Am 20. Juli konnten die 300 ArbeiterInnen des Werks von REMUS, einer österreichischen Firma nach nur drei Streiktagen ihren Arbeitskampf für höhere Löhne gewinnen. Vincent Angerer berichtet.
Der Betrieb produziert Sport-abgasanlagen für Automobile und Motorräder und ist 2021 nach Sanski Most expandiert. Der Streikerfolg ist in Bosnien, wo sich Arbeitskämpfe oft über mehrere Monate ziehen und mehrere kleine Rückschläge umfassen, bis es eine Entscheidung gibt, besonders beachtlich. Der Grund, weshalb dieser Streik so schnell entschieden werden konnte, liegt vor allem an der überwältigenden Einheit und Streikbeteiligung eines Großteils der Belegschaft. Aber allgemein kann man beobachten, dass sich das gesellschaftliche Klima in Bosnien zugunsten der Arbeiterklasse dreht und Belegschaften immer öfter zu den Mitteln des Arbeitskampfes greifen.
Wenn wir den großen Streik der Bergarbeiter Ende letzten Jahres hinzunehmen, über den wir damals in unserer Zeitung berichteten, gab es im letzten halben Jahr vier Streiks in Bosnien, wobei drei davon in den letzten zwei Monaten stattfanden. Unsere jugoslawischen GenossInnen in Bosnien haben im Zuge der Streiks im Rehabilitationszentrum in Banja Luka und in der Holzindustrie in Gradiška die streikenden ArbeiterInnen interviewt. Unser Genosse Dejan Prodanović aus Banja Luka hat mit uns seine Analyse geteilt:
„Das Bezeichnende ist, dass die Streiks verschiedene Sektoren abdecken. Die ArbeiterInnen scheinen immer weniger Toleranz zu haben. Im Rehabilitationszentrum streikten Zivil- und Kriegsinvaliden gegen die Geschäftsführung eines Staatsunternehmens. In Podgradci streiken ArbeiterInnen in einem Unternehmen, das sich im Privatbesitz eines der einheimischen Magnaten befindet, d.h. eines Kriegsprofiteurs. In Sanski Most streikt die Belegschaft einer Firma, die einem österreichischen Unternehmen gehört – ausländische Investoren, die wegen der billigen Arbeitskräfte hierherkamen. Außerdem können wir angesichts der Weltkrise und der Inflation, mit denen die politische Elite der Tycoons nicht fertig wird, in der kommenden Zeit nur mit einer Verschärfung der Klassenwidersprüche rechnen.“
Tatsächlich geben diese Sektoren ein Stimmungsbild der allgemeinen Lage in Bosnien ab. Die Arbeiterklasse steht zwischen einem völlig ausgezehrten und morschen Staatsapparat, der sich auf kriminelle Elemente stützt und vom Imperialismus erhalten wird, einer Bourgeoisie, die sich im Rahmen der Zerstörung Jugoslawiens aus dem Elend der Arbeiterklasse aller Nationen in der Region bereichert hat, und dem Auslandskapital, wo vor allem Österreich eine große Rolle spielt.
Die österreichische Arbeiterklasse hat kein Interesse daran, dass die Arbeiterklasse am Balkan für die Extraprofite der österreichischen Bourgeoisie ausgebeutet wird. Wie bereits erwähnt, ist die österreichische Firma wegen der billigen Löhne nach Bosnien gegangen. Das REMUS-Werk in der Steiermark wurde dafür Ende 2021 geschlossen und die Unternehmensführung hat die gesamte Belegschaft auf die Straße gesetzt. Danach wurde das Werk nach Bosnien verlagert – wo REMUS selbst der dort übliche niedrige Lohn zu hoch war! REMUS zahlte knapp 420 Euro monatlich, was selbst unter dem mickrigen Durchschnittslohn in Bosnien lag. Doch die bosnischen ArbeiterInnen haben sich das nicht gefallen lassen und mit den Mitteln des Streiks einen höheren Lohn erkämpfen können. Wir sagen ganz klar: Dieser Sieg der bosnischen KollegInnen ist auch ein Sieg für die österreichische Arbeiterklasse!
(Funke Nr. 205/13.7.2022)