Aus marxistischer Perspektive ist die Prostitution ein integraler, besonders gewaltsamer Teil der Frauenunterdrückung im Kapitalismus. Manche FeministInnen wollen Prostitution jedoch als „Sexarbeit“ positiv neu bewerten. Ein Job wie jeder andere? Huschke Maus Buch mit dem Untertitel „Weshalb wir die Prostitution abschaffen sollten“ ist ein lesenswerter Beitrag zu dieser Debatte, meint Flo Degen.

„Zur Prostituierten wird man nicht geboren, sondern gemacht.“ Anhand ihrer eigenen Geschichte erzählt Huschke Mau, wie das passiert: Mit 17 Jahren flieht sie vor ihrem gewalttätigen Stiefvater in ein Mädchenhaus. Sie kämpft mit psychischen Problemen, gleitet in die Armut ab und gerät an einen Polizisten, der ihr erster Zuhälter wird. Drogenabhängig und alkoholsüchtig prostituiert sie sich zehn Jahre in Wohnungsbordellen, als Escort und bei Hotelbesuchen, bis ihr der Ausstieg gelingt.

Doch „Entmenschlicht“ ist mehr als nur eine Lebensgeschichte. Mau verbindet ihre eigenen Erfahrungen mit internationalen Studien und zeigt die Folgen der Legalisierung von Prostitution in Deutschland auf. Dabei wird deutlich, dass Prostitution alles andere als „befreiende Sexarbeit“, sondern Gewalt gegen Frauen ist.

Freier im Fokus

Den Zuhältern und Freiern, die von der Prostitution profitieren, gibt Mau in ihrem Buch viel Raum. Nach ihrer Definition sind Freier Männer, die mit Frauen Sex haben und danach nicht sagen können, ob sie gerade eine Vergewaltigung begangen haben – und denen das bestenfalls egal ist. Seitenlange Auszüge aus Internetforen von Freiern, die sich gegenseitig mit frauenverachtenden und rassistischen Stereotypen anstacheln, bestätigen diese Analyse und sorgen mehr als einmal für Übelkeit beim Lesen. Ihnen ist bewusst, dass hinter dem gespielten Interesse ihres Gegenübers wirtschaftliche Abhängigkeit oder körperliche Gewalt steht.

Laut einer Studie weisen 62% der Prostituierten schwere posttraumatische Belastungsstörungen auf, 63% wurden in der Prostitution vergewaltigt. Kein Wunder, dass 85% der Prostituierten in Deutschland auf die Frage, was sie dringend brauchen, antworten: „einen Ausstieg“.

Liberalisierung vs. Abolitionismus

Huschke Mau beschreibt sehr klar, dass schon die Liberalisierung der Prostitution in Deutschland 2002 die Situation verschlimmerte. Die größere Nachfrage sorgte dafür, dass es lukrativ wurde, Frauen vor allem aus Osteuropa nach Deutschland zu schleusen. Der Menschenhandel ist durch die Legalisierung massiv angestiegen. Freier nehmen sich mehr heraus und haben de facto ein staatlich garantiertes Recht auf Sex. So beschreibt Mau den Fall eines Freiers, der klagte, weil die Frau nicht mehr wollte. Das Gericht gab ihm recht.

Die Lösung, die Huschke Mau dem entgegen hält, ist das sogenannte Nordische Modell, welches auf Aufklärung, Ausstiegshilfen, Entkriminalisierung prostituierter Frauen und der Bestrafung von Freiern als Tätern basiert. Mit dieser Position schwächt sie einige der stärksten Aussagen im Buch ab und verbleibt ganz im Rahmen der Möglichkeiten des bürgerlichen Staates und des Kapitalismus. Mau muss selbst festhalten, dass das Nordische Modell die Prostitution nicht gewaltfrei macht, sondern bestenfalls das Machtverhältnis zwischen Freier und Prostituierter rechtlich etwas abmildert.

Am Kern des Problems geht dies vorbei. In der Klassengesellschaft ist die Kontrolle der Frau über ihr eigenes Leben eingeschränkt und sie ist Fremdbestimmung (durch Familie, gesellschaftliche Rollenbilder, ...) ausgesetzt. Die Prostitution treibt das auf die Spitze, sie degradiert den Menschen und seine intimsten Bereiche wie den eigenen Körper und die eigene Sexualität zur Ware. Keine rechtliche Maßnahme kann das aufheben.

Im Kampf gegen Prostitution können wir uns nicht auf die bürgerlichen Gerichte und Polizei stützen, wie es das Nordische Modell tut. Der Prostitution kann man nicht isoliert begegnen, sondern nur gesamtgesellschaftlich und mit den Methoden des Klassenkampfes. Die gewerkschaftlichen und politischen Organisationen der Arbeiterklasse müssen hier in die Pflicht genommen werden. Zwei zentrale Ansatzpunkte sind dabei:

  • Den Ausstieg aus der Prostitution ermöglichen: Durchsetzung des Rechts auf Bildung, Arbeit, medizinischer Behandlung und legalem Aufenthalt für alle.
  • Keinen Meter der Sex-Industrie und ihrer Lobby: Menschen, ihre Sexualität und ihre Körper sind keine Ware!

Letztendlich müssen wir verstehen, dass nur der Sturz des Kapitalismus die Grundlage für die Abschaffung von Prostitution und Frauenunterdrückung in all ihren Formen legen kann.

(Funke Nr. 217/26.9.2023)


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