Die Ergebnisse der Landtagswahl im Ländle lassen Rückschlüsse auf allgemeine Trends zu, analysiert Florian Keller (Co-Vorsitzender der SJ Vorarlberg).
Nach so einem Wahlergebnis würden sich in vielen Krisenländern die Strategen der großen Banken und Konzerne wohl die Finger ablecken: Die ÖVP als größte bürgerliche Partei genießt einen komfortablen Vorsprung und konnte sich ihren künftigen Koalitionspartner aus einer etwas linkeren und einer etwas rechteren Variante ihrer eigenen bürgerlichen Politik aussuchen (Grüne und FPÖ). Eine kommunistische Partei existiert nicht, die Sozialdemokratie ist einstellig. Doch der Teufel steckt wie so oft im Detail.
Diese Landtagswahl hat der ÖVP ihr historisch schlechtestes Ergebnis beschert, die absolute Mehrheit der letzten Wahl ist dahin. Die herben Verluste (siehe Grafik 1) zwingen die Partei dazu, sich einen Koalitionspartner zu suchen. Schon im Vorfeld der Wahl setzte die Partei deswegen, vor allem um eine Abwanderung Richtung NEOS zu verhindern, mit Slogans wie: „Unser Wasser in eigener Hand" und „Vor allem Arbeit sichern", auf die soziale Karte.
Dies gelang zu einem gewissen Teil auch, die NEOS verfehlten den angestrebten Klubstatus im Landtag klar. Sie zeigten wie zuvor das BZÖ oder das Team Stronach, wie instabil die auf dem Reißbrett entworfenen neuen bürgerlichen Formationen sind, sobald der sorgsam aufgetragene Lack des „Neuen" und der „Veränderung" im grellen Licht der realen Politik abbröckelt.
FPÖ und Grüne überboten sich dagegen gegenseitig dabei, sich als möglichst „verlässlicher Partner" und „verantwortungsbewusst" zu präsentieren und von den Verlusten der ÖVP zu profitieren. Jeder offene Angriff auf die ÖVP wurde vermieden. Die FPÖ plakatierte entgegen ihrer sonstigen Strategie nicht mit sozialdemagogischen Slogans. Stattdessen war zum Beispiel der bezeichnende Spruch: „Wirtschaft befreien", auf den großflächigen Plakaten zu lesen. Je näher an der Macht, desto deutlicher macht die FPÖ, für wessen Interessen sie in der Regierung einstehen würde!
Die Grünen beantworteten diese Anbiederung, indem sie die Wahl zu einer Entscheidung zwischen „Schwarz-Grün oder Schwarz-Blau" machten. Doch wer dieser Wahlkampfargumentation folgt und sich von schwarz-grün fortschrittlichere Politik erwartet, wird enttäuscht werden: Kurz nach der Wahl gingen sie in der wichtigen Verkehrsfrage weit auf die ÖVP zu, ohne dass diese etwas anderes gemacht hätte, als ebenfalls mit der FPÖ über eine Koalition zu verhandeln. Auch die Frage der Abtreibung in öffentlichen Spitälern, für die linksblinkenden Grünen fester Teil des Wahlkampfes, wurde schneller über Bord geworfen als der grüne Klubvorsitzende Johannes Rauch das Wort „Kompromissbereitschaft" aussprechen könnte. Man könnte überrascht sein, wenn die Partei nicht schon bei Regierungsbeteiligungen in anderen Bundesländern deutlich gemacht hätte, dass ihr „nettes Image" ebenfalls nur zum Wählerfang dient. Das hat ihr letztendlich auch die ersehnte Regierungsbeteiligung gebracht und wird die Grünen in Vorarlberg mitverantwortlich machen für die Umsetzung der Politik im Interesse der Banken und Konzerne. Der einzige positive Effekt der grünen Regierungbeteiligung wird sein, dass die Partei in der Praxis beweisen wird, dass auch auch sie keine Alternative für die ArbeiterInnen und die Jugend darstellt, die sich nach einer Veränderung des unerträglichen Status Quo sehnen.
