Uns erreichte folgender Leserbrief aus einem privaten Pflegeheim in der Steiermark. Die Themen Personalmangel, ahnungsloses Management und schlechte Arbeitsbedingungen ziehen sich wie ein roter Faden durch alle Berichte aus der Branche. So auch hier.

Ich arbeite nun schon seit etwas über einem Jahrzehnt im Pflegeberuf. Diese Arbeit liegt mir sehr am Herzen. Ich übe meinen Beruf gerne aus, da mir die Arbeit mit alten Menschen Freude bereitet. Es ist allerdings auch eine sehr anspruchsvolle, kräfteraubende Tätigkeit – sowohl das körperliche als auch das psychische Wohlergehen des Pflegepersonals betreffend. Oft kommt man dabei an seine Grenzen.

Ich möchte hier einige Punkte anführen, die mir meine Tätigkeit erschweren. Eine bereits weitaus bekannte Tatsache ist, dass zu wenig Personal für diese, wie ich schon sagte, kräfteraubende Arbeit eingestellt wird. Der sogenannte Pflegeschlüssel wird derart niedrig gehalten, dass vieles, was im Umgang mit alten Menschen eigentlich nach meinem Verständnis selbstverständlich wäre, hintangestellt oder gar ausgespart werden muss. Dazu zählen zum Beispiel Gespräche und ein näheres Eingehen auf den Menschen. Die reine medizinische Versorgung wird in den Vordergrund gestellt. Wenn es dann zu Krankenständen und Urlauben des Pflegepersonals kommt oder gar längere Dienstausfälle entstehen, heißt das: Notprogramm in allen Bereichen! Die Dienstzeit wird verlängert oder das Personal muss an freien Tagen kurzfristig einspringen. Zeitweise ist das bereits eine psychische Belastung, da das Abschalten vom Dienst sehr schwerfällt, wenn man ständig den nächsten Anruf mit der dringlichen „Bitte“ nach Dienstübernahme erwartet. Dabei wäre die freie Zeit dafür gedacht, sich für die nächsten Arbeitstage zu erholen.

Weiters glaube ich, wäre es besser, wenn die Personen, die die Heime leiten, ebenfalls eine pflegerische Ausbildung und Praxis im Beruf besitzen würden. Da dies derzeit nicht der Fall ist, kommt es zu der merkwürdigen Tatsache, dass die oberste Leitung hauptsächlich aus wirtschaftlichen Überlegungen Beschlüsse fasst, während die Menschen, welche die Arbeit ausführen, mit ihren Bedürfnissen und Überlegungen für die BewohnerInnen auf der Strecke bleiben. Wie immer im Kapitalismus zählt hier nur der Profit, die Menschen sind an zweiter Stelle.

Es braucht eine klare Besserung der Arbeitsbedingungen, einen verbesserten Personalschlüssel, Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich und eine Erhöhung der Dienstpräsenz, damit Krankenstände und andere Ausfälle nicht dazu führen, dass permanent Überstunden gemacht werden müssen. Das würde den Pflegeberuf, der ja ein gesellschaftlich unglaublich wichtiger ist, attraktiver machen und auch dem oft erwähnten Personalmangel entgegenwirken. Doch unter den jetzigen Bedingungen erreicht man das Gegenteil. Immer mehr PflegerInnen brennen aus und denken darüber nach, den Beruf zu wechseln.

Schöne Worte und demonstrativer Applaus reichen nicht aus. Auf dem Höhepunkt der Covid-Krise haben wir viel in diese Richtung gehört, aber Klatschen und Worte zahlen kein Essen, keine Miete und keinen Strom. Man spricht von HeldInnen, aber wenn es um konkrete Verbesserungen geht, ist man still.

(Funke Nr. 197/30.9.2021)


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