Der Vorarlberger Leuchtenhersteller Zumtobel plant die Schließung des Werks in Usingen (Hessen) und 150 ArbeiterInnen kämpfen um ihre Existenz. Jodok Schwarzmann berichtet vom Kampfgeist der KollegInnen.

Die Zumtobel Group ist ein weltweit agierender Produzent von Leuchtsystemen mit Stammsitz in Vorarlberg. Die Belegschaft des Zumtobel-Werks im hessischen Usingen arbeitet nun schon seit Monaten im Wissen, dass der Konzern die komplette Stilllegung des Werks in Betracht zieht. Nach plötzlich abgebrochenen Verkaufsverhandlungen gab Zumtobel am 30. August des Jahres endgültig die Schließung bekannt.

Die Beschäftigten traf diese Nachricht vielleicht nicht unvorbereitet – und doch wie ein Schlag ins Gesicht. Die Belegschaft hat jahrelang große Einsatzbereitschaft und Flexibilität gegenüber dem Unternehmen an den Tag gelegt und der Konzernzentrale in Dornbirn stabile Profite erwirtschaftet. Die Konzepte zur Fortführung des Werks unter neuen Investoren stammen sogar vom Betriebsrat, der die anstehende Massenkündigung damit bis zuletzt verhindern wollte. Niemand der Betroffenen glaubt, dass das Werk tatsächlich unrentabel ist, sondern dass die eigenen Arbeitsplätze vielmehr zur Stützung des Zumtobel-Aktienkurses geopfert werden. Was das Ende unter den derzeitigen wirtschaftlichen Vorzeichen bedeutet, ist allen klar: Den meisten droht Leiharbeit, vielen Älteren Hartz IV.

Aktiver Streik

Dementsprechend klar war die Antwort der Belegschaft auf die Werksschließung, die mit einer Mehrheit von 99,2% am 1. September in den Streik trat. Zu Beginn forderten die Streikenden noch die Erhaltung des Werks; mittlerweile geht es aber nur mehr darum, dem Konzern möglichst viel Geld aus seiner Kasse zu schlagen.

Der Streik kann sich sehen lassen. Zuallererst ist die Tatsache hervorzuheben, dass endlich auch in Mitteleuropa wieder ArbeiterInnen den Mut aufbringen, in der äußerst schwierigen Situation einer drohenden Werksschließung entschiedene Gegenwehr zu organisieren. Die meisten Streikenden sehen ihren Kampf nicht nur als wirtschaftliche Selbstverteidigung, sondern wollen auch ein klares, politisches Zeichen gegen die gegenwärtige soziale Unsicherheit setzen. Zweitens beschränkte sich die Streikführung, bestehend aus dem Betriebsrat und der Gewerkschaft IG Metall, in der über 90% der Werksangehörigen organisiert sind, nicht auf eine schlichte Arbeitsniederlegung. Von Anfang an wurden alle Beteiligten aktiv in die Organisierung des Streiks miteinbezogen und mit Aufgaben betraut. Es wurde der Kontakt zur umliegenden Bevölkerung hergestellt, das Werk wurde abgeriegelt... Die Öffentlichkeitsarbeit beweist, dass die KollegInnen das Problem in seiner Komplexität sehen: Mitte September „starben“ mehrere Usinger ArbeiterInnen in einem „Die In“ vor der Frankfurter Börse. Der bisherige Höhepunkt der Auseinandersetzung war wohl die mehrstündige Abriegelung der Dornbirner Firmenzentrale am 21. September durch eine Hundertschaft, die mit Bussen nach Vorarlberg gereist war, wo es auch zu einem Gespräch der Betriebsräte von Usingen und Zumtobel Dornbirn kam.

