützungszahlungen nicht möglich sein. Erst wenn das gesamte Vermögen (bis auf 3720 Euro) aufgebraucht ist, bekommt man die Differenz zwischen eigenen Einkünften und einem Mindestbetrag ausbezahlt. Dieser Mindestbetrag beträgt 744 Euro, für Paare 1.116 Euro, zuzüglich 134 Euro pro Kind für die ersten drei Kinder, 112 Euro ab dem vierten. Wenn der Bezieher über eine eigene Wohnung verfügt oder bei Verwandten lebt, verringern sich diese Sätze um 25%. Das Ganze gibt es 12-mal pro Jahr, und nicht, wie ursprünglich von der SPÖ gefordert, 14-mal. Ein „Trampolin zurück in den Arbeitsmarkt“ nennt Sozialminister Hundstorfer diese verordnete Armut.
Es ist eine komplexe Thematik: Die Mindestsicherung bringt einerseits Verbesserungen gegenüber der alten Regelung: Alle BezieherInnen werden krankenversichert; drei Viertel von ihnen sollen im Schnitt rund 100 Euro monatlich mehr bekommen. Andererseits ermöglicht auch das neue Gesetz keine menschenwürdige Existenz. Unterm Strich läuft es sich auf eine Umverteilung von „unten“ nach „ganz unten“ hinaus. SPÖ und ÖGB müssen die Debatte wieder auf den eigentlichen Verteilungskampf gelenkt werden – den zwischen Arbeit und Kapital: Wir brauchen Vollzeitarbeitsplätze und Löhne, von denen man leben kann.