Ohne öffentliche Debatten im Vorfeld begannen am 25. September die Gesprächsrunden zu den Arbeitsverträgen in der Metallindustrie. Während die Gewerkschaften eine „ordentliche“ Lohnerhöhung fordern, plädieren die ArbeitgeberInnen für „realistische“ Abschlüsse. Nach den Provokationen und Kampfansagen der vergangen Jahre, scheinen es die Spitzen der Sozialpartnerschaft heuer ruhiger anzulegen. Für Arbeitsbedingungen und Geldbörsel bedeutet dies nichts Gutes, meint Emanuel Tomaselli.

In den letzten Jahren, besonders seit der Verhandlungsrunde 2011, wurde bereits vor dem Sommer öffentlich um den Kollektivvertrag gerungen. In regionalen und nationalen Betriebsrätekonferenzen versicherten sich die Verhandlungsteams den geschlossen Rückhalt der BetriebsrätInnen für konkrete Ziele. Die Verteidigung des gemeinsamen Kollektivvertrages sowie konkrete Lohnforderungen wurden in den Mittelpunkt gestellt, um der Kampfbereitschaft der KollegInnen eine klare Zielsetzung zu geben. Auf Grundlage einer für die Gewerkschaften überraschend starken Welle an Warnstreiks in über 150 Betrieben, schlossen die Verhandler 2011 – buchstäblich Minuten vor Beginn des vollen Ausstandes in der Metallindustrie – mit durchschnittlich 4,4% ab. 2012 wurden Betriebsversammlungen abgehalten. Im letzten Jahr wurde der Verhandlungsbereitschaft der UnternehmerInnen auch durch Demonstrationen nachgeholfen.

Arbeitszeit und Löhne

Heuer war – bisher – alles wieder anders. Neben den Löhnen, interessiert v.a. das Thema Arbeitszeiten. Unter diesem Titel versuchen die UnternehmerInnen einerseits das Risiko der Produktion auf die Belegschaften abzuwälzen („bleibts zuhause, es gibt diese Woche zu wenig Arbeit“), andererseits durch Vermeidung von Zuschlägen bei guter Auftragslage Löhne einzusparen. Durch stehende Überstunden auf Zeitkonten sollen die MetallerInnen zusätzlich Teile ihres Lohnes dem Unternehmen auf Dauer kreditieren.

Die Haltung der Gewerkschaften ist hier, dass man für Flexibilität zu haben sei, aber unter diesem Titel kein Lohnverzicht stattfinden darf. Diese Materie wurde im letzten Jahr (nicht zum ersten Mal) aus der KV-Runde in eine Arbeitsgruppe ausgegliedert. Die auf höchster Ebene geführten Gespräche kamen bisher zu keinem Ergebnis und werden weiter auf die lange Bank geschoben. Die einzige Mitgliederinformation zu diesem wichtigen Thema lautet daher bis dato so:

„Die Gespräche zur Arbeitszeitgestaltung zwischen dem Fachverband der Maschinen- und Metallwarenindustrie und den Gewerkschaften PRO-GE und GPA-djp gehen weiter. Trotz des sachlichen und konstruktiven Gesprächsklimas konnten bis zum vereinbarten Stichtag 30. Juni 2014 noch keine Ergebnisse vereinbart werden. Deshalb wurden für den Sommer weitere Termine vereinbart.

Im Sinne eines konstruktiven Dialogs haben die Sozialpartner vereinbart, die Inhalte der Gespräche nicht öffentlich zu kommentieren. Eine Verknüpfung des Themas Arbeitszeit mit der Lohn- und Gehaltsrunde im Herbst ist nicht geplant.“

Eine selbst auferlegte Schweigepflicht hilft inhaltlich nur den UnternehmerInnen. Denn eine Gewerkschaftsbewegung braucht die Unterstützung von 180.000 MetallerInnen, will sie Verschlechterungen abwenden. Die UnternehmerInnen stützen sich auf die alltägliche Verfügungsgewalt über die Betriebe.

