Eine Stellungnahme der Kampagne "Wir sind ÖGB" zum Konflikt um den Kollektivvertrag im grafischen Gewerbe.
Der Arbeitskampf zur Verteidigung des Kollektivvertrags im grafischen Gewerbe spitzte sich in den letzten Tagen zu. Nach dem Scheitern der letzten Verhandlungsrunde hatte die Gewerkschaft die Weichen auf Streik gestellt. Doch gestern Abend kam es plötzlich zu einer etwas eigenartigen Einigung.
Dem waren „Beschäftigtenkonferenzen“ in Graz, Salzburg und Wien vorausgegangen, wo die DruckerInnen eindrucksvoll ihre Kampfbereitschaft zeigten. In Salzburg verwandelten hunderte KollegInnen mit einer öffentlichen Protestveranstaltung die Altstadt in einen Hexenkessel. Der Unmut unter den DruckerInnen ist unvorstellbar. Als sich der Chefverhandler der Unternehmer auf einem Balkon zeigte, flog sogar spontan eine Fahnenstange in seine Richtung. Der zuständige Gewerkschaftssekretär aus Salzburg stimmte mit seiner kämpferischen Rede die KollegInnen, die auch aus Tirol und Oberösterreich angereist waren, auf die bevorstehende Auseinandersetzung ein: „Wann, wenn nicht jetzt, sollen wir streiken?“
In Wien wählte die Gewerkschaft mit einer „Informationsveranstaltung“ eine kontrolliertere Protestform. In den Räumlichkeiten der GPA-djp füllten 300-400 DruckerInnen den Saal bis auf den letzten Platz. Mehrere KollegInnen heizten mit Trommeln die Stimmung an und zeigten, dass sich die Bosse lieber nicht mit den DruckerInnen anlegen sollen. Die anwesenden KollegInnen versprühten Entschlossenheit und Kampfbereitschaft. Bei dieser Veranstaltung wurde aber die Haltung der Gewerkschaftsführung sehr deutlich. Mehrfach betonten Franz Bittner & Co, dass sie ohnedies bereit sind „eine nicht unbeachtliche Menge Geld rüber zu schieben“, d.h. massive Zugeständnisse zu machen. Bis zu 5 Prozent Lohnkürzung würden sie akzeptieren, wenn damit die Unternehmen ihre Eigenkapitalquote und so ihre Wettbewerbsfähigkeit in der Krise erhöhen würden. Kein Wunder, dass bei seiner Rede der Applaus immer verhaltener wurde. Auffällig auch die Versuche von Kollegen Bittner zu zeigen, dass die Unternehmen „eh nicht alle so sind“ und unter vier Augen Verständnis für die Gewerkschaft zeigen würden. So wären z.B. die Unternehmen aus dem Bereich Zeitungsdruck bereit, sich mit den von der Gewerkschaft angebotenen 5 Prozent Lohnkürzung zufrieden zu geben. All dies zeigt leider einmal mehr, dass die Gewerkschaftsführung die Zeichen der Zeit noch immer nicht erkannt, geschweige denn verstanden, hat! In Anbetracht des Frontalangriffes der Wirtschaft könnten die betroffenen KollegInnen gar nicht mehr anders als für die Verteidigung ihrer Rechte zu kämpfen.
Dem UnternehmerInnenverband Druck + Medientechnik geht es neben der Kostenersparnis durch die geforderten Lohnkürzungen aber vor allem auch um die Aufteilung des Kollektivvertrages auf mehrere Bereiche (Zeitungs-, Rollen-, Bogendruck). Damit soll die Gewerkschaft nachhaltig geschwächt werden.
Die DruckerInnen waren historisch in Österreich die ersten, die nach harten Auseinandersetzungen, einen Kollektivvertrag erkämpft hatten. Dieser zeichnet sich heute durch eine Vielzahl von wichtigen sozialen Errungenschaften aus (37-Stunden-Woche, 50-Prozent-Nachtzuschlag ab 18 Uhr, diverse Zulagen, ...). Daher ist er den Unternehmen natürlich ein Dorn im Auge. Die Krise wollen sie jetzt nutzen, um diesen Kollektivvertrag zu demontieren.
