Eine launige Laudatio auf die stärkste Gewerkschaftsorganisation Europas. Von Funke-Redakteur Emanuel Tomaselli.

Man kann sich die Freude der ÖGB-Präsidenten hineinfühlen, als der Bundeskanzler die tragende Rolle der Sozialpartnerschaft ausgerechnet in seiner Geburtstagsrede an die Republik gelobt hat. Dass Kurz hier sogar die Rolle von Bruno Kreisky würdigte, hat wohl die letzten Vorbehalte gegenüber dem nunmehr vormaligen Konzerne-Kanzler dahin schmelzen lassen.

Woher kommt das?

Im April 1945, als Hitler noch im „Führerbunker“ ausharrte, haben die Gründerväter des ÖGB sich schon als staatstragende Kraft der künftigen kapitalistischen Republik verstanden. Dies musste man den vom Faschismus ausgemergelten Massen, die mit Kriegsende die Produktion unter ihrer eignen Kontrolle neustarteten, erst mal beibringen. Seit der Niederlage des Oktoberstreiks 1950 gilt die „Sozialpartnerschaft“ aber hierzulande als die natürliche Lebensform des Gewerkschaftswesens.

Dieses Selbstbild der Gewerkschaftsführung wird seit 20 Jahren von den Bürgerlichen offen in Frage gestellt. Zuvor schon sahen wir das weitgehend kampflose Ende der gewerkschaftlichen Hochburgen in der „Verstaatlichten“ (ja sowas gab‘s mal: Industrie im Staatseigentum mit starker Mitsprache durch den Betriebsrat und sozialen Leistungen) und das Mittragen der ersten Sparpakete in den 1990er Jahren, um die österreichische Wirtschaft „europafit“ zu machen.

Um sich an den Verhandlungstisch mit der Regierung zurück zu katapultieren, organisierte der ÖGB anlässlich des großen Pensionsraubs im Jahr 2003 sogar einmal einen Generalstreik, an dem sich 18.000 Betriebe beteiligten. Der Pensionsraub wurde dann aber kurz darauf vom ÖGB-Präsidenten mitunterschrieben. 2006 war ein besonders hartes Jahr, weil die Gewerkschaftsbank BAWAG pleite ging. Der sagenumwobene, prall gefüllte „Streikfonds“ wurde am Finanzmarkt verspekuliert. Das Gute daran ist, dass die Gewerkschaften seither tatsächlich von Mitgliedsbeiträgen abhängig sind.

Von Zeit zu Zeit macht man also Kampagnen und ruft zu Warnstreiks auf, um auch von der Arbeiterklasse direkt „gespürt“ zu werden. In der Bankenkrise 2008/09 wurde der ÖGB wieder voll in die Staatsgeschäfte eingebunden. Damit waren jedoch nicht alle Bürgerlichen einverstanden. Besonders die Arbeitgeber in den Produktionssektoren machten voll Druck, die Kollektivverträge aufzuspalten. Dies gelang in der Druckindustrie, wo die Gewerkschaftsspitze jahrelang zögerte, einen Abwehrkampf zu organisieren.

Die Metaller kämpfen 2012 in mehreren Streikrunden für 5,5% und einen gemeinsamen Kollektivvertrag und konnten sehr nahe an ihr Ziel kommen. Seither jedoch verhindert unsolidarisches Verhalten einiger zentraler Betriebsräte die Wiederherstellung einer starken Abwehrfront gegen zunehmend aggressive Unternehmer.

Mit der Regierung Kurz I verhielt es sich sehr kritisch. Obwohl der neugewählte ÖGB-Präsident Katzian die Hand ausstreckte, nahm Kurz diese nie an, sondern setzte im Schnellverfahren den 12-Stundentag durch. Eine in kürzester Zeit organisierte ÖGB-Großdemo brachte 100.000 auf die Straße. Auf die Einlösung des Versprechens, dass ab Herbst massiv gegen diesen historischen Rückschritt gekämpft werde, warten wir aber noch heute.

Heute stehen wir vor einer noch tieferen Wirtschaftskrise als 2008, und die ÖGB-Spitze wird wieder ins große politische Geschäft namens „Sozialpartnerschaft“ eingebunden.

Welchen Charakter hat eine solche Zusammenarbeit?

Die Prämisse des ÖGB lautet, dass die Krise „nicht nur von den ArbeitnehmerInnen gezahlt werden könne“. Nun, da hat er zweifelsohne recht, aber besser wäre mal damit zu beginnen, dass die Krise ohne Wenn und Aber von den Profiteuren bezahlt werden muss, und keinesfalls von uns. Eine erste konkrete Idee der ÖGB-Spitze lautet jetzt, dass all jene, die in der Corona-Krise arbeiten müssen, als „Dankeschön“ einen 1000er Bonus bekommen, und zwar aus dem Staatsbudget.

Wenn man weiß, dass 2/3 der Steuereinnahmen von den arbeitenden Menschen beigesteuert werden, ist dies also nicht mehr ein Taschenspielertrick, wo man uns in ein Tascherl was reinsteckt, was man uns dann aus dem anderen wieder rauszieht. Wir können mit Sicherheit sagen, dass dies nicht das ist, was sich die KrankenpflegerInnen, Reinigungskräfte und Bauarbeiter unter „Anerkennung“ vorstellen.

Und zuletzt ein Wort zur politischen Bedeutung der „Sozialpartnerschaft“: Sie ist ein Ausverkauf all jener KollegInnen, die mutig und stark genug sind, um für bessere Bedingungen zu kämpfen. Wir verweisen hier nur auf die Vorgänge im SWÖ-Kollektivvertrag.

Und wir möchten hier betonen: Wir kritisieren hier nicht einzelne Personen, und keinesfalls unterstellen wir den KollegInnen, die für die Gewerkschaftsbewegung hauptamtlich arbeiten, unlautere Motive. Im Gegenteil: In den Gewerkschaften arbeiten viele engagierte KollegInnen, und wir freuen uns, unter ihnen nicht wenige AbonnentInnen zu haben.

Wir sehen uns aber verpflichtet, die ungeschminkte Wahrheit zu sagen: Diese aktuelle Krise ist so tief, dass es keinen Spielraum für friedliche Beziehungen zwischen den Lohnabhängigen und den Abreitgebern geben kann.

Wer Frieden mit Kurz und seinen Krisen-Profiteuren haben will, der wendet sich weg von den Lohnabhängigen. Dies ist keine Frage des individuellen Wollens, sondern der zugespitzten Frontstellung von Kapital und Arbeit in Zeiten der Krise.

Daher: Alles. was die Kampffähigkeit praktisch und ideenmäßig stärkt, ist gut. Alles, was den Arbeitenden Sand in die Augen über angebliche „Partnerschaften“ streut, ist ein Hemmnis.

Daher: Happy Birthday, ÖGB! Aber erklär dem Kurz, dass das mit der Partnerschaft nichts wird, ok?

(Funke Nr. 183/27.4.2020)


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