Das Thema Arbeitszeit wird aber insofern auch bei der KV-Runde eine Rolle spielen, als die Gewerkschaften die Forderung „Freizeit statt Lohnerhöhung“ auf die Tagesordnung setzen wollen. Es ist zu vermuten, dass ähnlich dem KV der Stahlindustrie, heuer in allen Branchen diese individuelle Option (Arbeitszeitverkürzung statt höherem Lohn, die zB. von den KollegInnen in der voestalpine gern angenommen wird) angestrebt wird. Die UnternehmerInnen werden hier jedenfalls mitziehen, da sich diese Klausel allein durch die Verdichtung der Produktion durch höhere Arbeitsintensität von selbst trägt.

Auch bezüglich der Lohnvorstellung wird heuer keine Erwartungshaltung oder Zielvorstellung verlautbart. Man darf vermuten, dass auf Basis einer angenommenen Inflationsrate von 1,8 % etwas im Null-Komma-Bereich dazu kommen wird. Argumentiert wird dies mit der angestrebten Entlastung durch eine Lohnsteuerform. Allein, diese Perspektive ist mehr als gewagt. Zwar unterstützt Faymann das ÖGB-Paket, macht das ganze jedoch vom „Konjunkturverlauf“ abhängig und vor 2016 wird sie ohnehin nicht Kraft treten. Eine große Entlastung der Arbeitseinkommen durch die Steuerreform ist zudem nicht zu erwarten. Alles deutet darauf hin, dass auch in der Metallindustrie weiter mit Reallohnverlusten zu rechnen ist.

Knill & Co: Neuzugang im Lager der Sozialpartner

Eine Grundlage dieser neuen Kameradschaftlichkeit liegt darin, dass auf Seiten der Chefverhandler der FMMI (Metall- und Maschinenbauindustrie) – zumindest öffentlich – Provokationen und Anti-Gewerkschaftsaussagen ausbleiben. Artig werden die Gewerkschafter empfangen; „papierln“ der Chefverhandler in der weitläufigen Wirtschaftskammer war gestern. Kurzum, das nach 1950 etablierte Protokoll des respektvollen Umgangs wird nun wieder eingehalten. Erleben wir auch in der Form eine Verbesserung, das Ziel der UnternehmerInnen bleibt trotzdem das gleiche: die nachhaltige Schwächung der Gewerkschaftsbewegung.

„Während die politische Diskussion um die längst überfällige Steuerreform in die Herbstrunde geht, steht der FMMI unmittelbar vor dem Start seiner heurigen KV-Verhandlungen. Anlass für Christian Knill, sowohl die Regierung als auch die Gewerkschaften zu einem Schulterschluss für den Standort Österreich aufzufordern. Die vordringlichsten Themen dabei: Die Regierung müsse Reformen schaffen, die die Betriebe entlasten und die Lohnnebenkosten senken, sowie in Bildung investieren. Die Gewerkschaften fordert er auf, über den Tellerrand zu schauen und die Rahmenbedingungen einer exportabhängigen Industrie intelligent mitzugestalten – mit moderaten Abschlüssen und Durchstarten in Richtung Arbeitszeitflexibilisierung nach den KV-Verhandlungen.“

Das Wunderargument der Arbeitgeberseite lautet heuer also „Nationaler Schulterschluss zur Rettung des Produktionsstandorts“. Regelmäßige LeserInnen des Funken wissen, dass wir seit geraumer Zeit für den Ausbruch der Spitzen der Arbeiterbewegung aus eben diesem Schulterschluss argumentieren. Es handelt sich hierbei um die vollständige politische und soziale Unterordnung der sozialen Interessen der Arbeiterklasse unter die Profitinteressen des österreichischen Kapitals.

