Italien. Der Gewerkschaftsaktivist Adil Belakadim starb, weil ein LKW gezielt in einen Streikposten raste. Dieser Mord darf von der Gewerkschaftsbewegung nicht unbeantwortet bleiben.

Adil Belakadim (37 Jahre) war ein Gewerkschaftsaktivist der Basisgewerkschaft Si Cobas, die seit Jahren wichtige Organisierungsarbeit unter den prekärsten Schichten der Arbeiterklasse leistet. Lange Jahre arbeitete der gebürtige Marokkaner und zweifache Vater selbst in der Logistikbranche, bis er selbst Gewerkschaftshauptamtlicher wurde. Am 18. Juni stand er mit anderen Kollegen in Novara im Zuge des landesweiten Streiks in der Logistikbranche vor einem LIDL-Verteilzentrum und kämpfte für einen besseren Kollektivvertrag, als plötzlich ein LKW-Fahrer auf sie zuraste und gezielt den Streikposten durchbrechen wollte. Das Ganze war kein Unfall, sondern ein gezielter Angriff auf die Gewerkschaftsbewegung und speziell die Si Cobas.

Dieser tragische Vorfall ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Seit Wochen häufen sich die Anzeichen, dass die Unternehmer eine harte Linie gegen die gewerkschaftlichen Organisierungsversuche in der Logistikbranche verfolgen und vor einer offenen Konfrontation nicht mehr zurückschrecken.

Erst vor kurzem wurde in Tavazzano (Lodi) ein Streikposten bei FedEx TNT gewaltsam angegriffen und schwer verletzt. In Prato wurde ein Gewerkschaftsaktivist mit einem Ziegelstein attackiert und geschlagen. Die Liste solcher Beispiele ist eine lange. Nicht selten stecken mafiöse Vereinigungen, die in der Logistikbranche handfeste wirtschaftliche Interessen haben, hinter diesen brutalen Angriffen auf streikende ArbeiterInnen. Die Polizei schaut trotzdem weg, wenn sie nicht sogar direkt gegen Streikposten eingesetzt wird.

In der Logistikbranche herrschen die Gesetze des Dschungels. Schwarzarbeit (oft zu 20 Euro Lohn für einen ganzen Arbeitstag!) oder prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind weit verbreitet, die Arbeitsbelastung ist enorm.

Ein Kollege schrieb folgende Zeilen nach Adils Tod, die ein Licht werfen auf die Bedingungen in diesem Sektor, der zu den großen Gewinnern der Pandemie zählt:

„Er starb, weil er der Meinung war, dass man nicht leben könne von 850 Euro im Monat und ohne soziale Absicherung, und ohne Privatleben, weil die Schichten immer wieder kurzfristig neu eingeteilt werden und weil du nicht selber über deine Urlaubszeiten entscheiden kannst, sondern dein Vorgesetzter, und wenn du dir frei nehmen willst, weil du dein Kind von der Schule abholen musst, dann lassen sie dich zur Strafe eine Woche lang daheim und du bekommst keine Arbeit, und die Dienste dauern 13 Stunden anstatt 8, die halben Überstunden werden nicht bezahlt, und sogar in der Nacht bekommst du Nachrichten, dass du im Morgengrauen wieder im Depot sein musst. Er starb, weil er es aus all diesen Gründen für richtig hielt, Streikposten zu stehen.“

Ein System aus Subfirmen, die im Dienste großer multinationaler Konzerne agieren, macht es extrem schwierig, diesen Sektor zu organisieren und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
Der tragische Tod von Adil hat nun eine Welle der Solidarität ausgelöst. In vielen Betrieben kam es zu symbolischen Proteststreiks, darunter bei UPS, im Ferrari-Werk in Maranello, in vielen anderen Metallfabriken, aber auch im Handel. Die Strömung „Giornate del Marzo“ („Tage des März“, in Anspielung an die spontanen wilden Streiks zu Beginn der Covid-19-Pandemie, Anm.), die linke GewerkschafterInnen aus den Reihen des größten Gewerkschaftsdachverbandes CGIL vereint, fordert von der Führung der CGIL eine entschlossene Reaktion auf den Mord an Adil Belakadim in Form eines Generalstreiks.

Erst vor kurzem hat die CGIL für die Logistikbranche einen sehr schlechten Kollektivvertrag mit niedrigen Lohnsteigerungen und einer Vertragsdauer von 4 (!) Jahren unterzeichnet, obwohl es in den Wochen davor eine große Kampfbereitschaft unter den betroffenen Belegschaften gab. Derzeit organisiert die Gewerkschaftslinke eine breite Kampagne für ein „Nein“ zu diesem Abschluss.
Mit Sicherheit werden die Kämpfe in der Logistikbranche eine zentrale Bedeutung für die weitere Entwicklung des Klassenkampfs in Italien einnehmen.


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