Die Krise des österreichischen Bankensektors ist noch lange nicht zu Ende. Der endlich beschlossene Banken-U-Ausschuss wird daran nichts ändern, meint Emanuel Tomaselli.
Die Zeit der Beschwichtigungen ist vorbei. Bei der Hypo Alpe Adria (HGAA) tritt der größtmögliche Schaden von etwa 20 Mrd. € ein. Mit der Einrichtung der Bad Bank ÖVAG gehen im ersten Halbjahr 2015 weitere Milliardenrisiken unwiderruflich in die Hand der SteuerzahlerInnen über. Der Raiffeisensektor schlittert indessen aufgrund der Krise in Russland unaufhörlich auf das Niveau einer Ramschbank.
Die Verwandlung der Ostphantasien des österreichischen Kapitals in ein wohlstandsvernichtendes Alptraumszenario schreitet sicheren Schrittes voran. Zur Erinnerungen einige nackte Tatsachen: Gemessen an der Wirtschaftsleistung im Inland sind Österreichs Banken und Konzerne der weltweit relativ größte Kapitalexporteur. Diese Investments flossen vor allem nach Osteuropa und auf den Balkan. Vor dem Ausbruch der Krise 2008 wurden 60% der Gewinne der im ATX-Börsenindex gelisteten Konzerne in dieser Region gemacht. Seit Ausbruch der Krise, haben österreichische Konzerne 44 Mrd. € an Verlusten in dieser Weltregion eingefahren (ohne Hypo). Bekanntestes „Opfer“ dieser Schubumkehr ist die Hypo Alpe Adria: ihre Balkantöchter galten noch im Jänner 2013 als Milliarden-Asset, mit dessen Verkauf man den Verlust für die SteuerzahlerInnen auf nahe Null drücken könne, so Management und Politik unisono. Heute wissen wir, dass dieser Verkauf mit weiteren unkalkulierbaren Milliardenverlusten verbunden sein wird. Der neue Eigentümer, die US-Heuschrecke Aventis, zahlt nur 50 Mio. und das ausstehende Kreditrisiko bleibt bei der Republik Österreich.
Multiorganversagen
Die im Februar 2013 von der Bundesregierung eingerichtete Griss-Kommission legte einen Bericht vor, in dem ein komplexes Multi-Organversagen von Banken-Management, Eigentümer und Aufsichtsorganen nachgezeichnet wird. Es wird nachvollziehbar, dass die „Notverstaatlichung“ der Hypo durch die Republik keine solche war. Der damalige Eigentümer, die Bayrische Landesbank pokerte hoch und gewann alles: der damalige Finanzminister Pröll (ÖVP) und Staatssekretär Schieder (SPÖ) ließen sich in „einer harten Verhandlungsnacht“ großkoalitionär über den Tisch ziehen und machten das Problem der Bayern zum Problem der österreichischen SteuerzahlerInnen. Weiters wird deutlich, dass es nach der Notverstaatlichung keinerlei Strategie gab, den Schaden zu minimieren. Wir vermuten: Einerseits vertraute die Politik optimistischen Wirtschaftsprognosen, andererseits wollte man vor den Wahlen im Herbst 2013 den Schadensfall unter den Teppich kehren. Stattdessen wurde mit der „CSI Hypo“ ein sinnloses und teures Potemkinsches Justiz-Manöver zur Bedienung der öffentlichen Meinung veranstaltet.
Die mittlerweile gängige Erzählung des Hypo-Debakels lautet wie folgt: Einerseits hat die Aufsicht versagt, die Politik war in den Jahren 2009 ff. von den staatlichen Aufsichtsorganen schlichtweg schlecht beraten, und/oder die damaligen verantwortlichen Politiker waren intellektuell überfordert. Weiters liegt es nahe den Aufstieg der Hypo zur Hausbank der Balkan-Mafias unter Jörg Haiders Landeshauptmannschaft zu thematisieren. Diese Aussagen sind offensichtlich teilrichtig, allerdings verschleiern sie die Interessenslagen mehr, als sie erklären. Die versprochenen und herbeigeschriebenen „Regulierungen“ und „Verbesserungen“ in der Finanzaufsicht werden schlicht nicht kommen, da Regierung und Beamtenapparat keine von den Banken unabhängige Rolle spielen, sondern im Gegenteil deren wichtigstes Instrument sind.
Staat: Exekutive der Bankenherrschaft
Wir haben keinen Grund unsere These vom Februar 2013 zurückzunehmen, dass die wichtigste Überlegung der Regierung, die Hypo nicht pleite gehen zu lassen, der damit verbundene Kollateralschaden für den Raika-Konzern war. Der Haftungsverbund der HypoLandesbanken hätte insbesondere die RLB OÖ, die den Hypo-Sektor in Salzburg und Niederösterreich kontrolliert, in Schieflage gebracht. Außerdem hätte der Bankrott der Hypo dazu geführt, dass die Geschäftsbücher der Bank offengelegt hätten werden müssen. Ansprüche an die Konkursmasse hätten in einem Gerichtsverfahren öffentlich gemacht werden müssen. Beides war nicht gewollt.
