Das Praktikum: Ein Werkzeug, das viele Unternehmen einsetzen, um junge Menschen zu erpressen, damit sie für einen geringen Lohn – oder auch für gar keinen – viele Stunden arbeiten. Filip Apolin, Schüler aus Wien, berichtet.

 An meiner Schule im 14. Bezirk brauchen wir zwei Monate Praktikum. Wenn man diese zwei Monate nicht schafft, bekommt man keinen Schulabschluss. Doch während der Pandemie und den Lockdowns gab es keine Möglichkeit zu arbeiten, da viele in der Branche keine offenen Stellen hatten und selber mit dem Überleben kämpften. Unsere Schule und auch viele andere Schulen haben dieses Problem aber komplett ignoriert und haben keine Schlüsse gezogen, etwa die Anzahl der erforderlichen Arbeitstage zu reduzieren. Dieser Sommer war für meinen Jahrgang die letzte wirkliche Chance, noch vor der Matura die Zahlen aufzupumpen, und deshalb opferten viele die Ferien, um die Stunden für ihr Praktikum vollzukriegen. Da jetzt nach dem Lockdown die Anfragen hoch sind, nutzen das viele Arbeitgeber aus und lassen die Jugendlichen gratis für sie arbeiten.

Ein Klassenkollege von mir arbeitete im August drei Wochen in Dresden als Assistent für einen Fotografen. Für in Summe 120 Arbeitsstunden hat er keinen einzigen Cent verdient. Noch dazu lernte er nichts Neues, machte er doch letztlich genau dasselbe wie im Unterricht.

Eine Freundin geht auf eine Tourismusschule und braucht acht Monate Praktikum. Um zusätzlich Französisch zu üben, ist sie nach Frankreich gefahren, wo sie in einem Hotel gearbeitet hat. Ihre Arbeit bestand aus Handtüchern falten, Geschirr abwaschen und Zimmer aufräumen. Für 38 Wochenstunden hat sie 500€ im Monat verdient. Wäre das nicht schon schlimm genug, war sie der Willkür ihrer Chefin ausgesetzt, die ihr sogar verbot, die Hotelküche zu benutzen, um sich essen zu machen, obwohl ihr Zimmer keine hatte. Es geht hier wie immer nur um die Wirtschaft und nicht das Wohlbefinden oder die qualitative Weiterbildung der Menschen.

(Funke Nr. 196/1.9.2021)


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