Umso bemerkenswerter an den bisherigen Protestveranstaltungen war, dass auch die KollegInnen aus jenen Bereichen, wo die Verhandlungen scheinbar bereits knapp vor dem Abschluss stehen, wie im Zeitungsbereich, volle Solidarität bekundeten und den Kollektivvertrag für die gesamte Druckbranche verteidigen wollen. Ohne Kollektivvertrag wären die DruckerInnen nämlich der Willkür der Unternehmen voll ausgeliefert. Wenn die Herren Hochenegg & Co jetzt durchkommen, dann wäre das der Beginn für einen beispiellosen Angriff auf die Arbeitsbedingungen und Löhne der DruckerInnen.
Und die KollegInnen in den Betrieben verstehen das nur zu gut. „Die sollen sch..... gehen“ und „denen reißen wir den Oarsch“ auf, waren noch die höflicheren Ausdrücke, die den Beschäftigten auf diesen Veranstaltungen über die Lippen gekommen sind. Für einen „Eiertanz“ mit den Unternehmen sei jetzt keine Zeit mehr, so ein Betriebsrat, der sich in der Diskussion zu Wort meldete. Gewerkschaftsvorsitzender Bittner wäre für so einen Eiertanz sicher zu haben. Sein Auftreten war voll und ganz darauf ausgerichtet, Stimmung aus der Veranstaltung zu nehmen. Er gehört zu jenen, die alles daran setzen, damit die SozialpartnerInnenschaft gerettet wird. Doch diese ist tot! Und mit diesem Bewusstsein im Hinterkopf sollte die Gewerkschaft handeln.
Es ist zu wenig, dass die Gewerkschaftsspitze bei solchen Veranstaltungen die KollegInnen informiert. Diese Versammlungen und Konferenzen müssen der Ort sein, wo demokratisch über die Kampfziele und Kampfmethoden diskutiert und abgestimmt wird. Denn eines wurde in Salzburg und Wien deutlich: Die KollegInnen in den Betrieben wollen ihren Kollektivvertrag verteidigen und sind zu keinen Lohnkürzungen bereit. Die Gewerkschaftsführung wäre aber sehr wohl zu unnötigen Zugeständnissen bereit.
Und diese können sehr weit reichend sein. Am Sonntag wurde laut GPA-djp-Spitze offenbar ein Abschluss erzielt. Noch sind nicht alle Details bekannt, aber es riecht danach, dass es sich um einen massiven „Ausverkauf“ seitens der Gewerkschaft handelt. Es wurde zwar eine Lohnerhöhung von drei Prozent erzielt, gleichzeitig aber auf „alle nicht zeitgemäßen Zulagen“ verzichtet, also ein satter Einkommensverlust, wenn man bedenkt dass die Zulagen bis zu 27 Prozent des Einkommens der DruckerInnen ausmachen. Unter dem Strich bedeutet dieser Abschluss auf alle Fälle einen Einkommensverlust für die Beschäftigten. Der Vorsitzende der GPA-djp Wolfgang Katzian hat mehrfach betont, dass die ArbeitnehmerInnen nicht für die Krise zahlen sollen. Richtig! Dann darf die Gewerkschaft aber auch solche KV-Abschlüsse nie und nimmer unterschreiben!
Die Gültigkeit dieses Abkommens ist zur Stunde aber mehr als fraglich. Der Chefverhandler der Arbeitgeberseite verließ frühzeitig die Verhandlungen und pocht darauf, dass die Mehrheit im Vorstand seines Verbandes seine Linie teilen würden. Offensichtlich schnappte sich die Gewerkschaftsführung jene UnternehmerInnen, die sich mit den vorliegenden Kompromissangeboten zufrieden gaben, und schlossen die Verhandlungen ab. Hauptsache das drohende Streikszenario tritt nicht ein.
Mit diesem Vorgehen hat die Gewerkschaftsführung um Kollegen Bittner eindeutig gegen den Willen der Gewerkschaftsmitglieder gehandelt. Und sie untergräbt mit einem schlechten Abschluss, der nicht einmal als Kompromiss gelten kann, die große Lohnbewegung am kommenden Mittwoch. Der Tanz um den Schatten des goldenen Kalbes „sozialer Friede“ muss beendet werden. Die UnternehmerInnen setzen auf Konfrontation, in einem Betrieb nach dem anderen, in einer Branche nach der anderen. Je schneller unsere Gewerkschaft diese neue Situation zur Kenntnis nimmt, desto besser können wir uns wehren. Der soziale Friede ist vom Kapital längst aufgekündigt, dies ist die Realität, und durch einen Bauchfleck nach dem anderen wird er auch nicht wieder zurückkommen. In einer Situation wie dieser heißt es unseren Verhandlern den Rücken zu stärken, damit sie sich unter dem Druck der Unternehmer nicht wie Weidenruten biegen.
