Sommer, Sonne, Streiks. Die Krise des Kapitalismus spitzt sich weltweit zu. Die Arbeiterklasse sieht sich überall gezwungen, die Zügel in die Hand zu nehmen. Großbritannien ist da keineswegs eine Ausnahme. Dort gab es diesen Sommer neben Rekordtemperaturen auch eine Rekordzahl an ökonomischen Kämpfen. Smilla Gander gibt einen Überblick.
Im Vereinigten Königreich erreichte die Inflation im Juli 10,1%. Ökonomen prognostizieren eine Inflation von 18% im ersten Quartal 2023, da die Energiepreisobergrenze des Landes weiterhin auf ein beispielloses Niveau ansteigt und die Krise der Lebenshaltungskosten verschärft. Die Polizei warnte bereits vor Hungerrevolten. In dem Bemühen, trotz der steigenden Inflation ihren Lohn und ihre Arbeitsbedingungen zu verteidigen, greifen immer breitere Teile der Arbeiterklasse zu Kampfmaßnahmen. Und ihre Bemühungen sind für ganz Großbritannien spürbar. Im Juni legten mehr als 40.000 Bedienstete etwa die Hälfte des britischen Bahnnetzes lahm. Auch Busse und Müllabfuhr fahren teilweise nicht oder sind verspätet. Im Juni und Juli wurden viele eintägige Streiks organisiert: Reinigungspersonal in den Zügen, Signalgeber und Wartungsmitarbeiter legten die Arbeit nieder. Selbst Rechtsanwälte für Strafrecht nehmen seit etwas mehr als einem Monat alle zwei Wochen an Streikaktionen teil, um gegen die anhaltende Unterfinanzierung des Strafjustizsystems und die magere Entschädigung zu protestieren, die sie für ihre Dienste erhalten.
Am 21. August traten über 1.900 Beschäftigte im Hafen von Felixstowe in den Streik, ein Ereignis zuletzt gesehen 1989. Da der Hafen die Hälfte aller britischen Containerfrachten abfertigt, werden die Auswirkungen auf die britische Wirtschaft erheblich sein. Auch im viertgrößten Hafen Großbritanniens, dem Hafen von Liverpool, haben sich mehr als 500 Arbeiter zum Streik entschlossen. Immer neue Schichten werden in die Arbeitskämpfe gezogen. Eine Reihe von wilden Streiks von Amazon-Mitarbeitern, die nicht gewerkschaftlich organisiert sind, sind nur ein weiteres Beispiel von vielen. Die Arbeiterklasse findet sich nicht mit den Regeln der Bürgerlichen ab und streikt, wenn sie es für richtig hält. Das britische Proletariat scheint seine Kampfbereitschaft zu präsentieren.
Besondere Militanz zeigen die Beschäftigten der britischen Post. Mitglieder der Communication Employees Union treten diesen August in einen viertägigen Streik, an dem rund 115.000 Postangestellte in der UK beteiligt sind. Das ist der größte Streik des Sommers und der größte Streik Großbritanniens seit dem Jahr 2009. Ihre Proteste, welche sich voraussichtlich von Ende August bis Anfang September ziehen, werden den Postverkehr erheblich beeinträchtigen.
Ein inspirierender Sieg wurde von der Müllabfuhr in Coventry errungen. Der Arbeitskampf begann bereits am 31. Jänner und endete im Sommer nach 6-monatigen wiederholten Streiks mit einer Lohnerhöhung von 12,9%! Dies wurde gegen eine Labour-geführte Stadtregierung durchgesetzt. Die Beschäftigten wählten ein Streikkomitee, trotzten dem Einsatz von Streikbrechern, druckten Informations-Flyer gegen Lügen über die Gewerkschaft und erhielten massenhafte Solidarität aus der Stadtbevölkerung und darüber hinaus. Das zeigt: Kampfbereitschaft zahlt sich aus.
Die gegenwärtige Krise wird sich im profitorientierten, kapitalistischen System nur verschärfen. Die Tories drohen nun mit einer Reihe von Anti-Gewerkschaftsgesetzen. Am 11. Juli etwa legalisierte das Parlament den Einsatz von Streikbrechern aus Leiharbeitsfirmen, um die Streiks zu unterwandern. Linke Gewerkschafter brachten dagegen bereits die Idee eines Generalstreiks auf, der die unterschiedlichen Kämpfe miteinander verknüpfen würde. Nur der massenhafte Kampf der vereinten Arbeiterklasse kann den Regierungen der Reichen und ihrem verrotteten System eine Alternative entgegensetzen – den Sozialismus.
(Funke Nr. 206/30.8.2022)