Vorerst wird also alles so bleiben wie es ist. Denn auch die Sozialdemokratie konnte keine schlüssige Alternative zur konservativen Dominanz im Ländle aufstellen. Dabei wäre das Potential dafür enorm. Die Realität zerstört sehr schnell den Mythos vom ghörigen, konservativen Vorarlberger, der die Veränderung grundsätzlich ablehnt. Eine Zahl drückt den wachsenden Unmut besonders deutlich aus: Bei den unter 30-jährigen erreichte die ÖVP gerade einmal noch 13%! 2009 waren es noch fast dreimal so viele (siehe Grafik 2). Nachdem die SPÖ auf Bundesebene mit Bankenrettungen und Sparpaketen sklavisch den Kurs des Kapitals (mit) umsetzt, stellt auch sie für die jungen ArbeiterInnen und SchülerInnen trotz Oppositionsrolle in Vorarlberg keine Alternative dar: Auch sie verlor Stimmen bei dieser Gruppe. Die Politik der Großen Koalition fällt bei der jüngeren Generation eindeutig durch, genauso bei den ArbeiterInnen (Siehe Grafik 3), wo die FPÖ mittlerweile eine absolute Mehrheit genießt.
Daran konnte gerade der Zwergen-Wahlkampf nichts ändern, der die SPÖ Vorarlberg weit über die Grenzen Österreichs bekannt machte, die SPÖ zum Gesprächsthema machte und hin und wieder sogar Sympathie hervorrief. Denn Sympathie gewinnt keine Wahlen. Die ArbeiterInnen in den großen Vorarlberger Industriebetrieben haben die Zwerge gesehen und vielleicht geschmunzelt (oder den Kopf geschüttelt). Sie haben die Zwerge aber nicht mit der Lösung ihrer tagtäglichen Probleme in Verbindung gebracht und so bei der Wahl einer anderen Partei die Stimme gegeben (meist der FPÖ) oder sind zuhause geblieben. Um diese ArbeiterInnen und die Jugendlichen, die durch die Einsparungen im Bildungssystem betroffen sind zu gewinnen, muss die SPÖ in Vorarlberg einen mutigen sozialistischen Oppositionskurs fahren, der den Widerstand gegen die Angriffe der kommenden bürgerlichen Koalition in Vorarlberg mutig und aktiv in den Betrieben und auf der Straße organisiert, anstatt ihre Hoffnungen auf Wahlgimmicks zu setzen.
Und auch das reicht nicht aus: Vor allem die Angriffe der Großen Koalition auf Bundesebene haben dafür gesorgt, dass die SPÖ weiter Stimmen verloren hat. Diese müssen mutig und eindeutig beantwortet werden, indem sich die Partei auf die Seite der ArbeiterInnen und der Jugend stellt. Doch nach einigen richtigen Schritten in diese Richtung (wie zum Beispiel die Ablehnung des Koalitionsvertrags durch den Landesparteivorstand) hat sich auch hier so ein Kurs nie materialisiert. Im Gegenteil, zwei Anträge der Sozialistischen Jugend beim Landesparteitag der SPÖ zum Wahlkampfauftakt, die das Ende der Großen Koalition und eine aktive Solidarisierung mit den Schülerprotesten forderten, wurden bürokratisch abgewürgt. Zweimal wurde in Abstimmungen die Zuweisung zum Bundesparteivorstand beschlossen, bei der viele aber nicht einmal genau wussten, was gerade genau abgestimmt wurde (der Antrag oder die Zuweisung des Antrages?). Trotzdem konnte besonders der Antrag zum Ende der Großen Koalition eine bedeutende Minderheit von ca. 40% auf sich vereinen, was den steigenden Unmut in der Partei zeigt.
Die Sozialistische Jugend ließ sich davon nicht abhalten, den Wahlkampf für das Erklären von eigenen Forderungen und inhaltlichen Positionierungen zu verwenden. Vor dutzenden Schulen und Betrieben wurden tausende Flugblätter unter den Slogans: „Kapitalismus überwinden – für eine sozialistische Alternative", „Damit wir Arbeiter eine Stimme haben" sowie „Geld für Bildung statt für Banken", verteilt. Unsere KandidatInnen stellten auch in mehreren Interviews in der Vorarlberger Presse unsere Positionen klar, etwa im Bezug zur Großen Koalition. Einige junge ArbeiterInnen und SchülerInnen zeigten Interesse, auch dauerhaft bei uns aktiv zu werden und sich zu organisieren. Und trotz Plätzen sehr weit hinten auf den SPÖ-Listen bekamen wir dabei knapp 280 Vorzugsstimmen.
Wir werden das als Ausgangspunkt nehmen, auch in den kommenden fünf Jahren für die Politik einzustehen, die eigentlich die Aufgabe der gesamten Arbeiterbewegung wäre: Wir werden, wo es möglich ist, Widerstand organisieren und damit den wütenden ArbeiterInnen und der Jugend zeigen, dass es keine Verbesserung durch die Wahl von Grünen, NEOS oder FPÖ geben wird, sondern nur durch die Überwindung des Kapitalismus!