Seit einigen Wochen findet eine regelrechte Hetzkampagne gegen gewerkschaftliche Arbeit und Einfluss in Österreich statt. Eine Analyse von Sandro Tsipouras.

Die Bürgerlichen bereiten sich damit klarerweise auf Auseinandersetzungen in der Zukunft vor. Doch ausgerechnet der Bundesgeschäftsführer der SPÖ, Georg Niedermühlbichler, setzte den Startpunkt dazu, indem er erklärte, die Gewerkschaften würden vor allem als „Bremser“ wahrgenommen. In dieser Aussage spiegelt er ganz die Wünsche des Kapitals wieder. Denn wobei bremsen sie? Bei der Umsetzung jener Reformvorhaben, mit denen die Regierung das Land aus Krise und Stagnation herausführen will. Zu dieser Einschätzung passt, dass auch die neue Gesundheitsministerin nicht aus Gewerkschaftskreisen kommt.

Zur Regierungsvereinbarung gehört das Ultimatum an ÖGB und Wirtschaftskammer, ein Konzept zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns bei gleichzeitiger Flexibilisierung der Arbeitszeit zu erarbeiten. Der Mindestlohn soll also damit erkauft werden, dass Unternehmer das Recht erhalten, 12-Stunden-Schichten ohne Zahlung von Überstundenzuschlägen zu fordern, was nach AK-Zahlen einen Gesamtlohnverlust von 1,3 bis 1,5 Mrd. Euro bedeuten würde. Im Gegenzug fordert der ÖGB eine Arbeitszeitverkürzung, die entweder die Form einer sechsten Urlaubswoche oder einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 36 Stunden annehmen soll.

Legt sich der ÖGB nieder?

Die Regierung verlangt eine Kapitulation des ÖGB: Entweder, der 12-Stunden-Tag kommt per „Vereinbarung“ als Verhandlungsergebnis, oder die Verhandlungen scheitern und es gibt eine „Lösung“ per Gesetz. Wenn die Logik Kerns, das heißt des „Plan A“ und der neuen Regierungsübereinkunft, angewandt wird, heißt das: Im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs, der Modernität und der Förderung von Unternehmen wird die Arbeitszeitflexibilisierung durchgesetzt. Kern und die SPÖ-Spitze könnten sich so als verlässliche Partner des Kapitals präsentieren und hoffen, so weiterhin in der Regierung bleiben zu können. Der neue nationale Schulterschluss findet unter liberalen Vorzeichen statt, die ArbeiterInnen sind weiterhin die Leidtragenden.

Der Mindestlohn wird sich durch den Wegfall der Überstundenzuschläge rasch als schwacher Trost erweisen, die Umverteilungsspirale von Löhnen zum Kapital wird hier verschärft in Schwung gesetzt werden. Von der Wirtschaft geforderte „Übergangzeiten“ bis ins Jahr 2025 (!) werden von den Gewerkschaften aus der absurden Logik des bürokratischen Apparates heraus, der das Monopol der Kollektivverträge bei der Höhe des Lohnes nicht gefährden will, nur schwach beeinsprucht. FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian etwa will laufende (Geheim-)Verhandlungen nicht öffentlich kommentieren. Was es braucht, um die Angriffe abzuwehren, ist eine offensive Kampagne für die sozialen Interessen aller Lohnabhängigen, die sofortige Umsetzung eines Mindestlohnes von 1.500 € im Monat und eine tatkräftige Kampagne gegen jede weitere Ausweitung der Arbeitszeit. Dies geht nur durch die entschlossene und aktive Mobilisierung der KollegInnen. Doch die derzeitige Gewerkschaftsspitze scheint nicht gewillt, diesen Weg zu gehen. Wird der derzeitige Kurs beibehalten, ist deshalb folgendes Szenario vorgezeichnet: eingeklemmt zwischen dem Druck Kerns aus der Regierung und der selbstgewählten Impotenz am sozialpartnerschaftlichen Verhandlungstisch droht eine kampflose Kapitulation.

