Mit der jüngsten Arbeitsverfassungsgesetznovelle wurde die Verlängerung der Betriebsratsperiode von vier auf fünf Jahre beschlossen. Die Geschichte der Betriebsräte und die Natur der jüngsten Veränderung beleuchtet Lis Mandl.
Innerhalb der Gewerkschaftsbewegung wird die Veränderung weitgehend positiv aufgenommen. Es gäbe nun mehr Zeit für die Eingewöhnung und Fortbildung der FunktionärInnen. Auch wird auf die veränderte Situation und die schärfere Gangart in den Betrieben hingewiesen, die die Arbeit der BetriebsrätInnen spürbar erschwert und die Frage fehlenden Nachwuchses aufwirft.
Kleine Geschichte der Betriebsräte
Der Zusammenschluss in Komitees (oder Räte) ist der organisatorische Ausdruck der Arbeiterbewegung mittels kollektiver Aktionsformen, konkrete soziale Fragen zu lösen. Von der Pariser Kommune bis hin zur Oktoberrevolution wurden die Räte als passendes Mittel zur Durchsetzung der Forderungen der Arbeiterklasse verstanden.
In Österreich entstanden solche Betriebskomitees im Zuge der Streikbewegung gegen den Ersten Weltkrieg. Angeregt von der Russischen Revolution war auch die österreichische Arbeiterbewegung nach den grausamen Kriegserfahrungen beseelt, eine neue Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zu erkämpfen. Von 1918–1921 stritten die Arbeiterräte um die Kontrolle des sozialen, politischen und wirtschaftlichen Lebens und stellten eine reale Alternative zur Machtausübung der Bürgerlichen im Betrieb und der Gesellschaft im Allgemeinen dar. Die Arbeiter des Stahlwerks Alpine Donawitz, verhafteten am 7.4.1919 den Betriebsleiter und durchsuchten seine Villa nach Lebensmitteln, fortan übernahmen die Arbeiter die Kontrolle über das damals größte Stahlwerk Österreichs.
Mit dem Betriebsrätegesetz vom Mai 1919 versuchte die Sozialdemokratie die explosive Kraft der Rätebewegung in geordnete Bahnen zu lenken. Zwar sollten die BetriebsrätInnen die Akteure einer Vergesellschaftung der Wirtschaft sein, jedoch nicht über eine sozialistische Revolution, sondern über ein schrittweises „Hineinwachsen“ in ein neues System, so die Vorstellung Otto Bauers. Das Scheitern dieser Strategie ist unbestreitbar. Donawitz selber wurde binnen weniger Jahre von der Avantgarde der Arbeiterbewegung zum Hort des Betriebsfaschismus, der völligen Entrechtung der Belegschaft.
Als nach der Befreiung vom Faschismus abermals über 2000 Betriebe von den Beschäftigten übernommen und weitgehend selbst geführt wurden, wurde die wirtschaftliche Mitbestimmung und Kontrolle der Betriebsräte gesetzlich festgelegt und auf eine gemäßigte, sozialpartnerschaftliche Schiene getrimmt, was schlussendlich mit der Niederschlagung des Oktoberstreiks 1950 auch voll durchgesetzt wurde. Jede Reform des Betriebsrätegesetz seither (ab 1973 Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes) schrieb das zum Kapital verschobene Kräfteverhältnis gesetzlich fortlaufend fest. Die Eigentumsfrage rückte völlig aus dem Fokus und wich der Illusion einer Partnerschaft auf Augenhöhe zwischen Kapital und Arbeit.
