Am 20. September übergab das Verhandlungsteam der Gewerkschaften PRO-GE und GPA-djp in der Wirtschaftskammer das Forderungsprogramm für die Kollektivvertragsverhandlungen. Ute Zechner und Emanuel Tomaselli beleuchten die Ausgangssituation für die heurige Herbstlohnrunde.
Beide Seiten zeigten sich angesichts guter Konjunkturdaten zuversichtlich und betont freundlich. Im Anschluss an die Übergabe fand das Wirtschaftsgespräch und die erste Runde mit dem größten Arbeitgeberverband FMTI statt. Am 9. Oktober 2017 werden die Forderungen im Detail verhandelt. Ein konkretes Ergebnis ist aber erst für Ende Oktober zu erwarten, also nach den Nationalratswahlen.
Rückenwind Bürgerblock
Die Unternehmerseite erwartet sich vom Wahlausgang starken politischen Rückenwind, um langjährige Forderungen, die im Frühsommer bei Verhandlungen mit der Gewerkschaft nicht durchzubringen waren, endlich durchsetzen zu können. Der zuschlagfreie 12-Stunden-Tag soll endlich kommen, das Kollektivvertragswesen an sich soll endlich geschwächt werden. Für dieses zentrale Unterfangen sehen ÖVP, FPÖ und NEOS einen wichtigen Hebel: Die Aufhebung der Pflichtmitgliedschaft in Arbeiter- und Wirtschaftskammer, womit eine zentrale Säule des Flächenkollektivvertrags gestürzt wäre. Einzelne Unternehmen könnten dann leicht aus den Kollektivverträgen aussteigen. Dies entspricht den Forderungen der Manager großer österreichischer Konzerne, wie voestalpine, Kapsch oder KTM.
Wirtschaftspolitisch wird es für die Unternehmer mit der neuen Regierung jedenfalls Verbesserungen geben: Eine Senkung der Lohnnebenkosten unterstützt auch die SPÖ, ÖVP und FPÖ versprechen zudem den Entfall der Körperschaftssteuer auf nicht entnommene Gewinne, was einer Unternehmer-Entlastung von mindestens 4,5 Mrd. € pro Jahr entspricht. Unter einer Regierung Kurz soll, so der Plan, die Steuerbelastung für Firmengewinne um etwa 2/3 gekürzt werden.
Selbst wenn diese Maximalvariante, etwa aufgrund des Widerstands kleinerer Unternehmen, nicht sofort umgesetzt wird, haben ÖVP und FPÖ zahlreiche Ideen, wie die Interessensvertretung für Arbeitnehmer geschwächt werden soll: Die Halbierung der AK-Beiträge, die Aushöhlung der Arbeitsschutzgesetzgebung und der 12-Stunden-Tag über den Weg von Betriebsvereinbarungen. Kurz stellt klar, dass er auch keine Angst davor hat, gegen die Gewerkschaften zu regieren.
Damit entspricht Kurz den Forderungen der radikalsten Teile der Unternehmer. Der Metallfachverband FMTI steht seit Jahren für eine harte Gangart gegen die betriebliche und überbetriebliche Interessensvertretung der Arbeiterinnen und Arbeiter. Obmann Knill kommentierte den Fahrplan für die Erhöhung des Mindestlohnes auf 1.500 im Juli so: „Ich bin entsetzt. Diese sogenannte Einigung ist für mich das Ende der Sozialpartnerschaft, wie wir sie kennen.“
Alle politischen Signale deuten darauf hin, dass die heranbrechende politische Konstellation die Profitbedingungen der Unternehmer schon bald massiv verbessern wird. Egal wie die Regierungsverhandlungen ausgehen, es wird für uns ArbeitnehmerInnen nichts zu holen sein. Dennoch schien die Strategie der Gewerkschaften zu sein, nicht primär bei den Kollektivvertragsverhandlungen Druck zu machen, sondern vielmehr auf die Beeinflussung der Regierungsbildung zu setzen. Der Fahrplan für die Verhandlungen mit dem FMTI, der länger als sonst üblich ist, deutet darauf hin.
