Die Krise geht in die zweite Runde. Und ein weiteres Mal sollen die Lohnabhängigen dafür zur Kassa gebeten werden. Dagegen regt sich Widerstand in den Gewerkschaften.

Angriffe auf Arbeitsbedinungen und Kollektivverträge

In den letzten Wochen scheiterten in einer Branche nach der anderen die Kollektivvertragsverhandlungen. Besonders betroffen sind die Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich, die direkt die Einsparungen der öffentlichen Hand zu spüren bekommen. So stocken derzeit die Verhandlungen beim BAGS-KV, bei der Caritas und bei den Ordensspitälern. In diesen Bereichen werden die Spielräume immer geringer, und die Arbeitgeber sind nicht bereit, Lohnerhöhungen über der Inflationsrate zuzustimmen. Diesen Reallohnverlust wollen die KollegInnen nicht hinnehmen. Bisher gab es erste öffentliche Betriebsratskonferenzen, Betriebsversammlungen in mehreren hundert Betrieben und andere kleinere Protestmaßnahmen. Am Mittwoch finden Demonstrationen für den privaten Gesundheits- und Sozialbereich in Wien, Linz, Graz und Klagenfurt statt.

In Oberösterreich und der Steiermark sahen wir, wie die dortigen Landesregierungen noch einen Schritt weiter gingen. Für die Gemeindebediensteten (Spitäler, Müllabfuhr, öffentlicher Nahverkehr, Kindergärten usw.) wurde in Oberösterreich eine Mindervalorisierung beschlossen, d.h. eine Lohnkürzung von 1% gemessen am Ergebnis, das auf Bundesebene für die öffentlich Bediensteten ausverhandelt wurde. In der Steiermark wurde sogar eine Nulllohnrunde beschlossen. Noch einen Schritt weiter scheint die Bundesregierung gehen zu wollen, indem sie den öffentlich Bediensteten per Gesetz eine ein bis drei prozentige Lohnkürzung aufzwingen will.

Unter dem Eindruck der Krise sind auch die Arbeitgeber im grafischen Gewerbe (Druckindustrie) einmal mehr in die Offensive gegangen und haben erneut den KV vorzeitig aufgekündigt. Schon vor zwei Jahren traten sie sehr aggressiv auf und landeten für die Unternehmerseite einen ersten wichtigen Erfolg, in dem sie den KV entlang der Zeitungs-, Rollen- und Bogendrucker aufsprengten. Damals wurde ein Streik von der Gewerkschaftsspitze abgedreht. Jetzt wurden abermals gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen (einschließlich Warnstreiks) beschlossen und vorige Woche in einigen ausgewählten Betrieben umgesetzt. Dabei zeigte sich die Gewerkschaft auch diesmal bereit eine „Lohndämpfung“ von 4% (!) zu akzeptieren. Die Arbeitgeber wollen aber mehr. Ihre Forderungen (Arbeitszeitverlängerung/-flexibilisierung usw.) würde eine Lohnkürzung von 10% bedeuten!

In anderen Branchen (wie im Hotel- und Gastgewerbe) ist ebenfalls mit einer konfliktreichen KV-Runde zu rechnen.

Weitere wichtige Arbeitskämpfe entwickeln sich derzeit beim Flughafen Wien gegen die von der EU geplante Liberalisierung der Bodenabfertigung, was zu massivem Arbeitsplatzverlust, Lohn- und Sozialdumping führen würde, und bei der AUA, wo das Management das nächste Mega-Sparpaket durchsetzen will. In beiden Fällen organisierte der Betriebsrat große Protest- und Betriebsversammlungen, wo sich die Belegschaften kampfbereit zeigten.

Diese betrieblichen und kollektivvertraglichen Kämpfe zeigen einmal mehr, dass die Lohnabhängigen auch in Österreich ihre Interessen und sozialen Errungenschaften mit den Mitteln des Klassenkampfs zu verteidigen bereit sind. Die Bereitschaft, ein zweites Mal die Kosten der Krise zu zahlen, hält sich sehr in Grenzen, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Banken und Konzerne selbst in der Krise weiter Profite machen, die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird, Vermögen nicht substanziell besteuert werden und im Notfall der Staat die Verluste der Aktionäre vergesellschaftet. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben im Bewusstsein der Klasse ihren Stempel hinterlassen, und dies ergibt ein durchaus explosives Gemisch in vielen Betrieben. Wo es Betriebsräte und GewerkschaftsaktivistInnen gibt, die dieser Stimmung einen Ausdruck verleihen, stehen die Zeichen auf Kampf. Die ganz besondere Dynamik des Metallerstreiks in vielen Betrieben im vergangenen Herbst hat dies eindrücklich gezeigt.