Kerns Strategie, die Bürgerlichen durch eine besonders musterhafte Politik der Umsetzungen von Konterreformen von sich zu überzeugen und dafür den Einfluss der Gewerkschaften zurückzudrängen, um so die SPÖ in eine nächste Regierung hinüber zu retten, steht in einer Linie mit der Politik von Tony Blair in Großbritannien und Gerhard Schröder in Deutschland, mit katastrophalen Folgen für die Arbeiterklasse in jenen Ländern. Bei dieser „Rettungsaktion“ geht es Kern offensichtlich auch ausschließlich um die führende Clique der Partei – die Basis wird mit Knalleffekten und guten Umfragewerten zwar bei Laune gehalten, gleichzeitig wurde aber bei der Verkündung des „Plan A“ nicht einmal mehr so getan, als gebe es demokratische Prozesse in der Partei.

Die gleichzeitige Entmündigung der Parteibasis und der Gewerkschaft zeichnet den derzeitigen Kurs auf, auf dem sich die Partei befindet – auch wenn das in der Basis im Moment im letzten Rausch der Kern-Hysterie oftmals nicht so wahrgenommen wird. Geht es nach den bürgerlichen Strategen und der Parteispitze um Kern, soll die Rolle der SPÖ letztendlich die eines bürgerlichen Wahlvereines sein. Das eigentliche Opfer dieser Geisterfahrt in der gesamten österreichischen Arbeiterbewegung sind aber die Millionen österreichischer Arbeiterinnen und Arbeiter.

Die Strategie der ÖGB-Spitze der letzten Jahre war voll in der sozialpartnerschaftlichen Logik verankert: Sie bestand darin, sich im parlamentarischen Prozess und in der Regierung Spielräume zu erarbeiten. Die Lohnsteuerreform ist dabei das wichtigste Ergebnis der gewerkschaftlichen Bemühungen. Doch trotz der zahnlosen Politik im Sinne des „Standortes Österreich“ werden die Gewerkschaften nun doch wieder als Hauptproblem für „notwendige Reformen“ wahrgenommen. Der Grund ist einfach. Als Massenorganisationen sind sie dem Druck der arbeitenden Menschen ausgesetzt. Die Bedürfnisse des Kapitals und die Strategie von Kern besteht genau darin, seine Regierungsgeschäfte frei von organisiertem gesellschaftlichem Druck, vor allem aus der Arbeiterklasse zu machen. Sein Facebookauftritt soll reale gesellschaftliche Verankerung ersetzen, da er sich voll einem „klassenunabhängigen“ Konzept der „Modernisierung“ und „Arbeit“ (idealerweise selbstständige, Stichwort Förderung von „Startups“) verschrieben hat.

In jedem Fall hat Innenminister Sobotka bereits das richtige Rezept für den kommenden Fall parat, wenn die Unterordnung der Arbeiterklasse unter das Kapital auf keine Art und Weise mehr funktioniert: Beschränkung der Demonstrationsfreiheit (wir berichteten in Nr. 151). Sobotka geht es nach eigenen Worten um „Lösungen, um die Stimmungen in Österreich gut unter Kontrolle zu haben“. Die SPÖ-Spitze hat den Vorschlag Sobotkas zurückgewiesen, doch auch wenn der Weg ein anderer ist, ihr Ziel ist das Selbe: Die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Ruhe durch eine Abschottung des Staates von sozialem Druck.

Um diesen Angriffen etwas entgegenzusetzen, braucht es eine klassenkämpferische Politik, die keine Rücksicht auf die „Standortlogik“ und die Interessen des Kapitals nimmt. Die Zeiten, in denen es für die Arbeiterinnen und Arbeiter eine Option war, einfach auf gute „Verhandlungsergebnisse“ von oben zu warten, sind ein für allemal vorbei. Was es braucht, ist verdoppelte und verdreifachte Aktivität von unten, in den Betrieben selbst, die alle Schritte der Führung genau nachvollziehen und kontrollieren und, wenn das nötig ist, eine andere Führung an ihre Spitze setzen. Auf den 12-Stunden-Tag werden weitere Angriffe folgen. Die Herstellung von Kampffähigkeit in den Betrieben und Gewerkschaften ist die einzige Möglichkeit, um dem etwas entgegenzusetzen.


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