Derzeit häufen sich Fälle von Entlassungen, die im Zusammenhang mit Fragen der Corona-Politik stehen. Wie die Arbeiterbewegung sich dazu positionieren sollte, erklärt Florian Keller.
Im November wurde in Linz ein Busfahrer entlassen, nachdem er in die Außenanzeige „Impfen Ist Mord“ eingegeben hatte. Der Geschäftsführer des OÖVV, Herbert Kubasta, erklärte dazu: „Wir akzeptieren und respektieren jede private Meinung und Haltung. Sobald allerdings öffentliche Verkehrsmittel des OÖ Verkehrsverbundes instrumentalisiert werden, um private Meinungen und Ansichten zu verbreiten, müssen wir natürlich handeln und gemeinsam mit dem verantwortlichen Verkehrsunternehmen entsprechende Maßnahmen einleiten.“
Wie sollte sich die Arbeiterbewegung zu diesem oder ähnlichen Fällen positionieren? Wir halten zunächst einmal inhaltlich fest: Impfungen, inklusive der Corona-Impfung, schützen vor Krankheiten und Tod. Die Aussage „Impfen ist Mord“ ist daher falsch und sogar reaktionär. Doch das klargestellt, muss sich die Arbeiterbewegung gegen solche Entlassungen für politische Meinungsäußerungen stellen, auch wenn sie falsch sind.
Denn wer bestimmt denn am Arbeitsplatz, was im Rahmen der „privaten Meinungsäußerung“ liegt und was diese überschreitet? Nicht die Beschäftigten, die täglich den Betrieb am Laufen halten. Sie haben zur „Meinung des Unternehmens“ gar nichts zu sagen. Alleine die einzelnen Unternehmer oder (halb)staatlichen UnternehmensmanagerInnen mit ihren spezifischen, kapitalistischen Interessen bestimmen, was gesagt werden darf und was nicht. Wir sind uns z.B. sicher, dass derselbe Busfahrer nicht entlassen worden wäre, wenn er in die Anzeigetafel „Busfahrer in Oberösterreich, bester Job der Welt“ geschrieben hätte – auch wenn diese Aussage von der objektiven Wahrheit wohl ähnlich weit entfernt ist wie „Impfen ist Mord“.
Es bräuchte in solchen Fällen stattdessen eine demokratische Meinungsbildung unter den Beschäftigten im Betrieb, was denn die „Meinung des Unternehmens“ ist, organisiert durch die Arbeiterbewegung und speziell die Gewerkschaften. Wir sind uns sicher, dass in so einer Debatte zur Impfung (verknüpft mit einer längst überfälligen Debatte über die Arbeitsbedingungen während der Pandemie) in Betriebsversammlungen beim OÖVV das Ergebnis bringen würde, dass eine Mehrheit der Beschäftigten sich gegen die Aussage des Kollegen aussprechen würde und ihn vielleicht sogar von der richtigen Position überzeugen könnte. Und wenn nicht, würden sie ihm sicherlich klar darlegen können, dass er derlei Äußerungen in der Anzeigetafel in Zukunft unterlassen sollte, wenn er nicht will, dass sie ihn selbst vor die Tür setzen.
Ein Schutz vor Kündigungen aufgrund von Meinungsäußerungen ist dabei für uns keine formale oder „moralische“ Frage, sondern er wird in den zukünftigen Klassenkämpfen für alle ArbeiterInnen entscheidend werden. Was würde z.B. passieren, wenn BusfahrerInnen in Linz nächstes Jahr in einer von allen Beschäftigten getragenen Protestbewegung gegen die viel zu niedrigen Löhne im öffentlichen Nahverkehr „10% mehr Lohn, gegen die Ausbeutung im OÖVV“ in ihre Anzeigetafel schreiben würden?
So eine Form des Protestes wäre nicht nur absolut gerechtfertigt, sondern auch inhaltlich richtig. Jedes kapitalistische Unternehmen würde trotzdem händeringend nach Gründen suchen, um sie zu entlassen. Sie würden wie heute argumentieren: MitarbeiterInnen dürfen keine öffentlichen Verkehrsmittel für ihre private Meinungsäußerung missbrauchen!
So wird deutlich, warum es auch jetzt wichtig ist, dass die Arbeiterbewegung das Recht auf freie Meinungsäußerung im Betrieb verteidigt. Daher: Keine Zustimmung zu Entlassungen, für demokratische Debatten in den Betrieben, für die Arbeiterkontrolle!
(Funke Nr. 199/10.12.2021)