Der folgende Beitrag stammt von einem österreichischen Briefträger, der mit den Resten des Märchens vom „gemütlichen Postlerleben“ aufräumt, und der gegen das passive Jammern die aktive Organisierung vorschlägt.
Viele glauben noch an die alte Post-Mähr aus der Zeit des Wirtschaftsbooms: Die stolze „Österreichische Post“, in der priviligierte, gewerkschaftlich behütete, lockere Arbeitsbedingungen vorherrschen. Als Briefträger begegnet man im Gespräch mit KundInnen diesen Vorstellungen nach wie vor. „Na, noch einen Kaffee?“ - „Und, wie sieht‘s aus, um 11:00 fertig heute?“ - „Postler sollte man sein!“– Sprüche, denen viele Post-Bedienstete ständig begegnen, und nicht wissen, wie man damit umgehen soll. Denn es ist nicht mehr so.
Vom Staatsbetrieb zur Profitmühle
Schon in den 90ern, besonders aber seit Privatisierung und Börsengang erlebten die Beschäftigten eine unglaubliche Steigerung des Arbeitsdrucks, eine Aufspaltung der Verträge und eine krasse Reduktion der Löhne. Das betrifft alle Bereiche des Unternehmens (Sortierung, LKW, Zustellung, Filialdienst...).
An der wachsenden Größe der Zustellbezirke lässt sich das anschaulich aufzeigen. Die Zeit der lockeren Sechs-Stunden-Bezirke mit „Feierabend“ ab Mittag ist endgültig vorbei. Die Arbeit als ZustellerIn ist heute übers Jahr gerechnet im besten Fall ein normaler Acht-Stunden-Job – allerdings alles andere als ein gemächlicher! Von der Feinsortierung am Morgen, über das Beladen, bis hin zur Zustellung von Brief und Paket, läuft alles unter Stress. Jeder weiß, dass ständig die Stoppuhr läuft, und wer „trödelt“ muss mit einem „Mitarbeitergespräch“ rechnen.
Langjährige BriefträgerInnen würden dem in privatem Kreis vielleicht fallweise noch widersprechen, da sie aufgrund ihrer Erfahrung Bezirke auch mal schneller bewältigen. Das liegt aber in erster Linie an den immensen Unterschieden der Bezirksgrößen, die das Unternehmen bewusst bestehen lässt, um die Belegschaft zu spalten und gemeinsamen Widerstand gar nicht erst aufkommen zu lassen. Der Personalwechsel im Unternehmen ist hoch und die neu eintretenden ZustellerInnen scheitern oft gänzlich am Erlernen ihres Bezirks.
Die Post bringt allen was – aber wann?
Deshalb finden sich in verschiedenen Zustellbasen bei Pensionierungen oder Krankenständen keine neuen Leute mehr, da viele bereits in der Probezeit, geschockt über den Arbeitsaufwand, das Handtuch werfen – wen wundert‘s, bei Arbeitstagen von manchmal weit über 10 Stunden (der eigentlich legalen Grenze). Die anderen ZustellerInnen decken deshalb oft über Monate hinweg nicht nur ihren eigenen Bezirk, sondern auch Teile eines anderen ab – mit massiven Auswirkungen auf die Qualität. Diese akute Situation der „Mitbesorgung“ chaotisiert die extrem knapp kalkulierten Personalberechnungen zusätzlich.
Im Betrieb wissen alle, dass es schlicht unmöglich ist, die Termin-Garantien der Post dauerhaft einzuhalten. Dies wird zum individuellen Problem der BriefträgerInnen gemacht. Sie müssen de facto verantworten, ob KundInnen die Verzögerung einer Sendung hinnehmen oder sich beschweren. Im ersten Fall trägt der Kunde die Auswirkungen, im zweiten Fall der Zusteller, der dann abgemahnt wird - in keinem Fall das Unternehmen, das dadurch die Leute antreiben, Personal weiter reduzieren und mehr Profit einstreichen kann. Übrigens saftigen Profit – der Gewinn lag im ersten Halbjahr 2016 bei fast 74 Millionen Euro - das sind bereits nach sechs Monaten 3000 Euro pro Beschäftigtem!
Organisieren können wir uns nur selbst
Die Probleme der österreichischen Post sind weder österreichisch, noch Post-spezifisch; die Ursachen der Verschlechterung liegen an den immer mieser werdenden Bedingungen aller ArbeiterInnen im Zuge der globalen Krise.
In der Post wird viel gemotzt, auf die „Gier“ der Manager, die „Faulheit“ der Gewerkschaftsbürokratie. Motzen allein lässt allerdings eines außer Acht: Es ist unsere eigene Verantwortung als Belegschaft, uns dauerhaft mit unserer Situation, unserer Spaltung auseinander zu setzen und gemeinsame Strategien für einen Kampf gegen die Verschlechterung aufzuwerfen. Von „Streik“ reden sogar viele – langfristig organisieren will ihn niemand. Die passive Beglückung durch gewerkschaftliche „Interessensvertreter“ funktioniert heute nicht mehr und wenn wir auf Heilstaten der Funktionäre warten, bleiben wir als PostlerInnen definitiv bald auf der Strecke.