Mit dem Winteranfang beginnt das jährliche Ringen um die Handelskollektivverträge. Dieses Jahr verstrichen die ersten zwei Verhandlungsrunden ohne jegliches Angebot seitens der Arbeitgeber. Zenon Khayat berichtet.
Die Forderung der Gewerkschaft (GPA) war zuerst 11%, wurde aber mittlerweile gesenkt. Die aktuelle Forderung der Gewerkschaft GPA liegt bei 9,5% und einem Fixbetrag von 40 Euro, bei einer rollierenden Inflation von 9,2%.
Obwohl der Handel historisch betrachtet einer der am schwächsten organisierten Sektoren ist, kam es dieses Jahr anders. In den Bertrieben Interspar und Thalia wurden am 30.11.2023 die ersten Warnstreiks in der Geschichte des österreichischen Einzelhandels durchgeführt. Andere Betriebe folgten. Nach Pressemitteilungen der Gewerkschaft erhält diese viele Anrufe von Kollegen aus nicht-organisierten Betrieben, die auch in den Streik treten wollen.
Bei Thalia hat es mit der Filiale im Donauzentrum begonnen. Kein einziger Streikbrecher war unter den Mitarbeitern. Zwar war die Filiale offen, aber diese war durch nur notdürftig durch von außen herbeigeschaffte Arbeitskräfte besetzt. Dasselbe galt dann für die anderen Filialen. Ich nahm auch am Streik teil und konnte für zwei Stunden voll motiviert und kämpferisch mit meinen KollegInnen die Passanten auf den Warnstreik aufmerksam machen.
Gleich am nächsten Tag ging es in der Filiale Hauptstraße Linz weiter. Obwohl es durchgehend schneite, waren beinahe alle KollegInnen draußen und formten, um sich warm zu halten, eine auf-und-ab spazierende Reihe, während sie Plakate und Banner hochhielten.
Den krönenden Abschluss machte die Filiale Mahilferstraße Wien. Auch hier legte die gesamte Belegschaft für zwei Stunden die Arbeit nieder und bildete bei Minusgraden und Schnee vor dem Geschäft einen Streikposten. Und auch hier musste die Geschäftsleitung machtlos mitansehen, wie die meisten Menschen aus Solidarität nicht in das Geschäft gingen. Die Wenigen, die es taten, kamen meisten schnell wieder raus, als sie das leere Geschäft sahen. Viele weitere KollegInnen aus anderen Filialen kamen in ihrer Freizeit ,nur um mit uns im Schnee zu stehen und für das Recht eines jeden Einzelnen zu kämpfen. Jeder Cent, jeder Gewinn im Handel, konnte dieses Jahr nur wegen Menschen wie ihnen geschöpft werden und nun kämpfen wir gemeinsam für unseren Anteil am Wert, den wir erwirtschaftet haben.
Diese Erfahrungen werden für den Handel unglaublich wertvoll sein. Dass die KollegInnen einen weiteren Rückschlag erleiden werden, liegt in der politischen Ausrichtung der Führung der Gewerkschaft. Egal wie bereit die Menschen sind, um für ihr Recht zu kämpfen, die reformistische Führung der Gewerkschaft will schnell wieder stabile Beziehungen zu den Arbeitgeberverbänden herstellen. Diese Stabilität ist eine Utopie und wird die Arbeitsverhältnisse verschlechtern. Denn die Unternehmen wollen prekäre Arbeitsverhältnisse und weniger kollektive Rechte für Beschäftigte. Der Präsident des Handelsverbandes sagt zur Situation: „Das sind historisch gewachsene, bürokratische Prozesse, die per se einmal ihre Funktionen erfüllt haben. Aber jetzt? Wer sagt denn, dass wir jedes Jahr den KV neu verhandeln müssen?“ Es steht zu befürchten, dass die gewerkschaftlichen Chefverhandler bereit sind, das nächstbeste Angebot der Arbeitgeber anzunehmen, um den Schein der „Sozialpartnerschaft“ zu wahren. Was es braucht ist ein tieferes Verständnis, dass die Instabilität Teil der Arbeitsrealität ist und eine wehrhafte Belegschaft und Gewerkschaftspolitik essenziell sind, um dagegenzuhalten.
Abschließen möchte ich damit, dass ich unglaublich stolz darauf bin, diesen Arbeitskampf mit solch solidarischen, arbeitskräftigen und motivierten Menschen erleben zu können. Vertrauen wir uns selbst und organisieren wir uns! Das ist der Beginn einen neuen Realität und nur so können wir noch größere Siege erzielen!
Der Autor ist Betriebsrat bei Thalia
(Funke Nr. 219/06.12.2023)