Die „Sozialpartnerschaft“ lebt, und den Lohnabhängigen drohen in Zukunft längere Arbeitszeiten. Der 8-Stunden-Tag ist Geschichte. Was steckt genau in der Mogelpackung „Arbeitszeitpaket“ von ÖGB und Wirtschaftskammer?
In einer gemeinsamen Stellungnahme zeigte sich Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer, über die Einigung erfreut: „Das Arbeitszeitpaket bringt den Unternehmen die Spielräume, die für den Wirtschaftsstandort Österreich dringend nötig sind". Auch die ÖGB-Homepage betont die Bedeutung der Einigung für den Standort Österreich. Dies sei vor allem deshalb möglich, weil die Unternehmen nun flexibler als bisher die Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten an der schwankenden Auslastung ausrichten können. Sind die Auftragsbücher voll und die Nachfrage groß, wird voll produziert und die ArbeitnehmerInnen müssen länger hackeln ohne dass sie Überstunden ausbezahlt bekommen.
Konkret bringt dieser Pakt für die Lohnabhängigen folgende Veränderungen:
Es kann nun eine Viertagewoche bei einer Normalarbeitszeit von zehn Stunden auf betrieblicher Ebene oder sogar individuell zwischen dem Unternehmer und dem einzelnen Beschäftigten vereinbart werden. Das heißt: Dem einzelnen Arbeitnehmer kann nun ein 10-Stundentag aufgezwungen werden, mit wechselnden Zeiten, ohne wie bisher Überstunden bezahlt zu bekommen. Bisher war dazu der Kollektivvertrag nötig und die Tage mussten zusammenhängen. Zehn Stunden Normalarbeitszeit sind nun auch bei Gleitzeitvereinbarungen möglich. Die Normalarbeitszeit betrug bisher acht Stunden.
Bei Überstunden – die erst ab der 11. Stunde anfallen – können ArbeitnehmerInnen nunmehr sogar zwölf Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche beschäftigt werden. Das Unternehmen muss nur angeben, dass es einen „besonderen Arbeitsbedarf“ hat und einen "unverhältnismäßigen wirtschaftlichen Nachteil" zu verhindern habe. Und wie soll unter den herrschenden Bedingungen den UnternehmerInnen das Gegenteil nachgewiesen werden? Nach acht Wochen Ausnützung der Höchstarbeitszeit muss es eine Pause von zwei Wochen geben, in denen die Normalarbeitszeit nicht überschritten werden darf. Mit der möglichen Ausweitung von Überstundenarbeit im Ausmaß von 12 Stunden täglich, 60 Stunden wöchentlich von 12 auf bis zu 24 Wochen im Jahr droht den Beschäftigten jedenfalls eine massive Arbeitszeitverlängerung.
Dazu kommen „für die Arbeitgeber Erleichterungen bei Schichtarbeit“: Ab sofort sollen auch 12-Stunden-Schichten möglich sein. Beginn der Wochenendruhe bei Schichtbetrieb am Samstag ist erst um 24.00 Uhr.
Diese Maßnahmen werden verheerende Folgen für die Gesundheit und Lebensqualität der ArbeitnehmerInnen haben. Die realen Arbeitszeiten sind in Österreich im EU-Vergleich ohnedies schon bisher sehr hoch gewesen (im Durchschnitt 44,1 Wochenstunden). Jetzt ist die Basis dafür gelegt, dass die HacklerInnen noch länger arbeiten werden müssen – und zwar für weniger Geld!
Gewerkschaftsspitze zeigt sich zufrieden
Das „Zugeständnis“ an die Gewerkschaft ist, dass sie diese Regelungen in den einzelnen Branchen per Kollektivvertrag mitverhandeln darf. Im Kollektivvertrag kann aber eine Stärkung der betrieblichen Ebene beschlossen werden, wobei dann Arbeitszeitregelungen verstärkt über Betriebsvereinbarungen getroffen werden sollten. Das wird die Position der ArbeitnehmerInnen weiter schwächen. Ihre Interessen werden dann noch stärker als bisher an den Bedürfnissen der Unternehmen ausgerichtet.