Solidarität

Durch diese kreative Außenarbeit erhält der Arbeitskampf auch ein bemerkenswertes Medienecho und breite Unterstützung, sei es seitens der lokalen Bevölkerung, von Betriebsräten oder Belegschaften anderer Werke in der Region, aber auch aus Vorarlberg. Die Demonstration in Dornbirn war sogar von der PRO-GE mitorganisiert worden, deren Führung in Vorarlberg äußerst „sozialpartnerschaftlich“, ja offen streikbrecherisch orientiert ist. PRO-GE Landessekretär Birnleitner kommunizierte anfangs zwar noch den Wunsch der Geschäftsleitung, dass die protestierenden deutschen ArbeiterInnen den Werkseingang räumen sollten, beugte sich dann aber schnell der Wut der Streikenden. Der Funke sowie die von MarxistInnen geführte Sozialistische Jugend Vorarlberg nahmen mit einem eigenen Transparent und Flugblättern an der Demo teil. Auf Antrag der SJ solidarisierte sich sogar die SPÖ Vorarlberg mit dem Streik.

Letztlich blieb die Unterstützung aus Vorarlberg aber eine passive. Internationale Solidarität, die in den Reden vor dem Werkstor von Zumtobel immer wieder beschworen wurde, hätte bedeuten müssen, dass die PRO-GE den Widerstand der hessischen KollegInnen auf eine breitere Basis stellt. Konkret hätte der Dornbirner Betriebsrat zeitgleich mit der Demonstration vor dem Werkstor eine eigene Betriebsversammlung organisieren können, wo die Streikenden der Belegschaft in Dornbirn ihre Erfahrungen schildern hätten können. Die Aktion vor der Konzernzentrale hatte gewiss einen wichtigen Effekt auf das Bewusstsein der Dornbirner KollegInnen, denen vor Augen geführt wurde, welches Desinteresse ihr Arbeitgeber am Wohlergehen der Beschäftigten hat. Aber eine solche gemeinsame Protestaktion hätte dem Kampf neue Energie zugeführt und wäre ein wichtiges Mittel gewesen, um den Druck auf Zumtobel zu erhöhen.

Kapital versus Arbeit

Die Konzernleitung zeigt sich bislang nach außen hin unbeeindruckt und kommentiert die Forderungen des Streiks kaum bzw. verweist nur auf die bisherigen Abfindungsangebote. Dass sich Zumtobel sehr wohl bewusst ist, dass etwas auf dem Spiel steht, zeigte aber das harsche Vorgehen gegen die Streikenden. Die Belegschaft wurde ausgesperrt. Eine Werksaussperrung von Streikenden hat es in Deutschland schon seit über 30 Jahren nicht mehr gegeben. Am 21. September, als sich der Großteil der Belegschaft in Dornbirn befand, rollten LKW und eine ganze Heerschar von Polizisten an, um (Halb)Fertigteile aus dem Werk zu schaffen. Die Streikposten, die ihnen den Weg versperrten, wurden mit juristischen Drohungen eingeschüchtert.

Es ist für uns ArbeiterInnen essentiell, zu verstehen, dass wir alle von solchen Angriffen der Unternehmerseite getroffen werden können – unabhängig davon, ob wir als Lohnabhängige „Leistung“ bringen, und unabhängig vom realen Bedarf nach den von uns gefertigten Produkten. Die Beschäftigten von Zumtobel Usingen brachten Leistung, und ihre Produkte, wie etwa qualitativ hochwertige Leuchtsysteme für den medizinischen Bereich, leiden nicht an Absatzschwäche, weil wir keinen Bedarf an einem Ausbau der medizinischen Versorgung hätten – sondern weil in Zeiten der Krise des Kapitalismus auch im Gesundheitssystem gespart wird. Unsere realen Bedürfnisse und die Profitinteressen des Kapitals gehen immer weniger zusammen.

Deshalb stehen wir auch für weiterführende Ziele als eine gute Abfindung bei Werksschließungen. Nur eine Enteignung und Vergesellschaftung des Werks unter der Kontrolle der Beschäftigten bietet eine Perspektive, die über eine kleine finanzielle Entschädigung für jahrzehntelange Arbeit hinausgeht. Nur mit dieser Maßnahme können die Arbeitsplätze eines „unrentablen“ Werks erhalten und die Produktion im Interesse der Allgemeinheit weitergeführt werden.


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