Ratlosigkeit auf Seiten der Arbeiterbewegung

Die Reaktion der Gewerkschaften offenbart aber, dass die rhetorische Neuaufstellung der UnternehmerInnen für Unsicherheit sorgt. Karl Proyer hat noch 2012 vor tausenden BetriebsrätInnen das Ende der Sozialpartnerschaft verkündet, weil diese nichts mehr bringe. Heute antworten die Spitzenverhandler: „Die österreichischen Sozialpartner haben immer mit hohem Verantwortungsbewusstsein und Flexibilität schwierige Situationen gemeistert.“ Es droht eine Kapitulation, weil man sich nicht traut den Standortdrohungen der Kapitalseite entgegen zu halten.
Wir MarxistInnen argumentieren dafür die standort-orientierten Aspekte der Lohnrunde hintanzustellen und die soziale Frage in den Mittelpunkt der Überlegungen zu rücken. Reagieren UnternehmerInnen mit Entlassungen und/oder Standortdrohungen, muss der Konflikt auf dieser Ebene geführt werden. Es wird sich zeigen, dass die Frage des Standorts in den meisten Fällen eine reine Drohgebärde ist. Außerdem schließen wir uns dem Argument an, dass Lohnverzicht noch keinen Arbeitsplatz gerettet hat. Marktschwankungen und Überkapazitäten können zudem nicht durch niedrige Löhne kompensiert werden. Sie liegen in der Natur des kapitalistischen Wirtschaftssystems und betreffen alle Märkte und Standorte. Einen Ansatzpunkt bietet hier das Arbeitsprogramm der ProGe. Droht ein Unternehmen mit Schließung, so muss die ÖIAG als Auffanggesellschaft fungieren. Es ist nicht einzusehen, dass nur die Vermögenswerte der Kapitalbesitzer in Pleitebanken als „systemrelevant“ eingestuft und um jeden Preis mit Steuergeldern gerettet werden. Solche Überlegungen müssen jedoch als Handlungsoptionen wahrgenommen werden, sonst sind sie das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.

Die wirtschaftliche Situation ist durchwachsen. Die Gewerkschaften werden auf Basis der AK-Branchenanalyse 2014 nachweisen, dass im vergangen Jahr 68 Prozent der Gewinne an die Eigentümer ausgeschüttet wurden, die Reinvestitionslaune ist also sehr gering, die Bedienlust der KapitalbesitzerInnen dagegen groß. Die EBIT-Quote (also der Gewinn pro 100 €) beträgt im Durchschnitt 5,7%, und ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 0,5 Prozentpunkte gefallen. Die Eigenkapitalquote beträgt durchschnittlich hohe 38 %, die Unternehmen sitzen also, trotz hoher Entnahmen der Eigentümer auf hohen Bargeldreserven.

Die UnternehmerInnen der Metall- und Maschinenbauindustrie hingegen werden ihre Argumentationen auf die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Monate stützen. Im ersten Halbjahr sind die Aufträge um 2,1 % gefallen, insbesondere die Exporte. 2000 Arbeitsplätze wurden im letzten Jahr in der Metallwaren- und Maschinenbauindustrie abgebaut (dies entspricht etwa 1,55 % der Arbeitsplätze). 10 Betriebe sind wieder in Kurzarbeit, und allgemein wird eine Verschlechterung der Kostenstruktur, etwa im Vergleich zu Deutschland argumentiert.

Allgemein ist das Bild der Industrie recht ausdifferenziert. Während einige Betriebe saftige Gewinne schreiben, spüren andere das Wiederaufleben der Krise und den Druck von Überkapazitäten, die die Preise am Markt drücken. Ein Abschluss im mittleren 2, % Bereich wird vom Verhandlungsteam daher wahrscheinlich als Erfolg gewertet werden.

Entsolidarisierung bedeutet Schwächung

Die Entscheidung vom Bundesvorstand der PRO-GE im August 2012 den Kampf um einen gemeinsamen Kollektivvertrag Metall zugunsten von sechs „einheitlichen“ Brachen-Kollektivverträgen aufzugeben, wurde von unserer Seite damals kritisiert. Im selben Jahr wurde diese Einheitlichkeit zwar erreicht, aber wie es zu vermuten war, war es damit bei der letzten Runde im vergangen Jahr 2013 vorbei. Dies manifestierte sich durch das Ausscheren des Bereiches Stahl. Die UnternehmerInnen haben sich hier, in ihrem zentralen Anliegen durchgesetzt.