Arbeitskampf im AKh Linz

In den aktuellen Arbeitskämpfen ist dieser Prozess bislang im AKh Linz am weitesten gegangen, wo die Beschäftigten erst vor einigen Monaten eine Spitalsreform auf ihre Kosten hinnehmen mussten und jetzt eine politisch verordnete Lohnkürzung hinnehmen sollen. In der aktuellen Funke-Ausgabe (Nr. 107) haben wir dazu eine längere Analyse geschrieben bzw. die Arbeit der marxistischen Strömung in diesem Kampf dargestellt. An diesem Beispiel zeigt sich, dass selbst ein kleiner subjektiver Faktor in solch einer Situation einiges bewegen kann. Mittlerweile wurden am AKh Linz einige wichtige Schritte in Richtung Demokratisierung der betrieblichen Interessensvertretung und der Gewerkschaft gegangen. Es wurde eine erweiterte Streikleitung gewählt, in der Vertrauenspersonen aller Stationen vertreten sind, die Idee von Betriebsversammlungen mit Urabstimmungen über Verhandlungsergebnisse ist kein Tabu mehr, der VPA sucht die Vernetzung mit Spitalsbelegschaften z.B. aus Deutschland, die bereits Streikerfahrung haben. Diese positiven Entwicklungen gilt es in der kommenden Periode zur täglichen Praxis zu machen. Die zentrale Aufgabe der Vertrauenspersonen liegt jetzt sicher in der gewerkschaftlichen Organisierung jeder einzelnen Station, die auf der Eigenaktivität der Kolleginnen und Kollegen beruht. Die Vertrauenspersonen sollten darauf hinarbeiten, dass auf Stationsebene regelmäßige Treffen stattfinden, wo einerseits Aktionspläne für die Verbesserung der konkreten Arbeitsbedingungen entwickelt werden, andererseits aber auch über allgemeine Belange des Betriebes und der Politik des Vertrauenspersonenausschusses bzw. der landesweiten Gewerkschaft diskutiert wird. So könnte die Anzahl der Vertrauenspersonen langsam vergrößert und das gewerkschaftliche Netz im AKh richtiggehend reißfest gemacht werden.

Der Arbeitskampf gegen die Lohnkürzung in Oberösterreich zeigt aber auch sehr gut, welche Hindernisse kämpferische Betriebsräte und Belegschaften noch zu überwinden haben. Der Hinweis auf die Skepsis, Passivität und Unerfahrenheit der KollegInnen ist dabei komplett unangebracht, das hat z.B. die Demonstration am 5. Dezember in Linz gezeigt. Es ist vielmehr die Gewerkschaftsbürokratie, die alles daran setzt, eine Eskalation der Arbeitskämpfe zu unterbinden. In Oberösterreich hat auf Initiative des VPA im AKh Linz die Bezirkskonferenz der GdG Linz sogar eine eskalative Kampfstrategie beschlossen. Obwohl der ÖVP-Landeshauptmann bei den Verhandlungen am 11. Jänner nicht einmal einen Kompromiss angeboten, sondern nur darauf verwiesen hat, dass es im nächsten Jahr keine Lohnkürzung geben würde, hat die GdG-Spitze trotzdem den für 1. Februar geplanten Streik abgeblasen.

Für demokratische und kämpferische Gewerkschaften

Die Gewerkschaftsbürokratie sieht Protestmaßnahmen (wie Betriebsversammlungen, Betriebsratskonferenzen oder gar Demonstrationen) nur als Mittel, um wieder an den Verhandlungstisch zu kommen. Am Verhandlungstisch selbst ist sie dann bereit, einem völligen Ausverkauf der Interessen der Kolleginnen und Kollegen zuzustimmen, solange nur mit ihr geredet wird. Es ist für sie ein Mittel ihre Karten in einer Sozialpartnerschaft zu verbessern, wo es längst nichts mehr für die Lohnabhängigen zu holen gibt. Die Betriebsratsvorsitzenden in den meisten Großbetrieben vertreten ebenfalls diese Strategie. Das sehen wir auch bei der AUA oder am Flughafen Wien. Verhandeln und Lobbying bei der Politik sind die einzigen Werkzeuge dieser Betriebsräte. Der Streik wird nur als „letztes Mittel“ gesehen, wobei keine konkreten Schritte zur Organisierung eines Streiks unter demokratischer Einbeziehung der Belegschaft gesetzt werden. Sie verstehen die Beteiligung der Belegschaft in einem Arbeitskampf wie einen Wasserhahn, der je nach Belieben auf- und dann wieder abgedreht wird. Der Betriebsrat und in Wirklichkeit die Gewerkschaftsbürokratie haben aber das letzte Wort.