Jetzt müssen die Betriebsräte und die einfachen Gewerkschaftsmitglieder zu Wort kommen. Wenn es nach Kollegen Bittner geht, dann sollen die heute stattfindenden Betriebsversammlungen nur dazu da sein, den Kompromiss, d.h. die Verschlechterungen, abzusegnen. Alle Kolleginnen und Kollegen, die diesen kampflos ausgehandelten Rückschritt nicht akzeptieren wollen und können, müssen sich jetzt auf die Füße stellen. Wir müssen eine alternative Resolution in die Versammlungen einbringen und zur Abstimmung bringen, in denen wir jeden Einkommensverlust ablehnen und ein demokratisch gewähltes Verhandlungsteam fordern. In den kommenden Tagen sollte es eine für alle Beschäftigten offene österreichweite Konferenz geben, wo über diesen Kompromiss diskutiert und eine weitere Vorgangsweise geplant werden sollte.
Es muss demokratisch klar definiert werden, wofür wir unseren Kampf führen. Auf dieser Konferenz sollte folglich auch eine Streikführung gewählt werden, die während des Arbeitskampfes den KollegInnen rechenschaftspflichtig ist und von diesen jederzeit abgewählt werden kann. Genauso sollte es am Ende des Arbeitskampfes eine Urabstimmung über das Verhandlungsergebnis geben. Letztendlich wird dieser Kampf nur zu gewinnen sein, wenn die Belegschaften einen aktiven Streik führen und mit Streikposten und öffentlichen Aktionen den nötigen Druck erzeugen. Mit der Großdemo unter dem Motto „Wir verzichten nicht!“ am 13. Mai 2009 in Wien gibt es dazu eine hervorragende Gelegenheit.
Die DruckerInnen haben eine lange und kämpferische Tradition. An diese gilt es in den nächsten Tagen anzuknüpfen. Und dass sie kampfbereit sind, daran ließen die KollegInnen bisher keinen Zweifel. Ihnen ist voll bewusst, dass in Anbetracht der Angriffe der Unternehmen das alte Motto der ArbeiterInnenbewegung heute aktueller ist denn seit Langem: Wer kämpft kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren!
11.5.2009
Modellresolution für die heutigen Betriebsversammlungen:
Keine Zustimmung zu Lohnkürzungen!
Wir, die Beschäftigten des Betriebes xy, halten hiermit fest, dass wir keinem Kompromisspaket zustimmen, das Reallohnkürzungen vorsieht.
Wir lehnen sowohl die ursprüngliche Forderung der Unternehmer nach einer Lohnkürzung von 10%, als auch das jüngste vorläufige Verhandlungsergebnis ab, das unterm Strich durch die Streichung von Zulagen u.ä. ebenfalls Lohneinbußen mit sich bringen würde.
Stattdessen entsenden wir unseren Betriebsrat zu der am Mittwoch stattfindenden Betriebsrätekonferenz mit dem Auftrag, für ein Forderungspaket an die Unternehmer einzutreten, das eine tatsächliche Lohnerhöhung unter Beibehaltung aller Zulagen vorsieht.
Außerdem wollen wir nochmals mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, dass unsere Streikbereitschaft ungebrochen ist! Deswegen muss auf der Betriebsrätekonferenz auch eine Streikleitung gewählt werden, die während des Arbeitskampfes den KollegInnen jederzeit rechenschaftspflichtig ist und von diesen auch wieder abgewählt werden kann. Diese Streikleitung soll für die Planung und Durchführung des Streiks autorisiert werden, sollten die Arbeitgeber bis Ende dieser Woche unseren Forderungen nach einer tatsächlichen Lohnerhöhung nicht nachgeben!
Doch wie auch immer die Entscheidung am Mittwoch ausfällt: Sie muss jedenfalls einer neuerlichen Urabstimmung aller Beschäftigten noch in dieser Woche unterzogen werden!