Auch bei der Eisenbahn stehen die Zeichen auf Arbeitskampf. Werden 15 Jahre nach dem großen Eisenbahnerstreik von 2003 wieder alle Räder still stehen? Wenn wir gewinnen wollen, sollten wir die Lehren von damals ziehen.

Die erste schwarz-blaue Regierung plante damals gesetzliche Eingriffe ins Dienstrecht und eine Aufspaltung der ÖBB als Vorbereitung zu einer Privatisierung. Im „Funke“ haben wir damals das Ziel der Bürgerblockregierung so analysiert: Es ging darum, der „Gewerkschaft, der Schutzorganisation der Lohnarbeitenden, eine empfindliche Niederlage zuzufügen und den Lebensstandard der EisenbahnerInnen entscheidend hinabzudrücken. Die Schraube der Ausbeutung soll weiter angezogen werden.“

Als im November 2003 die EisenbahnerInnen gegen diese Pläne in den Kampf zogen, lieferten sie ein beeindruckendes Zeichen der Stärke. 66 Stunden fuhren keine Züge. Der Streik hat den Unternehmern wirklich wehgetan und war bereits in mehreren Industrien spürbar. Doch dann kam völlig überraschend die Entscheidung der damaligen Gewerkschaftsführung: Der Streik wurde abgebrochen.

Nicht wenige Eisenbahner sprechen bis heute von „Verrat“, wenn das Gespräch auf den Streik kommt. Der Effekt dieser selbstgemachten Niederlage ist jetzt noch bitter spürbar. Viele Kollegen zeigen offen Skepsis, wenn die Gewerkschaft von Arbeitskampf spricht. Diese Vertrauenskrise ist nur zu lösen, wenn die Gewerkschaft die Lehren aus dem damaligen Scheitern zieht.

Wir waren 2003 in der Streikbewegung sehr aktiv und haben von Anfang an gewarnt, dass die Methoden der Gewerkschaftsführung die Gefahr der Niederlage in sich bergen. Schon beim ersten Warnstreik haben wir in unserem Flugblatt geschrieben:

„Entscheidend wird dabei sein, dass die EisenbahnerInnen gemeinsam mit ihren Personalvertretungen und innerbetrieblichen Gewerkschaftsausschüssen fordern, dass nur sie alleine über die Fortführung bzw. Beendigung des derzeitigen Kampfes zu entscheiden haben. (…) Je mehr die EisenbahnerInnen diesen Kampf auf ihren Schultern tragen, desto unmöglicher kann die Gewerkschaftsführung über ihre Köpfe hinweg einen faulen Kompromiss ausverhandeln.“

Schon in der Bilanz des ersten Warnstreiks hatten wir angesichts der sehr passiven Streiktaktik der Gewerkschaftsspitze und dem Verzicht auf eine Mobilisierung in der Öffentlichkeit erklärt, dass Vorsicht geboten ist.
Wir schrieben, die Gewerkschaftsführung ist „nicht grundsätzlich gegen die Herstellung einer dubiosen Konkurrenzfähigkeit der Bahn. Sie befürwortet daher ebenfalls eine Reform und sie will daran beteiligt werden. (…)

Weiters kann unsere Gewerkschaftsführung mit einer ‚schlanken Bahn‘ sehr wohl leben, wenn sie nur einen gebührenden Platz darin zugesprochen bekommt. Was ist schon die Vernichtung von zig Tausenden Arbeitsplätzen – nicht das erste Mal würde eine Gewerkschaftsführung bei massiver Arbeitsplatzvernichtung mitwirken – wenn dafür nur die Organisation gerettet werden kann. Die Organisation wird so zum Selbstzweck. Sie ist kein Mittel der Gewerkschaftsmitglieder ihre Rechte zu verteidigen, sondern sie wird zum Selbstzweck der bezahlten Funktionäre, der Gewerkschaftsbürokratie.“

Unsere Antwort auf diese Situation war die Forderung nach einem aktiven Streik mit Kundgebungen und Demonstrationen auf der Straße und einer Demokratisierung der Streikführung. Unter dem Titel „Wir wollen siegen! - Drei Vorschläge für einen Sieg im EisenbahnerInnen-Arbeitskampf“ verteilten wir am Höhepunkt des Streiks ein Flugblatt, in dem wir schrieben:

„Keine wesentliche Entscheidung darf mehr getroffen werden, ohne dass die Mitgliedschaft das entscheidende Sagen hat. Zentral wird dabei auch sein, dass über einen eventuellen Streikabbruch nur in einer Urabstimmung aller EisenbahnerInnen entschieden werden darf.“

In einem so zugespitzten Arbeitskampf ist der Druck der Gegenseite natürlich enorm. Ein Eisenbahnerstreik hat eine gewaltige Hebelwirkung auf die gesamte Wirtschaft.

Das Kapital wird schnell nervös, wenn die Züge nicht mehr fahren. Es ist verständlich, dass dieser Druck schnell einmal zu groß wird. Die Kollegen an der Spitze der Gewerkschaft müssen daher gestärkt werden, damit sie im entscheidenden Moment nicht wieder schwach werden.

Das geht nur, indem die Eisenbahner und Eisenbahnerinnen in die Führung des Arbeitskampfes direkt eingebunden werden und sich entschlossen aufstellen, damit die in der ersten Reihe nicht umfallen können.

(Funke Nr. 168 / November 2018)


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