In 380 Städten strömten am 14. Juni MitarbeiterInnen der chemischen, der Öl- und der Metallindustrie sowie des öffentlichen Nahverkehrs, Bankangestellte, Beamte, Angestellte im Bildungsbereich und andere Streikende auf die Straße – obwohl eine Aufforderung der Gewerkschaftsführung zur Teilnahme an den Demonstrationen ausblieb. Von Julia Brandstätter.

 

Grund für die große Streikbereitschaft ist die desaströse Politik der Regierung Bolsonaro, die Ausgaben für den Bildungsbereich kürzt, das Pensionsantrittsalter hebt, die Sozialausgaben senkt und öffentliches Eigentum verscherbelt.
Unter dem Druck von unten riefen Gewerkschaften und studentische Organisationen deshalb zu einem Generalstreik für den 14. Juni auf. Zwei Tage vorher verkündete der Präsident des größten Gewerkschaftsdachverbandes Brasiliens (CUT), dass „dieser Freitag, der 14. Juli, kein Tag zum Arbeiten ist, sondern ein Tag, an dem man zu Hause bleibt“. Anstatt die Menschen zur Teilnahme an den Demonstrationen und zur Bildung von Streikposten an ihren Arbeitsplätzen zu ermutigen, empfahl der Präsident des CUT einen „Pyjamastreik“. Deshalb fielen die Demonstrationen kleiner aus als die vorangegangenen am 15. und 30. Mai. Und das, obwohl sich nach Angaben des CUT rund 45 Millionen ArbeiterInnen am Generalstreik beteiligten!

In den größeren Städten wie São Paulo, Rio de Janeiro und Porto Alegre, wo Demonstrationen stattfanden und Kundgebungen abgehalten wurden, antwortete die Polizei mit repressiven Mitteln. Die Stimmung war kämpferisch. Schnell setzte sich der Slogan „Fora Bolsonaro“ (Bolsonaro raus!) durch, trotz angestrengter Versuche der Gewerkschaftsführung, die Forderungen auf den Rücktritt von Justizminister Sérgio Moro zu beschränken. Moro hat in seiner Funktion als Richter im Korruptionsprozess 2018 gegen den ehemaligen Präsidenten Lula da Silva (PT) Absprachen mit der Staatsanwaltschaft getroffen, um Lula (der zu diesem Zeitpunkt in den Umfragen führte) hinter Gitter zu bringen und seine Teilnahme an den Präsidentschaftswahlen zu verhindern. Denselben Richter Moro beförderte Bolsonaro wenig später zum Justizminister. Dieser kürzlich enthüllte Skandal stellt nicht nur die Rechtmäßigkeit der Inhaftierung Lulas in Frage, sondern die Legitimität des Ergebnisses der Präsidentschaftswahlen selbst.

Nicht nur die Polizei reagierte repressiv auf die Streikbewegung. In Gerichtsbeschlüssen erklärte die Justiz einige Streiks für illegal, weil die Aktionen einen „politischen Charakter“ hätten – ein scharfer Angriff auf das Streikrecht und die Versammlungsfreiheit. Die Gewerkschaftsführung erlag dem Druck der Justiz und forderte den Abbruch von Streiks.

So haben GewerkschafterInnen der Eisenbahnen von São Paulo (CPTM) die Aussetzung des zuvor genehmigten Streiks veranlasst. Die Gewerkschaft der Busfahrer (Rodoviarios do ABC Union) hat einen Streikposten entfernt, der die Abfahrt von Bussen am Morgen des 14. Juli in São Bernardo do Campo verhindern sollte. In Rio de Janeiro kündigte die Gewerkschaft der Busfahrer wiederum an, dass die Entscheidung über die Teilnahme am Streik von den einzelnen ArbeiterInnen selbst zu treffen sei. Das führt freilich dazu, dass Busse und U-Bahnen angesichts des unangenehmen Nachspiels für isoliert Streikende weiterhin in Betrieb bleiben. Der Gouverneur von São Paulo, João Dória, drohte explizit mit der Entlassung von U-Bahn-FahrerInnen, wenn sie in den Streik treten. Einige Gewerkschaften besuchten nicht einmal die Betriebe, um den Streik ernsthaft zu organisieren.

Mit dem Generalstreik am 14. Juni ist der Widerstand aber noch lange nicht erledigt. Er war ein weiteres starkes Zeichen der Entschlossenheit der ArbeiterInnen, die Verhältnisse zu ändern. Unsere Schwesterorganisation in Brasilien schreibt: „Der Kampf gegen Bildungskürzungen und Angriffe auf das Sozialsystem hat zu einem starken Rückgang der Popularität [der Regierung, Anm.] geführt. Angesichts einer so schwachen und gespaltenen Regierung wäre es durchaus möglich, die Angriffe auf das Sozialsystem zu besiegen und die Regierung zu stürzen.“

(Funke Nr. 175/Juli 2019)


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