Aus den Reihen kämpferischer GewerkschafterInnen, die an vorderster Front im Kampf um den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Industrie stehen, hört man immer häufiger die Forderung nach „Verstaatlichung“ von Unternehmen.
Das Onlinemagazin Mediapart hat diesem Thema einen langen Bericht gewidmet, in dem unter anderem der Delegierte des Gewerkschaftsverbandes Force Ouvrière (FO – ArbeiterInnenmacht) der Niederlassung von Acelor Mittal in Florange zitiert wird. Dieser sagte, dass man „die Stahlwerke im Namen des Landes verstaatlichen, wenn nicht gar beschlagnahmen muss.“ Auch in den restlichen Gewerkschaftsfraktionen – mit Ausnahme der CFE-CGC, einem Verband von FacharbeiterInnen und kleinen Selbstständigen – gewinnt diese Losung immer mehr an Unterstützung. So erklärt beispielsweise auch Edouard Martin von der Gewerkschaft CFDT: „Wir unterstützen jede Lösung, die unsere Arbeitsplätze rettet: gänzliche Verstaatlichung, teilweise Verstaatlichung oder Beteiligung des Staates und seiner Gebietskörperschaften.“ Für Yves Fabri von der CGT (dem linken Gewerkschaftsbund) handelt es sich bei der Verstaatlichung des Werks in Florange gar um eine „Sache im Interesse der Nation“. Dies ist bei weitem keine isolierte Meinung, sondern eine weit verbreitete Forderung unter den GewerkschafterInnen aus den Hochburgen der französischen ArbeiterInnenbewegung, wie etwa in den Fabriken Fralib, PSA und Sanofi.
Leider sehen sich die Lohnabhängigen dieser Betriebe mit Gewerkschaftsführungen konfrontiert, die mit dieser Forderung keine Freude haben. Für die Spitzen sowohl der UNSA (liberale Gewerkschaft), der FO wie auch der CFDT hat das so genannte „Scheitern“ der bisherigen Verstaatlichungen gezeigt, dass diese Option keine Lösung darstellt. Laut Jacky Bontems von der CFDT wurde diese Politik „von der Geschichte diskreditiert“. Nicht anders äußerst sich dazu Stéphane Lardy, Bundessekretär für Arbeit: „Die Vergangenheit hat die Grenzen [der Verstaatlichung] aufgezeigt.“ Jean Grosset, die Nummer 2 der UNSA, verweist zu diesem Zweck sogar auf Nordkorea, während Maurad Rabhi – Zuständiger für Arbeitsfragen bei der CGT – zwar Verständnis dafür aufbringt, „dass man seinen Betrieb verstaatlichen will, wenn er geschlossen wird“, sich aber dennoch dagegen positioniert. Stattdessen setzt er darauf, „neue Gesetze zu verabschieden, die es erlauben sollen, gegen das Steigen der Profite vorzugehen.“
Wir sollten uns in der Frage aber auch in Erinnerung rufen, dass es Frankreich erst durch die Verstaatlichungen nach 1945 möglich war, die Reindustrialisierung des Landes nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges in Gang zu setzen. Es genügt nicht, die Verstaatlichungen der linken Regierung unter Mitterand im Jahre 1981 schlichtweg als „gescheitert“ zu bezeichnen. Vielmehr müssen wir die genauen Gründe dieses Scheiterns verstehen und analysieren. Die verstaatlichten Betriebe wurden damals nicht unter die demokratische Kontrolle der Beschäftigten gestellt, was aus unserer Sicht aber unabdingbar ist. Darüber hinaus gingen die Verstaatlichungen auch nicht weit genug: Die Schalthebel der Wirtschaft wurden nicht angerührt und blieben vollständig unter der Kontrolle der KapitalistInnen. Diese haben in der Folge alles daran gesetzt, die Politik der Regierung Mitterrand zu untergraben, was die Wirtschaftskrise weiter verschärfte. Es handelt sich hier also nicht um das Scheitern des Konzepts der Verstaatlichung an sich, sondern um das Scheitern der Politik einer Regierung, die die Grundlagen des kapitalistischen Systems nicht angreifen wollte.
Ein „Vetorecht“ der Gewerkschaften bei Entlassungen ist keine realistische Lösung. Welche KapitalistInnen würden in ein Unternehmen investieren, in dem Entscheidungen einem Vetorecht der VertreterInnen der Belegschaft unterworfen sind? Und wie lautet unsere Strategie, wenn diese beschließen, nicht mehr zu investieren? Ein weiteres Vetorecht einzubringen, das sie dazu zwingt? Diese Strategie ist nicht haltbar.
Auch die „Lösung“ in Form einer finanziellen Beteiligung des Staates an maroden Unternehmen verhindert nicht, dass eine Politik gegen die Interessen der ArbeiterInnen umgesetzt wird. Das lässt sich sehr gut am Beispiel Alstrom zeigen. Im Jahr 2003 hat der Staat 21% der Aktien dieses Unternehmens gekauft, gleichzeitig wurden 8.500 Arbeitsplätze weltweit im Konzern gestrichen.
MarxistInnen verteidigen Notverstaatlichungen von Betrieben, die vor der Schließung stehen – ohne Entschädigungszahlungen an die AktionärInnen! Diese Betriebe müssen unter die demokratische Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden. In Zeiten niedriger Produktion soll die Arbeit unter den Beschäftigten aufgeteilt werden, anstatt Arbeitsplätze zu vernichten und den Arbeitsdruck auf die verbleibenden KollegInnen zu erhöhen!
Rafik Baraket (PCF Paris)