Privater Gesundheits- und Sozialbereich (SWÖ). Sarah Ott argumentiert, warum die Stellvertreterlogik der Gewerkschaft durchbrochen werden muss und bundesländerübergreifend Kampfmaßnahmen notwendig sind.
+15% bei einem Mindestbetrag von 400€ fordern die Gewerkschaften GPA und vida bei den diesjährigen SWÖ-Kollektivvertrags-Verhandlungen. Dazu noch eine ganze Reihe Forderungen im Rahmenrecht, die die Arbeitsbedingungen der 130.000 Beschäftigten deutlich verbessern würden. Jetzt gilt es für diese Forderungen zu kämpfen und nicht wie im letzten Jahr vorzeitig mit einem schlechten Kompromiss abzuschließen.
In der ersten Verhandlungsrunde am 17.10. boten die Arbeitgeber 8,8% und lehnten alle weiteren Forderungen ab. Die Verhandlungen wurden daher erstmal unterbrochen, die nächsten Termine finden erst Mitte und Ende November statt. Damit ist eindeutig klar, dass es nicht möglich sein wird, die Arbeitsbedingungen nur durch Verhandlungen grundlegend zu verbessern. Nicht einmal ein Reallohnverlust wäre mit dem Angebot der Arbeitgeber abgewandt, denn im letzten Jahr haben die Beschäftigten bereits dauerhaft unter der massiven Teuerung gelitten. Von einem aufschließen auf andere Berufsgruppen und einer Attraktivierung des Bereichs ist man weiterhin meilenweit entfernt. Was es jetzt braucht, ist die umfassende Mobilisierung in den Betrieben, um abseits des Verhandlungstisches für die Umsetzung der Forderungen zu kämpfen.
In Wien wurden dazu bereits erste Schritte gesetzt. In einer Betriebsrätekonferenz Anfang Oktober wurde ein Aktionsplan diskutiert und beschlossen. Nach der zweiten Verhandlungsrunde soll es erste gemeinsame Kundgebungen geben, zuvor sollen Betriebsversammlungen stattfinden. Auch ein Streiktag ist bereits in Planung, sollten die Verhandlungen auch Ende November noch kein Ergebnis gebracht haben.
Dies ist vor allem aktiven Betriebsräten (BR) und Basisinitiativen zu verdanken, die sich seit Jahren dafür einsetzten, dass öffentliche Aktionen stattfinden und frühzeitig geplant werden. Wie wichtig dieses Engagement ist, zeigt ein Blick in die Bundesländer. Obwohl eigentlich in allen Bundesländern ebenfalls BR-Konferenzen vorgesehen gewesen wären, fanden diese nur in einzelnen Bundesländern statt.
Eine gemeinsame Mobilisierung in ganz Österreich, bei der auch die Beschäftigten mit einbezogen werden und kollektiv eine aktive Rolle spielen können, ist nicht geplant. Es soll zwar eine österreichweite BR-Konferenz am 20.11. stattfinden, diese ist aber zeitlich so beschränkt angesetzt, dass es wohl kaum größere Diskussionen geben kann. Dabei bräuchte es ganz dringend mehr interne Diskussionen, auch über Bundesländergrenzen hinweg, um wirklich eine schlagkräftige Bewegung aufbauen zu können. Es braucht Austausch über die besten Methoden und ein Durchbrechen der Stellvertreterpolitik.
Was zu tun ist
Betriebsräte müssen jetzt ihre KollegInnen umfassend über die Verhandlungen informieren. In den Betrieben müssen Diskussionen geführt werden, wie die Forderungen am besten erkämpft werden können. Es braucht Streikbeschlüsse in Betriebsversammlungen und öffentliche Aktionen der Beschäftigten.
Außerdem muss die Kontrolle über die Arbeitskämpfe bei den Beschäftigten selbst liegen. Sie müssen entscheiden können, ob und wie lange sie streiken wollen. Es braucht Urabstimmungen über Verhandlungsergebnisse, die nicht lediglich aus einer ja/nein Abstimmung bestehen sollen. Die Verhandlungsergebnisse sollten in Betriebsversammlungen diskutiert und dann zur Abstimmung gestellt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Beschäftigten, die ja das ganz Risiko des Arbeitskampfes tragen, auch entscheiden können, ob sie weiterkämpfen oder ein Angebot annehmen wollen.
Die Situation im Gesundheits- und Sozialbereich wird immer prekärer. Arbeitsverdichtung, Personalmangel, Burn-outs etc. nehmen immer rascher zu. Die Beschäftigten brauchen einen Abschluss, der ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen real verbessert. Es gilt daher ganz klar: besser Streik als schlechter Abschluss!
Die Autorin ist Betriebsrätin bei LOK
(Funke Nr. 218/25.10.2023)