Auf Kuba reiht sich ein Hurricane in eine lange Liste an Problemen. Großflächige Stromabschaltungen lösen neue Proteste aus. Die Führung reagiert mit weiterer Liberalisierung der Wirtschaft. Laura Höllhumer bezieht zu den aktuellen Debatten um die Zukunft der kubanischen Revolution Stellung.
Am 27.9. traf Hurricane Ian mit 250 Km/h auf Kuba. Dank des hochwirksamen Zivilschutzsystems konnten 50.000 Menschen evakuiert werden und es gab zwei Todesopfer zu beklagen, allerdings wurden Infrastruktur und Häuser schwer beschädigt, bis zu 50% der Bausubstanz der Provinz Pinar wurde beschädigt oder ganz weggeblasen.
Der Hurricane traf Kuba in einem besonderen Moment der Schwäche: Seit die Kubanerinnen und Kubaner den Kapitalismus in den 1960ern überwunden haben, sind sie imperialistische Aggressionen inklusive einer Wirtschaftsblockade durch die USA gewohnt. Mit dem Kollaps der Sowjetunion und der Krise Venezuelas seit 2014 verloren sie allerdings wichtige Handelspartner. Hinzu kamen der 2017 von Trump eingeleitete härtere Kurs gegenüber der Insel, die Covidkrise & der Ukrainekrieg.
Im vergangenen Jahr lag die Inflation bei 71%. Der Mangel an Waren führt zu extremer Spekulation und zusätzlicher Verknappung durch Schwarzmarkt. Der Zusammenhang von Schwarzmarkt-Gangstern und korrupten Administratoren staatlicher Betriebe ist offensichtlich. Dringend notwendige Investitionen in die Infrastruktur können nicht getätigt werden, die Bevorzugung der Tourismusindustrie gegenüber etwa der Lebensmittelproduktion wird zunehmend breit kritisiert. Besonders in der Stromversorgung macht sich der Mangel an Wartung und Reparaturen bemerkbar und führt zu regelmäßigen Blackouts.
Am härtesten trifft es die Arbeiterklasse und arme Nachbarschaften, wo sich ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit breit macht. Ausdruck davon ist die stark gestiegene Abwanderung junger Menschen: 2021 sind 180.000 KubanerInnen illegal in die USA eingewandert. Ihre Unzufriedenheit wird von der Konterrevolution vereinnahmt. Junge Revolutionäre halten hier mit der Vision der „Erneuerung der Revolution von der Basis weg“ entgegen und selbst die Parteizeitung „Granma“ erkennt die Legitimität der Proteste an, um nicht den Draht zur traditionellen sozialen Basis der Revolution abzukappen.
Als Reaktion auf den Wirtschaftseinbruch hat die Regierung Kubas 2021 folgende Maßnahmen gesetzt: Erstmals dürfen nun wieder private ausländische Firmen im Einzel- und Großhandel investieren. Weiters können sich kubanische Firmen am Auslandshandel beteiligen, was das Außenhandelsmonopol untergräbt. Das Ziel der kubanischen Regierung ist es, ausländische Investitionen ins Land zu bringen und die bereits zirkulierenden US-Dollar für den Handel am Weltmarkt nutzbar zu machen.
Das sind Zugeständnisse, die in Richtung der kontrollierten Wiederherstellung des Kapitalismus führen – eine Perspektive, die von Teilen der KP-Führung favorisiert wird. Folge wird aber kein prosperierender Kapitalismus sein, ja nicht einmal eine kapitalistische Diktatur mit steigendem Lebensstandard wie in China ist eine realistische Option. Diese Politik wird ein enormes Ansteigen der Ungleichheit, ein Fall des Lebensstandards der Massen und eine Zunahme von Unterdrückung sein. Aktuelle Probleme werden dabei nicht gelöst werden, weil etwa eine gut funktionierende Wasserversorgung für alle keine privaten Investoren finden wird. Alle Errungenschaften der Revolution, wie Gesundheits- und Bildungssystem, öffentlicher Wohnraum, die nationale Selbstbestimmung, Frauenrechte, keine Diskriminierung nach Hautfarbe etc. basieren auf der verstaatlichten Planwirtschaft.
Der einzige Garant für gesteigerte Produktivität und gegen die Übel der Bürokratie, wie Ineffizienz und Demoralisierung, ist echte Kontrolle und Machtausübung durch die Arbeiterklasse. Das würde nicht alle Probleme über Nacht lösen, wäre aber ein Schritt in die richtige Richtung. Weiters gedeihen alle Probleme Kubas am besten in Isolation, also müssen wir diese durchbrechen. Das Schicksal der kubanischen Revolution wird letztlich auf der Weltarena des Klassenkampfes entschieden. Eine Revolution irgendwo anders auf der Welt ist bei der heutigen Krise des Weltkapitalismus, den Massenbewegungen und der breiten Radikalisierung keine utopische Perspektive, sondern die Zukunft.
Es ist unsere Pflicht, die kubanische Revolution gegen den Imperialismus und jeden Versuch der kapitalistischen Restauration zu verteidigen. Unsere Losungen sind dabei die Arbeiterdemokratie und der proletarische Internationalismus.
(Funke Nr. 208/25.10.2022)