Als großen Verhandlungserfolg verkauft uns die Gewerkschaftsspitze den Punkt, wonach Teilzeitbeschäftigte, die Mehrarbeit leisten, Anspruch auf einen gesetzlichen Mehrarbeitszuschlag von 25 Prozent erhalten. Mit dieser Regelung sei es für die Wirtschaft nicht mehr so attraktiv Vollzeitarbeitsplätze durch Teilzeitarbeitsplätze zu ersetzen, so die Gewerkschaft. Der Zuschlag ist aber weit unter dem bisher üblichen Überstundenzuschlag von 50%. Wer die Einigung genau liest, stolpert außerdem über die Formulierung „unter bestimmten Voraussetzungen“, die in dem Papier nicht näher definiert werden. Solche Gummiparagraphen helfen immer den Unternehmen. Die Regelung sieht außerdem vor, dass die Zuschläge nicht zu bezahlen sind, wenn die Mehrarbeit durch Zeitausgleich abgegolten wird, was schon heute in Branchen, wo Teilzeitarbeit üblich ist (z.B. im Handel), meist die Praxis ist. Schon bisher werden geschätzte 30 Prozent der zuschlagspflichtigen Mehrarbeit nicht abgegolten. Von dieser vermeintlichen Verbesserung werden also die meisten TeilzeitarbeiterInnen nicht viel merken.
Wirtschaft ist erfreut und will noch mehr
Für die Gewerkschaftsspitze ist mit diesem „Arbeitszeitpakt“ die Lebendigkeit der Sozialpartnerschaft unter Beweis gestellt. Die Wirtschaft zeigt sich über diese „ersten Schritte“ bei der Arbeitszeitflexibilisierung, wie sie es nennt, hoch erfreut. Diesem wichtigen ersten Schritt müssten aber weitere folgen, so Veit Sorger, Präsident der Industriellenvereinigung (IV). Die IV wolle aber auch weiterhin hartnäckig bleiben. Vorrangiges Ziel sei eine Ausweitung der Durchrechnungszeiträume auf 2 Jahre. Und bei den Kollektivvertragsverhandlungen wolle sie eine möglichst weitreichende Stärkung der betrieblichen Ebene durchsetzen.
Wie auch der ÖGB spricht sich Sorger dafür aus, dass auch die ArbeitnehmerInnen von der größeren Flexibilisierung profitieren. Bei ihm sieht das aber so aus, dass die Beschäftigten darauf hoffen müssen, dass die Wirtschaft von diesen Maßnahmen profitiert und die ArbeitnehmerInnen in der Folge verstärkt an den Gewinnen beteiligt werden. Damit ist auch schon die nächste Front festgelegt, wo das Kapital weitere Angriffe plant. Wie sagt Veit Sorger doch treffend? „Unserer Kreativität diesbezüglich sollte keine Grenzen gesetzt sein“. Eine gefährliche Drohung, die wir sehr ernst nehmen sollten.
Eins ist klar: mit diesem „Arbeitszeitpakt“ wurde für die Unternehmen ein perfektes Einfallstor geschaffen. Die ÖGB-Spitze hat sich einmal mehr vor den Karren der Wirtschaft spannen lassen und die Interessen der Lohnabhängigen auf dem Altar der Sozialpartnerschaft geopfert. Der ÖGB hat einmal mehr über die Köpfe der Gewerkschaftsmitglieder und der Lohnabhängigen einer massiven Verschlechterung zugestimmt. Dieser Arbeitszeitpakt muss einer Urabstimmung unter allen Gewerkschaftsmitgliedern unterzogen werden.
Organisieren wir in den Gewerkschaften und den Betrieben eine Kampagne gegen die drohende Arbeitszeitverlängerung!
Auf betrieblicher Ebene sind mit diesem Pakt massiven Verschlechterungen für die Beschäftigten Tür und Tor geöffnet. In den Betrieben gilt es nun eine Gegenmacht zur Diktatur des Profits aufzubauen. Nur so können wir verhindern, dass wir unter die Räder kommen!