Es zeigte bereits im Ringen um die Kollektivverträge, dass die neue Gesprächsstruktur eine klare Schwächung bedeutete. Die Betriebsräte im FMMI-Bereich mussten alleine kämpfen, die Betriebsräte der andern Metall-Brachen lehnten sich inzwischen zurück. Wir argumentierten, dass man mit halber Mannschaft ein Match kaum gewinnen kann.

Aber auch auf Betriebsebene findet eine Vereinzelung statt. Die permanenten Standorterpressungen von voestalpine-Chef Eder sind hier nur die öffentlich wahrnehmbare Speerspitze der Unternehmeroffensive. Umstrukturierungen, betriebliche Arbeitszeitflexibilisierungen und Druck auf Löhne, Zuschläge und Arbeitsplätze sind in allen Betrieben gang und gäbe.

Jene vorwärtstreibenden Betriebsräte, die 2011/2 der Offensivstrategie der ProGe Führung rund um Reiner Wimmer Gesicht und Stimme gaben sind leise geworden, denn sie werden nicht mehr gern gehört. Die Entscheidungsfindung in der Gewerkschaft wurde wieder intransparenter. Dies sind deutliche Hinweise, dass die Offensive der Gewerkschaft gestoppt wurde. Die entscheidenden Punkte waren hier das Aussetzen der Streikbewegung 2011 und die Änderung des Kampfzieles vom „gemeinsamen Kollektivvertrag“ zu den „einheitlichen Kollektivverträgen“ im Jahr 2012.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Umstand, dass drei Jahre lang in den Betrieben mobilisiert und die Belegschaft auf Streiks – für die es dann nie grünes Licht gab – eingestellt wurde. Diese neue Tonart wurde in den Betrieben enthusiastisch aufgenommen. Bei Böhler in Kapfenberg erzwang die Belegschaft der Frühschicht den Eintritt in den Warnstreik, nachdem der damalige (und mittlerweile abgewählte) Betriebsratsvorsitzende sich als „Hosenscheißer“ entpuppte. In der Kärntner Firma Haslinger Stahlbau trat die Belegschaft trotz Abschluss in den Streik und konnte die 5,5% Lohnerhöhung und eine notariell beglaubigte Standortgarantie erkämpfen.

Aus Sicht der Gewerkschaft war der aktivistische Zugang ohne aus dem Vollen zu schöpfen in der Herbstlohnrunde trotzdem ein Erfolg. Jedes Jahr konnten mit dem Argument der aktiven Lohnpolitik tausende Neumitglieder gewonnen werden. Doch gesamthaft blieb es bei der Drohung, und nicht wenige BetriebsrätInnen berichten heuer, dass die Belegschaft gegenüber gewerkschaftlichen Kampfansagen skeptisch geworden ist. Nach den Erfahrungen der letzten drei Jahre ist dies mehr als verständlich. Tatsächlich wurden die Belegschaften wie Schachfiguren bewegt. Es bildete sich Gefühl heraus, dass mehr möglich gewesen wäre, wenn die angekündigte Kampfstrategie tatsächlich vollständig umgesetzt worden wäre. Leere Drohungen erweisen sich als Bumerang – auch in den eigenen Reihen.

Herausforderung

Wird diese Herbst-Runde so durchgezogen, wie es angelegt erscheint werden die KollegInnen Reallohnverluste erleiden und die Gewerkschaften geschwächt aus dieser Lohnrunde herausgehen. Dies ist wahrscheinlich, aber nicht in Beton gegossen. Wie jede andere ist auch diese Lohnrunde schlussendlich das Ergebnis konkreter Umstände und Handlungen.
Die Frage die die vorwärtstreiben Kräfte unter Belegschaften, BetriebsrätInnen und im Gewerkschaftsapparat sich, ihren KollegInnen und jedem gewerkschaftlichem Gremium stellten sollen lautet: „Wie knüpfen wir an der positiven Entwicklung des Jahres 2011 an?“ Wir glauben, dass diese Frage offen und ehrlich, ohne falsche Scheu und diplomatischer Rücksicht debattiert werden kann und muss.


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