Diese Stellvertreterpolitik in der österreichischen Gewerkschaftsbewegung muss durchbrochen werden. Die Bestrebungen des VPA im AKh Linz sind deshalb so relevant, weil sie ansatzweise zur Herausbildung einer alternativen Organisationskultur führen können. Auch ernsthaft geführte Arbeitskämpfe haben schlussendlich das Ziel, das Gegenüber an den Verhandlungstisch zu zerren, aber erst nach dem Einsatz aller in der konkreten Situation möglichen gewerkschaftlichen Mittel, die den Gegner in eine möglichst schwache Position bringen. Und über das Verhandlungsergebnis darf dann nicht eine kleine Gruppe von Spitzenfunktionären entscheiden, die eigentlich niemals kämpfen wollten. Es muss vielmehr ein angemessen großes Gremium, das die Gesamtheit aller kämpfenden Kolleginnen und Kollegen repräsentiert, mit der Entscheidung über die Fortsetzung oder den Abbruch des Arbeitskampfs betraut werden. Unter den Bedingungen der Krise wird es mit der alten Form der Gewerkschaftspolitik jedenfalls nur noch mehr Niederlagen hageln, die zu einem schmerzhaften Sinken des Lebensstandards und härteren Arbeitsbedingungen führen werden.

Der Kampf um die Erneuerung der Betriebsräte und der Gewerkschaften steht heute ganz oben auf der Tagesordnung. Dies ist die Grundvoraussetzung, dass die Offensive des Kapitals und der Regierung gestoppt werden kann. In den Betrieben müssen sich die KollegInnen zusammenschließen, die einen kämpferischeren Kurs als notwendig erachten, und in den Arbeitskämpfen Alternativen zum sozialpartnerschaftlichen Kurs der jetzigen Führung zur Diskussion stellen.

In dieser Situation müssen wir in den Gewerkschaften Druck machen für eine bundesweite Betriebsrätekonferenz aller Sektoren und Betriebe, die sich derzeit im Arbeitskampf befinden. In de facto all diesen Konflikten geht es darum, dass die Arbeitgeber sagen, sie seien auf Grund der Krise zu Einsparungen gezwungen. Hier geht es nicht mehr nur um die Abwehr des Sparpakets in einem Betrieb oder um die Verhinderung von Reallohnverlusten in einer Branche, sondern darum, den Unternehmern und der Regierung allgemein einen Riegel vorzuschieben. Das erfordert einen gemeinsamen Kampf aller betroffenen Belegschaften. Es wäre die Aufgabe des ÖGB, diese Kämpfe zu vereinen, zu koordinieren und ihnen eine gemeinsame Perspektive zu geben. Die Form und das Ausmaßes der Kampfmaßnahmen darf aber nicht der ÖGB-Spitze überlassen werden. Wir brauchen eine Betriebsrätekonferenz, die die Befugnis hat, demokratisch zu diskutieren und zu entscheiden, wie der Kampf organisiert werden soll.

Der ÖGB und das Sparpaket

In den kommenden Wochen wird die Bundesregierung ein Sparpaket schnüren, das sich gewaschen hat. Vor allem im Pensionssystem, im Gesundheitswesen und bei der ÖBB drohen massive Verschlechterungen. Die Gewerkschaftsbewegung darf dieses Sparpaket nicht akzeptieren.

Am 20. Jänner fand eine Versammlung von ÖGB und AK mit rund 400 TeilnehmerInnen, allesamt hochrangige FunktionärInnen und Betriebsratsvorsitzende, statt. Die ÖGB-Spitze sieht ihr vorrangiges Ziel, am Verhandlungstisch über das Ausmaß des Sparpakets mitzubestimmen. In der Frage der Pensionsreform vertritt sie den Standpunkt des Bad Ischler Sozialpartnerabkommens, dass eine Erhöhung des realen Pensionsantrittsalters um zwei Jahre vorsieht. Im Gesundheitswesen ist sie ebenfalls bereit Einsparungen von 900 Mio. € hinzunehmen. Auch sieht sie die Notwendigkeit einer Verlängerung der Arbeitszeiten der LehrerInnen – ohne Lohnausgleich. Kurzum: Sie akzeptieren die Sparlogik der Regierung, wollen die Sparpläne von SPÖ und ÖVP abschwächen und durch etwas mehr vermögensbezogene Steuern abfedern. Die Führung des ÖGB vertritt den Standpunkt eines „sozial ausgewogenen Sparpakets“, wo alle Klassen zum Handkuss kommen.

