Mehr als 300 BetriebsrätInnen aus allen Eisenbahnunternehmen füllten den Saal der AK NÖ und berieten über die weitere Vorgangsweise in den Kollektivvertragsverhandlungen, die aufgrund der Provokationen seitens der Wirtschaftskammer unterbrochen wurden.
Obwohl 2013/14 für die Eisenbahnunternehmen wirtschaftlich sehr gut ausfällt, will die Wirtschaftsseite kein Stück vom größer werdenden Kuchen abgeben. Ihr Angebot lautet gerade einmal 1,8 Prozent brutto mehr. Für die Gewerkschaft vida ist diese Zahl völlig inakzeptabel, weil damit die Reallohnsenkung der letzten drei Jahre weitergehen würde. Kollege Hebenstreit, der Konzernbetriebsratsvorsitzende der ÖBB, der durch die Konferenz führte, rechnete vor: „Dieses Brutto-Angebot würde netto ein reales Lohnminus von durchschnittlich 0,4 Prozent für die Eisenbahner ergeben“.
In Gesprächen mit KollegInnen hat sich gezeigt, dass unter den EisenbahnerInnen eine sehr angespannte Stimmung vorherrscht. Personalmangel, Erhöhung des Pensionsantrittsalters und Reallohnverluste sorgen für großen Unmut.
Die Gewerkschaft setzt daher auf eine offensive Lohnpolitik. Dabei beschreitet sie neue Wege. So setzt sie auf eine stärkere Einbindung der Betriebsräte. Schon im Vorfeld der KV-Verhandlungen gab es eine Befragung, deren Ergebnisse in die Erstellung des Forderungskatalogs einflossen. Auf der Betriebsratskonferenz forderte Kollege Hebenstreit mehrfach die anwesenden KollegInnen auf, sich zu Wort zu melden und ihre Meinung offen kundzutun. Er stellte sogar in Aussicht, dass man in Zukunft verstärkt auch die Belegschaften einbinden müsse. Nur dann könnten Gewerkschaft und Betriebsräte den Angriffen der Unternehmen standhalten und etwas erreichen.
Ein absolutes Novum ist außerdem die zentrale Lohnforderung der der vida. Angesichts der Teuerung und der kalten Progression durch das Aufsteigen in höhere Lohnsteuerklassen im Zuge von Gehaltserhöhungen bleibt den Beschäftigten nicht genügend im Geldbörsel über. Hebenstreit begründete die Forderung nach +3 Prozent NETTO so: „Eine Brutto-Lohnerhöhung ist unter diesen Voraussetzungen der falsche Ansatz. Die Inflation trifft die Leute netto. Deshalb fordern wir eine Nettolohnerhöhung um 3 Prozent für die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner. Wir haben es satt, Jahr für Jahr den Bonus des Finanzministers zu verhandeln. Die Beschäftigten müssen von der Lohn- und Gehaltserhöhung etwas in ihren Geldbörsen spüren“.
Neben der Inflationsabgeltung will die Gewerkschaft eine deutliche Beteiligung der Beschäftigten am Unternehmenserfolg, der letztes Jahr durchwegs positiv ausgefallen ist (auch wenn einige Unternehmen die konkreten Zahlen nicht herausrücken wollen!).
Diese Forderung wurde von der Betriebsratskonferenz einstimmig beschlossen. In der Debatte zeigten sich etliche KollegenInnen über diese Vorgangsweise erfreut, manche meinten sogar, dass man eigentlich +4 Prozent fordern müsste.
Dieser KV-Konflikt ist untrennbar verbunden mit der Forderung der Gewerkschaften nach einer Lohnsteuerreform und der Einführung einer Vermögenssteuer. Die Zahlen sprechen für sich. Der österreichische Staat finanziert sich zu einem immer größeren Anteil aus den Lohnsteuern, während die großen Vermögen, Banken und Konzerne weitgehend ungeschoren davonkommen. Die sinkenden Reallöhne sind für die Gewerkschaften nicht mehr tragbar. Bei den EisenbahnerInnen ist dieses Problem noch stärker als bei vielen anderen Gruppen von Lohnabhängigen.
Der Arbeitskampf für +3 Prozent netto hat somit auch eine zutiefst politische Dimension. Hier hat es die Gewerkschaft in der Hand, der Forderung nach einer Lohnsteuerreform besonderen Nachdruck zu verleihen. Der nächste Schritt sollte es sein, dass auch andere Gewerkschaften, wie die PRO-GE, die im Herbst die Metallerlöhne verhandeln wird, diese Vorgehensweise übernehmen und im Herbst die Bewegung ausgeweitet wird.
Diese Auseinandersetzung betrifft also nicht nur die EisenbahnerInnen und ist für die gesamte Arbeiterbewegung von Interesse. Sollte es zu einem heißen Sommer und Kampfmaßnahmen kommen, müssen sich alle Gewerkschaften hinter die KollegInnen bei den Eisenbahnen stellen. Ein Erfolg in diesem Konflikt würde den Druck auf die Regierung eine Lohnsteuerreform zu beschließen enorm erhöhen. Wie ein Kollege gestern richtig gesagt hat, ist in dieser Frage auf Faymann und die SPÖ-Spitze kein Verlass. Außerdem blockiert Spindelegger alles in diese Richtung gehende. Er ist nicht bereit eine Vermögenssteuer einzuführen, bestenfalls will er die Reichen um Spenden bitten. Nur unter dem Druck gewerkschaftlicher Kampfmaßnahmen werden Faymann und Spindelegger reagieren. Wenn überhaupt! Die Gewerkschaftsbewegung kommt daher nicht umhin eine politische Perspektive zu entwickeln. Auf dem Bundesparteitag der SPÖ im Herbst müssen die GewerkschafterInnen gemeinsam mit der SJ und anderen Parteilinken einen politischen Kurswechsel erzwingen.