Die Interessenslage der ÖVP ist dabei durch den Schutz der ökonomischen Interessen des Raika-Konzerns gelenkt. Raiffeisen und ÖVP bilden eine politisch-ökonomische Symbiose. Fünf ÖVP-Nationalratsabgeordnete sind Teil des Raika-Imperiums. Dazu kommen „Experten“, die zwischen dem schwarzen Finanzministerium und dem Raika-Konzern hin- und herpendeln, als ob sie von einer Abteilung desselben Unternehmens in die andere wandern würden. Der bekannteste dieser Lobbyisten ist Michael Höllinger, der in den letzten 20 Jahren wiederholt zwischen Raika-Konzern und Finanzministerium sowie Finanzmarktsaufsicht, die er unter KHG selbst aus der Taufe hob, wechselte. Nach einen kurzen Heimspiel bei der RZB 2006/7 verlangte der Ausbruch der Krise eine Rückkehr ins Ministerium. Unter Pröll und Fekter war er zuständig für Finanzmärkte, den Kapitalmarkt, Beteiligungen und internationale Finanzinstitutionen. In seine Zeit fällt die „Donauinitiative“, die Rettung der Banken in Osteuropa. Diese wird im Griss-Bericht (ungewohnt klar) als eine mit 24,5 Mrd. dotierte „multilaterale Initiative zur Rettung der RBI“ (Raiffeisenbank International) bezeichnet. Nachdem er die gesetzlichen Grundlagen für die österreichische Bankenrettungspakete geschaffen hatte, pendelte er 2012 in die Führung der RZB (die Muttergesellschaft der RBI) zurück. Seine Frau ist weiter als Abteilungsleiterin in der Finanzmarktaufsicht aktiv.
Die SPÖ ist nur die zweite Abteilung des politischen Bankenkomplexes. Doch in einem guten Orchester ist auch die zweite Geige wichtig. Die SPÖ-Interessenslage in Sachen Hypo wurde dadurch bestimmt, dass namhafte Genossen für das Hypo-Desaster mitverantwortlich gemacht werden könnten. Da ist die SPÖ in Kärnten, der Generaldirektor der Nationalbank und nicht zuletzt der langjährige Vize-Vorstandschef Wolfgang Edelmüller. Edelmüller schied Ende Febraur 2013 vorzeitig aus dem Vorstand der Bank aus und begab sich anschliessend auf eine Roadshow durch Gewerkschaften und Arbeiterkammern. Hier warb er mit „brisanten Informationen“ erfolgreich für das Konzept der vollen Übernahme der Hypo-Zahlungen durch die SteuerzahlerInnen. Die Angst vor dem Verlust „wichtiger“ Ämter und Posten und vor der medialen Macht der Raika-Konzerns führten dazu, dass sich ÖGB und AK in den scheinbar alternativlosen nationalen Schulterschluss zur Rettung der Hypo-Investoren eingliederten. Das vom sozialdemokratischen Vorzeige-Kapitalisten Androsch ausgeplauderte Abendessen beim Herrn Bundespräsidenten zur Besprechung der Hypo-Causa in einer exklusiven Herrenrunde im März 2013 ist dabei nur die Spitze des Eisbergs: Eine politische Existenz unabhängig von dem vom Kapital geschaffenen und dominierten Staatsapparat kann sich die bürgerliche Führung der Sozialdemokratie und ihr Apparat nicht vorstellen. Mitgegangen – Mitgefangen. Die Krise des kapitalistischen Systems wird damit zur Krise der Arbeiterbewegung gemacht.
Des Pudels Kern
Aufgrund der katastrophalen wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen in der Ukraine und in Russland droht nun eine erneute Verschärfung der Bankenkrise. Besonders gefährdet ist dabei der Raiffeisen-Konzern. Die RBI, die 30% ihrer Eigenmittel von insgesamt 12,9 Mrd. € geriet in der zweiten Jahreshälfte 2014 in massive Probleme. Die russische Tochterbank galt bisher als Perle des Konzerns, sie erwirtschaftete noch 2013 62% des Gewinnes der RBI. Über 30% der Eigenmittel der RBI von insgesamt 12,9 Mrd. € sind in den russischen und ukrainischen Tochterbanken investiert (abgesichert durch die österreichische Exportsicherung). In der Ukraine gelten mittlerweile 40% der Kredite als faul, dazu kommt die Wirtschafts- und Finanzkrise in Russland. Die Ratingagentur Moody's sieht die RBI nur noch knapp über dem Ramsch-Status, der Aktienkurs der RBI hat im Vergleich zum Höchststand 90% des Wertes eingebüßt.
Angesichts der gegebenen geopolitischen Spannungen wird es keine Wiederholung einer mulitlateralen Rettungsaktion für Raiffeisen mehr geben. Daraus ergeben sich enorme Gefahren für den österreichischen Kapitalismus.
Das dicke Ende steht uns mit größter Wahrscheinlichkeit also noch bevor.
Im Februar 2014 schrieben wir über die Auswirkungen des Hypo-Debakels:
„Insofern ist die Pleite der HGAA eine wichtige politische Zäsur. Das heißt:
1. Es muss massiv gekürzt werden, um die Hypo zu finanzieren.
2. Wir werden jetzt ein europäischer Krisenstaat und werden sehen, wie sich die ehemaligen Großparteien (angefangen mit dem baldigen Bauernopfer Spindelegger) verschleißen.
3. Die Instabilität in der Gesellschaft wird zunehmen.
4. Die Dringlichkeit eines antikapitalistischen Programms für die Arbeiterbewegung wird immer offensichtlicher werden.“ (Funke No. 123, Febraur 2014)
Diese Perspektive hat sich vollständig bewahrheitet und erfährt durch die aktuellen wirtschaftlichen und politischen Ereignisse eine neue Dynamik. Wenn die Arbeiterbewegung nicht aus dem nationalen Schulterschluss zur Bankenrettung ausbricht, dann wird das verheerende Folgen haben.
Wien, 15. Jänner 2015