Knill: „‘Gib du mir was, dann bekommst du was‘, ist überholt“
Die Unternehmer werden nicht müde, die „Umwandlung der Sozialpartnerschaft in eine Standortpartnerschaft“ zu fordern. „Alte Rituale sind überholt“, „keine nächtelangen Verhandlungen“, „Mehrjahresabschlüsse“, „Flexibilität und Zusammenarbeit auf Betriebsebene“ etc. Die Idee dahinter ist es, dass es einfacher ist, ihre Profitinteressen auf Betriebsebene durchzusetzen. Eine einzelne Belegschaft ist einfacher zu erpressen als die gesamte Gewerkschaft, ein Betriebsrat leichter zu brechen und einzukaufen als die Gesamtbewegung.
Den besten Konjunkturdaten seit Jahren zum Trotz, wird aktuell „Augenmaß“ gefordert, angeblich um den Standort, die Exporttätigkeit und die anrollenden Investitionen nicht zu gefährden. In Wirklichkeit geht’s um die fetten Gewinnausschüttungen der Eigentümer und die Boni der Geschäftsleitungen.
Die Strategie der Gewerkschaften
Gerade in Zeiten des verschärften Klassenkampfs von oben und einer Langzeitoffensive des Kapitals bedarf es einer kämpferischen Interessensvertretung. Die Kräfteverschiebung hin zum Kapital zeigt sich nicht nur im gesamtgesellschaftlichen Maßstab, sondern im Besonderen in den Arbeitsbeziehungen. Das Hauptaugenmerk der Gewerkschaften dabei ist es, die „Sozialpartnerschaft“ aufrecht zu erhalten. Angesichts der radikalen Pläne der Unternehmen räumte die Gewerkschaft dafür bereits im Vorfeld der Herbstlohnrunde Zugeständnisse ein, etwa in dem sie sich auch Einmalzahlungen vorstellen kann, um die Betriebe nicht dauerhaft mit stark steigenden Lohnkosten zu belasten.
Obwohl undemokratisch strukturiert, ist sie als Mitgliederorganisation dem Willen ihrer Mitglieder dennoch indirekt ausgesetzt. Die Stimmung unter den Kolleginnen und Kollegen ist aktuell durch Skepsis und Abwarten geprägt. Die Erfahrung der letzten Jahre wiegt schwer. Oftmals wurde eine kleine Flamme des Kampfeswillens entfacht, aber durch niedrige Abschlüsse stets wieder gedämpft. Arbeitsverdichtung, Leiharbeit, Umstrukturierungen, Zulagenkürzungen etc. in beinahe allen Betrieben, tun viel dazu bei, dass der einzelne Metallarbeiter, die einzelne Kollegin ihre Rettung in individuellen Strategien sucht: Schöpfen und Schlängeln, solange es geht.
Um einer weiteren Schwächung und Entsolidarisierung innerhalb der Gewerkschaftsbewegung entgegenzuwirken, braucht es eine neue gewerkschaftliche Strategie. Die Gewerkschaftsspitze versteht ihr Problem und setzt heuer erstmals auf eine Art von Mitmachmöglichkeit, in Form einer Online-Umfrage unter www.dubistgewerkschaft.at. Ohne genannte Lohnziele lässt sich aber kein Feuer entfachen. Dies geschah am 3. Oktober, an dem die Gewerkschaften die Forderung von 4 % Lohnsteigerung auf den Tisch legten. Das Ziel an sich ist moderat: Das Wirtschaftswachstum wird heuer etwa 2,8% betragen, die Inflation 1,8 %, der Miniwarenkorb der täglichen Ausgaben verteuert sich gar um 4,1%, und das durchschnittliche Produktivitätswachswachstum in der Industrie liegt bei sagenhaften 5,7% plus im Jahresabstand. Erwartungsgemäß ist die erste Reaktion der Unternehmer ablehnend. „Diese Forderungen sind weit entfernt von jeder wirtschaftlichen Vernunft“, argumentiert Arbeitgeber-Obmann Knill.
Das Ziel der 4 % kann nur erreicht werden, wenn tatkräftig dafür mobilisiert wird, und zwar von vorneherein in den Betrieben. Rituelle Betriebsratskonferenzen mit schwammigen, weinerlich vorgetragenen und unverbindlichen Resolutionen werden weder die Unternehmer noch die Kolleginnen und Kollegen überzeugen. Die Zeiten, in denen es für die Arbeiterinnen und Arbeiter eine Option war, einfach auf gute „Verhandlungsergebnisse“ von oben zu warten, sind vorbei. Je besser dies verstanden wird und je konkreter der Arbeitskampf vorbereitet wird, desto eher können wir der Offensive der Eigentümer und Geschäftsführungen Einhalt gebieten.