Funktionsperiode
Von Anfang an wurde die Dauer der Funktionsperiode heftig diskutiert. Auch war die jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit der Betriebsräte, fixer Bestandteil jeder Rätedemokratie, ein wichtiger Punkt der Auseinandersetzung. Der Bürokratisierung, der Bestechlichkeit als auch dem Agieren aus Eigennutz sollten enge Grenzen gesetzt werden. Die Festlegung einer Amtsperiode widersprach diesem Prinzip und wurde von Teilen der Basis heftig kritisiert. Das Betriebsrätegesetz von 1947 musste dieser Stimmung Rechnung tragen. Der Betriebsrat wird regulär jährlich gewählt und kann auf einer einfach einzuberufenden Betriebsversammlung auch jederzeit neu gewählt werden. In den kommenden Gesetzesreformen wurde dann aber die Länge der Periode auf zwei und dann schlussendlich auf 4 Jahre, nunmehr auf 5 Jahre verlängert. Als Relikt der Auseinandersetzung um Demokratie im Betrieb ist heute die Möglichkeit geblieben, den Betriebsrat weiter über eine Betriebsversammlung abzuwählen. In der Praxis passiert dies kaum, da die organisatorischen Hürden dafür sehr hoch sind, und die Gewerkschaften beinahe immer die bestehende Belegschaftsvertretung stützen, egal wie unfähig sie in der Realität auch agiert.
Der Betriebsratskaiser
Das Bild des dickbäuchigen, älteren, männlichen Betriebsratsvorsitzenden mit Shrimps-Cocktail am Management-Buffet spiegelt die ständige Anfeindung der Bürgerlichen gegen die als unnötig empfundene Teilhabe der Belegschaftsvertretung wider. Allerdings gibt das Bild auch eine veränderte Betriebsrealität wieder. Gab es im Nachkriegsaufschwung noch Spielräume für sozialpolitische Reformen, sind diese jetzt scheinbar ausgeschlossen und im Gegenteil vom Abbau betroffen. Einmal „auf den Tisch hauen“ reicht schon längst nicht mehr, um Verbesserungen durchzusetzen. Gleichzeitig wird die Gewerkschaftsbewegung in immer mehr Kollektivverträge aufgesplittert (und damit geschwächt). Viele Konflikte werden von der kollektiven auf die betriebliche Ebene ausgelagert. Der Druck auf die BetriebsrätInnen wächst und damit auch die „Umfaller“, während die Belegschaften „ohne Werkzeug“ den Verschlechterungen gegenüber stehen.
Die häufigste Form des Umfallens ist dabei der nicht geführte Kampf und die zunehmende Abkapselung des Betriebsrates von der Belegschaft und dessen ideenmäßige Integration in die Profitlogik der EigentümerInnen und Geschäftsführungen. Mit der Verlängerung der Betriebsratsperiode wird die Entfremdung der FunktionärInnen gegenüber den KollegInnen noch mehr verstärkt und bestehende Machtstrukturen werden zementiert. Vor allem für freigestellte BetriebsrätInnen bedeutet die Novelle, dass die Rückkehr zum „normalen Job“ noch schwieriger wird. Die Debatten in den Betrieben werden abflachen, da die Bindung der Betriebsratskörperschaft an die Geschäftsführungen verstärkt und jene an das Votum der Belegschaft jedoch ausgedünnt wird.
Sicherheitsnetze in unsicheren Zeiten
In den Betrieben hat sich der Druck seit Beginn der Krise spürbar verschärft. Zunehmender Rassismus und Sexismus sowie die weit verbreitete Tendenz, individuelle Antworten zu finden, machen es für BetriebsrätInnen nicht gerade einfacher, ein kollektives Vorgehen für eine Verbesserung der sozialen Lage der Belegschaft herzustellen. Noch schwerer wiegt aber das Fehlen einer politischen Alternative zu einer am Interesse des Kapitals ausgerichteten Krisenbewältigung und Standortpolitik seitens der Gewerkschaften, was den Spielraum für betriebliche Auseinandersetzungen sehr einschränkt.
So bleibt kämpferischen KollegInnen in den Betrieben nur, im eigenen Umfeld kontinuierlich das Band der Solidarität zu knüpfen, gemeinschaftliches Handeln zu befördern und auf die Selbstaktivierung der Belegschaft hinzuwirken. Ziel muss es sein, dass die BetriebsrätInnen weg kommen von der weitverbreiteten Stellvertreterlogik und sich als Sprachrohr einer selbstbewussten, gut organisierten Belegschaft verstehen, mit der sie ständig im Austausch sind und der sie zu 100% rechenschaftspflichtig sind.
Lis Mandl ist im Vorstand von work@social Wien und BRin bei VKKJ Wien