GewerkschafterInnen und linke AktivistInnen aus verschiedenen Ländern haben diesen offenen Brief an Evo Morales anlässlich des Konflikts zwischen dem Gewerkschaftsbund COB und der MAS-Regierung unterschrieben.

An Genossen
Evo Morales
Präsident des Plurinationalen Staates Bolivien

Die unterzeichnenden linken GewerkschafterInnen, ArbeiterInnen und AktivistInnen haben den Kampf des bolivianischen Volkes vom Wasserkrieg, an dem Sie beteiligt waren, über den Gaskrieg und die Aufstände von 2003 und 2005 bis zu Ihrem überwältigenden Wahlsieg, der Ausdruck und Ergebnis dieser Kämpfe war, begeistert unterstützt. Auf die gleiche Art und Weise haben wir Ihre Rede über die Notwendigkeit, den Veränderungsprozess zu vertiefen, um den Sozialismus auszurufen, die Sie in der Nacht Ihres Wahlsieges gehalten haben und Ihre wiederholten Aufrufe zur Verteidigung der Mutter Erde, deren Hauptfeind - wie Sie sagten - der Kapitalismus ist, begeistert begrüßt. Wie Sie wissen, ist der Kapitalismus nicht nur ein Feind der Natur, weil er auf Ausbeutung und den Privatbesitz an Ressourcen beruht, sondern in erster Linie ein Feind der Menschen, denn die Grundlage des Systems ist die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Die Ereignisse in Griechenland, wo die ArbeiterInnen gezwungen werden mit weiterer Armut zu bezahlen, damit die Profite der Banker und Spekulanten erhalten bleiben, sind ein deutliches Beispiel.

Wir drücken unsere tiefe Besorgnis aus über den Konflikt der zwischen Ihrer Regierung und dem Central Obrera Boliviana, der wichtigsten Organisation unserer arbeitenden Brüder und Schwestern in Bolivien, entbrannt ist. Wir wissen, dass trotz der enormen Bemühungen die Armut zu bekämpfen, mit sehr deutlichen und unbestreitbaren Ergebnissen, viele unserer KollegInnen, ob es nun Berg- oder normale ArbeiterInnen sind, weniger verdienen als sie zum täglichen Leben brauchen. Die meisten bolivianischen ArbeiterInnen arbeiten in prekären Verhältnissen, so dass es für die Großunternehmen leicht ist sie zu erpressen. In vielen, viel zu vielen, Privatunternehmen gibt es keine Gewerkschaften und die KollegInnen müssen bis zu 12 Stunden arbeiten. Die deutlichen Lohnerhöhungen, die Sie in den letzten Jahren als wichtig anerkannt haben, sind von den Unternehmen rückgängig gemacht worden, indem man sie mit den Produktivitätssteigerungen verrechnet wurden, was dazu geführt hat, dass mehr Stunden gearbeitet werden müssen, damit die Lohnerhöhungen in Kraft treten. Leider gibt es in Ihrem Land auch ein System der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften, bei dem die ArbeiterInnen die Streikgenehmigung beim Staat einholen müssen und Unternehmer bei Streiks aussperren dürfen (Kapitel II des Allgemeinen Arbeitsgesetzes), um so die Gewerkschaften einzuschüchtern.

Angesichts dieser Situation möchten wir unsere volle Sympathie mit unseren Brüdern und Schwestern in der COB und unsere Unterstützung für ihre Forderungen bekunden. Herr Präsident, die ArbeiterInnen, die sich jetzt im Streik befinden, sind die gleichen, die Ihnen während der Klassenauseinandersetzungen und des Wahlkampfs ihre überwältigende Unterstützung gaben. Ihre Regierung betrachtet sie in richtiger Weise als die Hauptstützen der Wirtschaft und des Staates. Deshalb möchten wir Sie und Ihre Regierung respektvoll bitten, mit den ArbeiterInnen in einen sinnvollen Dialog zu treten, wie es die KollegInnen von Ihnen erwarten, um die Gesamtproblematik der Löhne und der Arbeitsbedingungen der bolivianischen Arbeiterklasse anzugehen und es der Arbeiterbewegung zu gestatten, ihre Beteiligung am Transformationsprozess in Bolivien zu verwirklichen.

Genosse Präsident, wir glauben dass die bolivianische Revolution ein Beispiel und ein Orientierungspunkt für weltweite antikapitalistische und Arbeiterbewegung sein könnte. Diese Möglichkeit wird dramatisch geschmälert, wenn die ArbeiterInnen in der ganzen Welt nicht mehr die reale Möglichkeit eines Weges und einer anderen Welt in Bolivien sehen, in der die Wirtschaft geführt wird, um die menschlichen Bedürfnisse und nicht die Habgier einzelner Individuen zu befriedigen und eine Demokratie, die auf die Beteiligung der arbeitenden Menschen bei Entscheidungen über die Zukunft der Menschheit beruht. Wir vertrauen darauf, dass dieses Anliegen auch von Ihnen geteilt wird und hoffen auf Ihre Fähigkeiten, den laufenden Konflikt optimal zu lösen, um den Veränderungsprozess zu vertiefen und in Richtung Sozialismus fortzuschreiten.

Unterzeichnet diesen "Offenen Brief" HIER


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