Dem gegenüber kommt aus mehreren Gewerkschaften (allen voran der PRO.GE) und Betrieben der Ruf, dass die Gewerkschaftsbewegung den Slogan „Eure Krise zahlen wir nicht“ wieder aufnimmt und Widerstand gegen das Sparpaket der Bundesregierung organisiert. Ähnlich wie 2003 gegen die Pensionsreform sollen die Räder wieder still stehen und hunderttausende KollegInnen auf der Straße mobilisiert werden. Ein Teil der Bürokratie hat verstanden, dass das alte Sozialpartnerschaftsmodell nicht mehr taugt, und dass die Gewerkschaft unter die Räder kommt. Der Metallerstreik war ein erster Vorgeschmack auf künftige Entwicklungen, dort traten die beiden Konzepte, die in der Bürokratie derzeit zur Diskussion stehen, erstmals offen zu Tage. Die PRO.GE-Führung, die die Flucht nach vorne antrat und zum Streik aufrief, und der ÖGB-Chef Foglar, der gemeinsam mit Sozialminister Hundstorfer alles unternahm, damit der Streik von den „Sozialpartnern“ wieder abgedreht wird. In den kommenden Monaten werden diese beiden Konzepte in der Gewerkschaft aufeinanderprallen.

Doch selbst die Teile der Bürokratie, die hier kämpferischere Töne von sich geben, sind an ihren Taten zu messen. Bisweilen gibt es keine Vorbereitungen von konkretem Widerstand. Am 3. Februar findet eine Konferenz der Plattform „Wege aus der Krise“ statt, die auch von Gewerkschaften (PRO.GE, GPA-djp, GdG) unterstützt wird. Dabei wird es nicht ausreichen ein „alternatives Budget“ zu präsentieren. Diese Gelegenheit sollte genutzt werden, um erste breitere Mobilisierungen (eine bundesweite Widerstandskonferenz mit Delegierten aus allen Betrieben, eine bundesweite Großdemonstration) zu planen. Es wird an den kämpferischen Betriebsräten und Belegschaften liegen den nötigen Druck in der Gewerkschaft zu erzeugen, dass den kämpferischen Worten auch Taten folgen. Diesen Druck gilt es von unten zu organisieren.

Dabei stellt sich natürlich die Frage nach dem Wie? Auch hier bietet das Beispiel vom AKh Linz wertvolle Ansätze. Das AKh schaffte es schon mehrmals, die offizielle Linie der Landesgewerkschaft hin zu einem kämpferischeren Kurs zu verändern. Diese Kraft beruht im Wesentlichen auf der lebendigen Eigenaktivität des Vertrauenspersonenausschusses. Gelingt es in einer Reihe weiterer wesentlicher Betriebe die vorhandenen gewerkschaftlichen Strukturen in dieser Art zu aktivieren und untereinander zu vernetzen, kann eine ernst zu nehmende gewerkschaftliche Gegenmacht zur Bürokratie aufgebaut und der Umbau der Gewerkschaften begonnen werden.

Angesichts des Ausmaßes der Staatsschuldenkrise und dem Diktat der Finanzmärkte, das die Regierung spürt, ist dieses Sparpaket nur zu verhindern, wenn es in den Betrieben und auf der Straße Widerstand gibt. Dem Klassenkampf von oben (und nichts anderes sind die Sparpläne von SPÖ und ÖVP) muss die Arbeiterbewegung den Klassenkampf von unten mit Demonstrationen und Streiks entgegensetzen. Dabei muss Druck auf die Abgeordneten des ÖGB erzeugt werden, damit diese im Parlament gegen das Sparpaket stimmen.

In den laufenden betrieblichen und KV-Kämpfen sehen wir die zunehmende Unzufriedenheit in der Arbeiterschaft. Das kommende Sparpaket wird diese Stimmung noch verschärfen. Sorgen wir dafür, dass auch Österreich einen Winter der Unzufriedenheit* erlebt.

* Die Bezeichnung Winter of Discontent (englisch für Winter der Unzufriedenheit) bezieht sich auf die Streikwelle der britischen Gewerkschaften im Winter von 1978–79 und geht auf die Eingangszeilen von Shakespeares Drama Richard III. zurück: “Now is the Winter of our Discontent”. (In der klassischen Übersetzung von Richard III. lautet Shakespeares Wendung „Nun ward der Winter unsers Mißvergnügens“.


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